Sie entscheiden über unsere Zukunft: Das ist das neue EU-Spitzenpersonal
Wer übernimmt welches Amt in der EU? Die wichtigsten Entscheidungen sind gefallen, auf dem EU-Gipfel sollen sie nun beschlossen werden. Wir zeigen, welche Politiker*innen künftig eine wichtige Rolle in Brüssel spielen.
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Der Sozialdemokrat António Luís Santos da Costa soll neuer EU-Ratspräsident werden.
Ursula von der Leyen, die amtierende und vermutlich auch neue Präsidentin der EU-Kommission, kennen die meisten Deutschen. Nicht zuletzt aus ihrer Zeit als Bundesfamilien-, -arbeits- und -verteidigungsministerin von 2005 bis 2019. Aber wer sind die anderen Politiker*innen in Brüssel, die künftig eine wichtige Rolle in der EU spielen werden?
António Costa: neuer EU-Ratspräsident
Da ist zunächst der Sozialdemokrat António Luís Santos da Costa. Der frühere portugiesische Premierminister soll das wichtige Amt des EU-Ratspräsidenten übernehmen. Entscheiden wollen das die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel am 27. und 28. Juni. Dann leitet Costa künftig die Sitzungen des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs. Hier kommt es besonders auf diplomatisches Geschick an, um Kompromisse zu erreichen und wenn möglich sogar Einstimmigkeit.
In seiner Zeit als Regierungschef Portugals von 2015 bis 2024 hat der 62-Jährige viel Erfahrung im EU-Rat gesammelt. Viele seiner Kolleg*innen loben seine kluge und freundliche Verhandlungsart. Erfahrung hat er auch im EU-Parlament, dem er von 2004 bis 2005 angehörte.
Optimal vorbereitet auf die neue Aufgabe
Costa verlor sein Amt als portugiesischer Premierminister im April 2024 sehr unglücklich. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Korruption vor und durchsuchte seinen Regierungssitz. Doch die Vorwürfe stellten sich später als völlig haltlos heraus. Sie stützten sich nämlich auf ein abgehörtes Telefongespräch, dass falsch protokolliert wurde. Die Rede war im Telefonat nämlich nicht von Regierungschef António Costa, sondern von Wirtschaftsminister António Costa Silva. Doch die Aufklärung kam zu spät: Das Parlament war bereits aufgelöst, Neuwahlen angesetzt, Costa wurde im Amt des Premierministers abgelöst.
In der sozialdemokratischen Parteienfamilie ist man nun froh, mit António Costa ein politisches Schwergewicht für das Amt des EU-Ratspräsidenten vorschlagen zu können. Er gilt als optimal vorbereitet für seine neue wichtige Aufgabe in Brüssel.
Die neue EU-Außenbeauftragte
Das erwarten die EU-Staats- und Regierungschefs auch von Kaja Kallas, der künftigen EU-Außenbeauftragten. Auch über diese Personalie will der EU-Gipfel am 27. und 28. Juni entscheiden. Kallas, seit Januar 2021 liberale Premierministerin von Estland, soll „Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ werden. In diesem Amt würde die 47-Jährige die EU nach außen vertreten und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestalten.
Auch Kallas hat Erfahrung auf dem europäischen Parkett: Von 2014 bis 2018 war sie Mitglied des Europäischen Parlaments. Die erste weibliche Regierungschefin Estlands gilt als harte Kritikerin Russlands. Ihre Bemühungen um das Amt der NATO-Generalsekretärin hatten deshalb nicht den gewünschten Erfolg.
Für die Ukraine, gegen Russland
Kallas spricht sich nachdrücklich für eine starke und anhaltende Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg aus. Früh forderte sie Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofes wegen Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine. Sie betont die Mitverantwortung der russischen Bevölkerung für den Krieg, der nicht nur „Putins Krieg“ sei, wie einige behaupten.
Damit ist Kallas in Moskau zu einem Feindbild geworden. Im Februar 2024 erließ Russland einen Haftbefehl gegen die Ministerpräsidentin des Nachbarlandes. Die Begründung: Kallas hatte die Entfernung sowjetischer Kriegsdenkmäler in Estland durchgesetzt. Das passte dem Kreml überhaupt nicht. Kallas sieht die Richtigkeit ihres Kurses durch den russischen Haftbefehl bestätigt und zeigt sich unbeirrt. Ob sie als EU-Außenbeauftragte diplomatisch geschmeidiger auftritt, wird sich zeigen.
Die Fraktionschefin der Sozialdemokrat*innen
Weiter eine wichtige Rolle in Brüssel wird Iratxe García Pérez spielen: Die spanische Sozialdemokratin wurde als Vorsitzende der S&D-Fraktion im Amt bestätigt. Seit 2019 führt Peres die nach der christdemokratischen EVP zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament, die nach den Wahlen 136 von 720 Sitzen bekommt. Die Abkürzung S&D steht für „Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament“.
Die 49-Jährige setzte in der vergangenen Wahlperiode im EU-Parlament eine starke soziale und ökologische Agenda durch. Dazu gehört etwa ein europäischer Mindestlohn, eine Strategie der EU gegen Armut, der „Green Deal“, der Europa klimagerechter machen soll, sowie eine Mindeststeuer für Unternehmen.
In der neuen Wahlperiode will Pérez die bewährte Zusammenarbeit der Sozialdemokrat*innen mit den pro-europäischen Kräften fortsetzen. Damit sollen nicht zuletzt die erstarkten anti-europäischen Rechtsradikalen von der Mehrheitsbildung ferngehalten werden. Sie sollen nach dem Willen von Iratxe García Pérez das europäische Projekt nicht unterminieren.
Der Chef der SPD-Abgeordneten
Eine wichtige Rolle im Europaparlament wird auch der SPD-Abgeordnete René Repasi spielen. Der 44-Jährige aus Karlsruhe wurde erneut zum Vorsitzenden der Gruppe der 14 SPD-Abgeordneten gewählt. Dieses Amt hat er bereits seit 2014 inne. Es ermöglicht ihm, als ständiger Gast an den Sitzungen des SPD-Parteivorstandes und des Präsidiums teilzunehmen.
Repasi setzt auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte im EU-Parlament, die auch in der neuen Wahlperiode eine stabile Mehrheit haben. Auf diese soll sich die neue EU-Kommission auch stützen, fordert Repasi. Mögliche politische Zugeständnisse der Kommission an Rechtsradikale sind für ihn nicht akzeptabel. Sollte diese rote Linie etwa von Ursula von der Leyen überschritten werden, könne sie keine sozialdemokratische Unterstützung mehr erhalten, so der SPD-Abgeordnete.
Die Vizepräsidentin der S&D-Fraktion
Eine weitere wichtige Funktion im neuen EU-Parlament hat die SPD-Abgeordnete Gaby Bischoff: Sie wurde erneut zur Vize-Fraktionsvorsitzenden der S&D-Fraktion gewählt. Seit 2021 ist die 63-Jährige S&D-Vizepräsidentin.
Sie möchte sich in ihrem Amt für ein Europa einsetzen, das seinen Bürger*innen Schutz und Sicherheit in Zeiten großer Umbrüche und Krisen gibt. Für Bischoff darf es daher keine Rückkehr zur Kahlschlagpolitik der neoliberalen Ära geben. Europa soll wieder ein Projekt der Hoffnung werden, das den Menschen ein gutes Leben in Würde und Sicherheit garantiert.
EU Spitze
Bisher hatte ich ja eine recht gute Meinung von daCost; ich hoffe das bleibt so, Leider ist er Teil eines "Deals". Frau Kallas ist eine ausgesprochene Neoliberale mit starkem Hang zum Russenhass - noch immer haben russischstämmie Estländer keine vollen Bürgerrecht was den EU Statutn widerspricht und Frau Kallas hat das in ihrer Regierungszeit nicht geändert; sojemand scheint mir für einen EU Posten wenig geeignet.
....... und Frau vonderLaien: zu der brauche ich wohl nichts zu sagen, aber ich erinnere an den Wahlkampf den die SPD gegen sie geführt hat. Über die Standhaftigkeit der SPD+SD wundere ich mich nicht.
"Die neue EU-Außenbeauftragte"
Kaja Kallas, „seit Januar 2021 liberale Premierministerin von Estland, soll „Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ werden. Estland ist mit 1,4 Mio. Einwohnern das bevölkerungskleinste Land des Baltikums und kleiner als München (1,5 Mio.). Estland (- und neun andere Staaten -) wurde 2004 EU-Mitglied.
Ursprünglich war es die „Vision der Europäischen Nachbarschaftspolitik, einen Ring aus Ländern (zu bilden), die die grundlegenden Werte und Ziele der EU teilen und in eine zunehmend engere Beziehung eingebunden werden“ (STRATEGIEPAPIER, Brüssel, den 12.5.2004 KOM(2004) 373 ). Im Osten lag hinter dem „Ring von Ländern“ die Russische Föderation. Diese Idee eines cordon sanitaire gab die EU spätestens 2004 auf und machte aus den Ländern, die die EU vor Russland abschirmen sollten, Länder, die von der EU vor Russland geschützt wurden. Und weil das so gut lief, die Meinung der Russischen Föderation musste uns nicht kümmern, war auch „der Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine und Moldau (und) die Perspektive für Georgien richtig. ... Die sozialdemokratische Ostpolitik war wegweisend für Frieden und Sicherheit in Europa“ (Klingbeil, 19.10.22).
Im Laufe der Zeit, endgültig am 24.2.2022, zeigte sich dann aber doch, dass wir (EU/SPD) Russland völlig falsch eingeschätzt und darum seine „autokratische Konsolidierung nach innen und interessengeleitete Großmachtpolitik nach außen“ völlig übersehen haben, wohl auch geblendet von persönlichen Freundschaften, wie Klingbeil feststellte. Unsere neuen EU-Nachbarn waren da deutlich empfindsamer und warnten, aber „wir haben die Interessen und Perspektiven unserer ost- und mitteleuropäischen Partner nicht ausreichend berücksichtigt“: Wir hätten „mehr auf unsere Partner hören müssen“. Etwa in der Causa Nord-Stream, der Gas-Pipeline, durch die wir von Putin erpressbar wurden, sodass wir sie sprengen mussten, um Putin zu sanktionieren – oder verwechsele ich das was?
Jetzt machen wir es besser. Jetzt machen wir die Regierungschefin von Estland, die „Innenpolitisch an Strahlkraft verloren“ hat (Tagesschau vom 28.6.24), zur neuen EU-Außenbeauftragten, quasi zur Außenministerin der EU, so „dass Estlands Wort am EU-Tisch nun das gleiche Gewicht habe wie das der größeren Staaten“ (Euractiv gibt (24.6.24) Kaja Kallas wider). Das Zentrum der EU verschiebt sich gen Osten.
Die „neue Chefdiplomatin der EU“ (Merkur, 29.6.24), „Estlands ´Eiserne Lady´“ (Tagesschau, 28.6.24) ist als „Putins Erzfeindin“ (Bild, 27.6.24) geradezu prädestiniert, die Außenvertretung der EU zu übernehmen. „Im April 2022 warnte sie vor „Frieden um jeden Preis“ mit Russland (Wikipedia/ Axos, 6.4.22) – da verhandelten gerade die Ukraine mit Russland über ein Ende des Krieges. „Sie lehnte jedes Friedensabkommen ab , das einen Teil des ukrainischen Territoriums an Russland abtreten würde“ (Wikipedia/CP24, 19. Februar 2023), verlangte stattdessen, an Russland ein Exempel zu statuieren, „damit alle Aggressoren oder potenziellen Aggressoren auf der Welt zu der Einsicht gelangen, dass sich dies nicht auszahlt“ (CP24). Überhaupt: „Ich glaube nicht, dass es mit einem Pariastaat, der seine imperialistischen Ziele nicht aufgegeben hat, normale Beziehungen geben kann“. Um solche Vorstellungen durchsetzen, bedarf es natürlich militärischer Voraussetzungen. „Kallas forderte die EU zudem auf, in Militärtechnologie zu investieren und bereit zu sein, militärisch einzugreifen, um eine russische Aggression zu verhindern. Bei der Intensivierung der europäischen Verteidigung müssen wir innerhalb der EU einen Konsens darüber finden, dass manchmal die Bereitschaft zum Einsatz militärischer Gewalt der beste Weg zur Erreichung des Friedens ist“ (EuroNews, 9.3.22).
Damit spricht Frau Kallas allen unseren Wortgewaltigen aus tiefster Seele; Pistorius und Klingbeil dürften ebenfalls mehr als zufrieden sein. Und Gabriel, ehemaliger SPD-Vorsitzender, der sicher ist, „werden Russland niederringen müssen“ – notfalls „mithilfe der Bundeswehr“ (Frankfurter Rundschau, 15.6.24), findet in ihr eine Seelenverwandte.
Frieden durch Krieg, statt Frieden durch Auflösung des Konfliktsystems, das zum Krieg geführt hat - eine Wahnsinnsidee!
Wollen wir wirklich so eine EU?
Gibt es in der BRD noch eine Partei, die mich vor diesen Bellizisten schützen kann, wenigstens zu schützen verspricht?
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