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Lieferkettengesetz: „Die FDP sabotiert hier EU-Prozesse.“

Die FDP will einem europäischen Lieferkettengesetz nicht zustimmen. Aus Sicht von Finn Schufft von „Germanwatch“ schadet sie damit deutschen Unternehmen. Er sieht aber noch eine Chance, dass das Gesetz kommt.

von Kai Doering · 7. Februar 2024
Auf der Kippe? Ziel des europäischen Lieferkettengesetzes ist es, Wettbewerbsbedingungen europaweit zu vereinheitlichen.

Auf der Kippe? Ziel des europäischen Lieferkettengesetzes ist es, Wettbewerbsbedingungen europaweit zu vereinheitlichen. 

Am Dienstag hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mitgeteilt, dass sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Position zum EU-Lieferkettengesetz einigen konnte. Sie wird sich bei der Abstimmung im Rat der Europäischen Union am Freitag deshalb wohl enthalten. Wie bewerten Sie das?

Diese Ankündigung ist erschreckend. Das geplante Lieferkettengesetz wurde zwei Jahre lang aktiv von Deutschland mit verhandelt und mitgestaltet. Der Text, der am Freitag zur Abstimmung steht, kommt zum Teil wörtlich aus dem FDP-geführten Justizministerium. Dass nun ausgerechnet die FDP den ausgehandelten Kompromiss nicht mittragen will, ist nicht nachvollziehbar. Inhaltliche Gründe können es vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht sein.

Sondern?

Aus meiner Sicht ist das ein Wahkampfmanöver. Kurz vor ihrem Europaparteitag hat sich das Präsidium der FDP gegen das geplante Lieferkettengesetzes gestellt. Die FDP sabotiert hier EU-Prozesse und versucht, den Gesetzgebungsprozess für ihren Anti-Bürokratie-Wahlkampf zu kapern, auch wenn das gerade im Fall dieses Gesetzes ziemlicher Unsinn ist.

Wieso?

Weil das europäische Lieferkettengesetz überhaupt kein bürokratisches Gesetz ist. Im Gegenteil macht es viele Regeln sogar einfacher.

Das Argument der FDP, das europäische Lieferkettengesetz würde gerade kleine und mittlere Unternehmen überfordern, halten Sie also nicht für stichhaltig?

Natürlich bedeuten Lieferkettengesetze einen gewissen Aufwand für Unternehmen. Das europäische Gesetz wird kleine und mittlere Unternehmen aber gar nicht betreffen. Auch viele andere Gerüchte, die nun kursieren, stimmen nicht: So führt das Gesetz beispielsweise keine neuen Berichtspflichten ein, sondern vereinfacht im Gegenteil sogar die bestehenden Berichtspflichten. Und das Gesetz verfolgt einen risikobasierten Ansatz, das heißt: Unternehmen müssen keinesfalls all ihre Zulieferer bis ins kleinste Detail überprüfen, sondern nur dort aktiv werden, wo Menschenrechtsrisiken bestehen.  Zudem legt es zwar eine geringere Anzahl an Mitarbeitenden zu Grunde als das deutsche Lieferkettengesetz, aber es gilt nur für Unternehmen, die mindestens 150 Millionen Euro Jahresumsatz haben. Damit gilt es voraussichtlich insgesamt nicht für mehr Unternehmen als das deutsche Lieferkettengesetz. Das legen zumindest alle Daten nah, die wir dazu kennen.

Und wenn große Unternehmen die Vorgaben weitergeben, etwa an Zulieferer?

Auch das ist etwas, dass das EU-Gesetz im Blick hat. Dass große Unternehmen ihre Pflichten einfach vollständig weiterreichen, wird durch das Gesetz verboten. Wo sie Informationen von KMU benötigen, müssen größere Unternehmen diese gegebenenfalls finanziell bei der Beschaffung dieser Informationen unterstützen. Zudem sieht das Gesetz eine Reihe weiterer Unterstützungsleistungen bei der Umsetzung für kleine und mittlere Unternehmen vor.

Warum braucht es überhaupt ein europäisches Lieferkettengesetz, wenn es bereits ein deutsches gibt?

Ziel des europäischen Lieferkettengesetzes ist es, Wettbewerbsbedingungen europaweit zu vereinheitlichen. Mit ihrem Nein stellt die FDP deutsche Unternehmen also im europäischen Wettbewerb sogar schlechter, weil sie Auflagen erfüllen müssen, die in anderen EU-Staaten nicht gelten. Das kann im Ergebnis zu einem Dickicht an Regelungen führen, das die so gefürchtete Bürokratie gerade erst befördert. Noch besser als europäische wären natürlich globale Regeln.

Der vorliegende Entwurf ist bereits ein Kompromiss, der zwischen Europaparlament, EU-Kommission und Europäischem Rat gefunden wurde. Wo hätten Sie sich als Germanwatch mehr gewünscht?

Da gibt es zahlreiche Punkte. Im Zuge der zweijährigen Verhandlungen ist leider einiges verwässert worden. Besonders schmerzhaft ist, dass der Finanzsektor fast vollständig ausgeschlossen wurde. Auch die umweltbezogenen Pflichten sind leider sehr lückenhaft. Und die Hürden für die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen, die gegen die Vorgaben des Lieferkettengesetzes verstoßen, bleiben leider – auf deutsches Betreiben hin – sehr hoch. 

Deutschland wird sich bei der Abstimmung am Freitag enthalten, weil die FDP gegen das Gesetz ist. SPD und Grüne sind jedoch dafür. Hätten Sie sich hier mehr Gegenwehr gewünscht?

Ja, das ist auch etwas, das wir den anderen Parteien vorwerfen. Zwar hat sich Arbeitsminister Hubertus Heil mit Herzblut für den vorliegenden Gesetzentwurf eingesetzt, aber aus dem Kanzleramt und dem Wirtschaftsministerium war kaum etwas an Unterstützung zu hören. Da wäre mehr Rückendeckung von SPD und Grünen nötig gewesen. Bereits im Dezember 2022 hat die Initiative Lieferkettengesetz fast 100.000 Unterschriften für ein europäisches Lieferkettengesetz an Olaf Scholz übergeben. 

Ist das EU-Lieferkettengesetz mit Deutschlands Enthaltung, die einem Nein entspricht, tot?

Bisher gibt es nach unseren Informationen trotzdem weiter eine Mehrheit für das Lieferkettengesetz. Frankreich und Italien zum Beispiel scheinen weiterhin für den vorliegenden Gesetzentwurf zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob der Schwenk der deutschen Regierung hierauf noch einen Einfluss hat. Jetzt kommt es auf die europapolitische Verantwortung der anderen Mitgliedstaaten an. Deutschland lässt diese leider vermissen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Do., 08.02.2024 - 11:27

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Die FDP sabotiert nicht nur das Lieferkettengesetz und macht Deutschland bei der EU madig - es reicht doch, dass Ungarn und Polen, in der EU ständig querschießen - , sondern sabotiert bei uns eine gerechte Politik im Interesse der Bevölkerungsmehrheit. Stattdessen vollzeiht sie ausschließlich die Weisungen der Unternehmenslobbyisten, deren Gewinne angeblich durch das ursprünglich geplante Lieferkettengesetz geschmälert würden.
Wann zeigt die SPD auf, wer die Richtlinien der Politik bestimmt und wieviele Mitglieder die FDP in der Regierung und in den Parlamenten hat, und warum die FDP peu à peu aus den Landtagen ausscheidet, wenn Blockademinister Lindner es schon selbst nicht begreift?

Gespeichert von Thomas Gruber (nicht überprüft) am Mo., 12.02.2024 - 18:49

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Zurecht kann man der FDP nicht trauen. Waren schon in den 80er Jahren Umfaller. Aber leider muss man diesmal ihnen Recht geben. Schaut euch mal selber auf der EU-Seite den Gesetzentwurf an. Ok steht dort zwar nur in Englisch online aber wenn man das dort liest. Dann stimmt es leider das was die FDP beanstandet. Warum deren Minister bei den bisherigen Verhandlungen nichts beanstandet hsttet und erst auf den letzten Drücker damit um die Ecke gekommen sind steht auf einem anderen Blatt.
Aber so wie es hier im Artikel aufgeführt ist das es keine Risiken für die heimische Industrie gäbe stimmt halt nicht. Das war auch unisono Thema im Handelsblatt etc. . Aber gegen Wettbewerber außerhalb der EU hätte dies nicht gegriffen. Ergo völlig egal was über Alibaba, Temu und Konsorten geliefert wird. Oder in größerer Form als BYD Fahrzeuge. Laptops oder in China oder Indien gefertigten Elektronik.
Schönes Beispiel solch misslungenen EU-Regelwut: Glühbirnen. Muss man sich seit dem EU-weiten Verbot ganz einfach per ebay bei irgendeiner fernöstlichen Firma bestellen. Oder Produkte fallen hier unter REACH-Restriktionen können und werden weltweit eingesetzt - auch hier eine unwissenschaftliche Überreaktion der EU-Behörden (Bsp. TiO2- weiss Pigmente) die keinerlei wissenschaftliche Prüfungen bestehen.
Und daher wäre das EU-Lieferkettrngesetz konträhr zur gewünschten Entbürokratisierung der Wirtschaft.
Und leider muss man hier den FDPlern aus diesen Gründen auch noch auf die Schultern klopfen das sie gerade noch den Blödsinn mit blockiert hatten.
Ein bisschen über den Landesgrenzen hinausblickenden Verständnis und Aktionrn unserer weltweiten Wettbewerber hätte man bitteschön auch von Hr. Heil erwarten können.
Wir sollten endlich und von der Weltverbesserer und "Wirsindausschliesslich-die-Guten" verabschieden.
Den wir alle kaufen Kleidung made in Bangladesch et.al. und nicht ausschließlich bei Trigema in Burladingen. Auch hier "Wünsche nach einer guten Welt" aber spätestens am Preisetikett wird deutlich anderes abgestimmt.
Daher find ich es massiv gebeutelt wenn man der FDP hier "German Vote" vorwirft. Denn nein der Bock liegt daran das WIR mit unseren Vertreter der SPD in der Verhandlung zum Gesetz unsere Wähler und unsere Wirtschaft aus den Augen verloren hat.