Bernd Lange: Warum das EU-Lieferkettengesetz jetzt endlich kommen muss
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Die EU-Kommission hat den Gesetzentwurf zum geplanten Lieferkettengesetz im Dezember zum dritten Mal verschoben. Was sind die Gründe?
Beim ersten Mal hatte das Verschieben inhaltliche Gründe, weil es wirklich ein komplexer Gesetzesvorschlag ist, der drei Elemente umfasst: Zum einen geht es um die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette von unterschiedlichen Vor-und Zulieferern bis zum Endprodukt und zum zweiten um die Veränderung der Unternehmensverfassung, die Nachhaltigkeit als Unternehmensziel festlegt. Als drittes muss geklärt sein, wie wir künftig mit Produkten umgehen, die nachweislich unter Zwangsarbeit hergestellt werden aber nicht in europäischer Unternehmensverantwortung liegen und damit Import-Verbote beinhalten.
Die zweite und dritte Verschiebung des Gesetzes erfolgte allerdings durch eine Institution innerhalb der EU-Kommission, die rechtlich überprüfen sollte, ob dieser Gesetzgebungsvorschlag in das Regelwerk der europäischen Verträge passt. Diese Institution, die Legal Scrutiny Board, hat sich an diesem Punkt zu einer politischen Bewertungsinstanz entwickelt, was nicht im Sinne des Erfinders ist. Im Fall des Lieferkettengesetzes lässt sich da von einer politischen roten Karte sprechen. Da wurde sehr stark die Argumentation des europäischen Unternehmerverbandes aufgriffen, wonach das Gesetz angeblich gegen die marktwirtschaftlichen Interessen von Unternehmen geht. Eine politische Bewertung ist aber überhaupt nicht akzeptabel.
Heißt verschoben „nur“ verschoben oder steht das Gesetz als solches in Frage?
Für den 25. Januar habe ich aus diesem Grund die Kommission zu einer Diskussion in meinen Ausschuss eingeladen, damit wir nochmal Druck machen können. Es kann nicht sein, dass ein Gremium, das keine demokratische Legitimation hat, politisch in die Arbeit hineingreift. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Das europäische Parlament hat im März vergangenen Jahres schon ein klares Signal zu unserer Positionierung zum Lieferkettengesetz gesetzt. Und auch innerhalb der Kommission gab es bereits ein klares Bekenntnis für das Gesetz. Und das muss jetzt auch kommen.
Mit Frankreich hat nun ein EU-Land die Ratspräsidentschaft übernommen, das bereits eine Verpflichtung gegenüber unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte hat. Könnte sich das positiv auswirken?
Innerhalb des Rates gibt es bereits Diskussionen über diese doppelte rote Karte. Ich gehe davon aus, das Frankreich hier nochmal Druck machen wird und der Vorschlag im Februar oder März endgültig auf dem Tisch liegt. Es ist gut, dass Frankreich jetzt die Ratspräsidentschaft hat.
Frankreich hat ja bereits Erfahrungen mit einem solchen Gesetz….
Genau. Das französische Gesetz beinhaltet positive Elemente, hat aber auch ein paar Unzulänglichkeiten. Einige Definitionen sind da beispielsweise so vage, dass sie unterschiedlichen Interpretationsraum lassen. Es bleibt eine Herausforderung, auch für Unternehmen. Und dies umso mehr, wenn es nur im nationalen Raum greift. Allein um diesen Wettbewerbsnachteil zu korrigieren, will Frankreich das Gesetz europäisieren.
Die neue Koalition aus SPD, Grünen und FDP unterstützt die Forderung nach einem Lieferkettengesetz. Welchen Einfluss kann Deutschland geltend machen?
Das wird sicherlich motivierend wirken, wenn die deutsche Bundesregierung unterstreicht, dass sie dieses Lieferkettengesetz gemeinsam mit Frankreich durchsetzen will.
Wie geht es jetzt konkret weiter?
Am 25. Januar gibt es die Einladung in den Handelsausschuss mit der Generaldirektorin und Ende Februar, Anfang März rechne ich mit der endgültigen Vorlage des Gesetzes. Bis zur Verabschiedung braucht es dann vielleicht nochmal ein Jahr. Dann kommen noch Übergangsfristen hinzu, es müssen Zertifizierungseinrichtungen geschaffen werden, Unternehmen müssen ihre Nachhaltigkeitsstrategien und Risikoanalysen machen. Da kann man schon von insgesamt drei Jahren ausgehen, denn es soll ja keine Lücken geben und keine Schlupflöcher. Wenn wir das im Januar 2025 richtig scharf gestellt haben, dann ist das gut.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.