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315 Millionen Euro für Radwege in Peru: Warum diese Zahl nicht stimmt

Egal ob AfD, Junge Union oder Bauernproteste – in letzter Zeit ist als Kritik am Bundeshaushalt vor allem eine Zahl zu lesen: Die Bundesregierung finanziere mit 315 Millionen Euro Busse und Radwege in Peru. Allein: Sie stimmt nicht.

von Jonas Jordan · 15. Januar 2024
Eine Bushaltestelle in der peruanischen Hauptstadt Lima

Eine Bushaltestelle in der peruanischen Hauptstadt Lima.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren sieht der Bundeshaushalt für das Jahr 2024 deutliche Einsparungen vor. Dagegen regt sich aktuell viel Kritik, zuletzt sehr prominent von Landwirt*innen. In diesem Zusammenhang wurde von vielen argumentiert, die Bundesregierung solle doch statt in der Landwirtschaft lieber in anderen Bereichen sparen. Viel ist von angeblichen 315 Millionen Euro die Rede, mit denen Deutschland den Ausbau von Bussen und Radwegen in Peru fördere. Allerdings lässt sich für diese Behauptung keine Quelle finden.

Wie viel soll im Entwicklungshaushalt gekürzt werden?

Im Gegenteil gehört der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu denjenigen, die am deutlichsten von den Sparplänen der Bundesregierung betroffen sind. Denn: Zwar haben sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag 2021 verpflichtet, 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren und für jeden Euro, der in Rüstung fließt, einen weiteren Euro in die Bekämpfung extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten zu stecken.

Doch anders als im Verteidigungsetat sollen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2024 deutlich gekürzt werden. In diesem Zusammenhang war Mitte Dezember 2023 bekannt geworden, dass die Bundesregierung plant, weitere 400 Millionen Euro in diesem Bereich einzusparen. Die Kürzungen würden sich dann im Vergleich zum Etat des Jahres 2023 auf mehr als 900 Millionen Euro belaufen.

Woher kommt die Zahl?

Doch woher stammt nun die Zahl von angeblich 315 Millionen Euro für Radwege und Busse in Peru? Erstmals genannt hat sie die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar (früher AfD, inzwischen parteilos) in einer Rede im Bundestag. Anschließend übernahmen zahlreiche Medien und rechtskonservative Kommentatoren diese Summe ungeprüft. Tatsächlich lässt sich diese Zahl jedoch nirgends finden. 

Im November 2022 hatte die Bundesregierung bei Regierungsverhandlungen in Peru Mittel der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von 529 Millionen Euro zugesagt. Davon entfielen 498 Millionen Euro auf die finanzielle und 31 Millionen Euro auf die technische Zusammenarbeit, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. Wie diese anschließend auf eine Summe von 315 Millionen Euro für Busse und Radwege kommt, bleibt wohl deren Geheimnis.

Was sagt das BMZ?

Das Entwicklungsministerium selbst stellt in einem am Freitag per E-Mail verschickten Faktencheck klar, dass das BMZ mit einem im Jahr 2020 zugesagten Zuschuss in Höhe von 20 Millionen Euro den Aufbau eines Fahrradschnellwegenetzes in der peruanischen Hauptstadt Lima unterstütze, das sich derzeit im Aufbau befinde. Außerdem habe das BMZ im Jahr 2022 weitere 24 Millionen Euro für den Bau von Radwegen in Peru zugesagt, die sich derzeit in der Planungsphase befänden. 

Zusätzlich unterstützt Deutschland Peru ganz gezielt mit Krediten auch beim Aufbau eines umweltschonenden Bussystems. Hierfür wurden laut BMZ bereits 2020 rund 55 Millionen Euro als Kredit zur Verfügung gestellt. 2022 wurde ein weiterer Kredit in Höhe von gut 100 Millionen Euro zugesagt. Solche Krediten vergibt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die zu den führenden Förderbanken weltweit zählt. Deutschland „spendet“ also keineswegs das Geld an Peru, wie von rechtskonservativen Kommentatoren und Politikern teilweise behauptet wird, sondern diese Kredite sind rückzahlbar.

Und wofür ist das gut?

Dieses Engagement erfolgt laut Entwicklungsministerium aus gutem Grund. Denn mit dem Pariser Klimaschutzabkommen hat die Weltgemeinschaft 2015 vereinbart, dass alle Staaten ihre CO2-Emissionen senken und die reicheren Länder die ärmeren dabei unterstützen. Sowohl die frühere Bundeskanzlerin Merkel als auch Bundeskanzler Scholz haben zugesagt, dass Deutschland dazu einen jährlichen Beitrag leistet, der auf mindestens 6 Milliarden Euro im Jahr 2025 ansteigen wird.

Radschnellwege sollen in einer der größten und schnell wachsenden Städte Südamerikas einen mehrfachen Nutzen bringen. „Sie sorgen für Mobilität für alle Teile der Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen, ermöglichen so auch mehr Teilhabe der Armen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben und schützen das Klima“, argumentiert das Entwicklungsministerium. Denn der Verkehrssektor gehöre zu den größten Verursachern von Treibhausgasen in Peru, einem Land mit sehr schnell wachsenden Ballungszentren. Wenn Peru weniger Treibhausgase ausstoße, sei das für die Menschen in Deutschland genauso wichtig wie Klimaschutz hierzulande. Denn langfristig führe Kilmaschutz – egal wo auf der Welt – dazu, „dass wir weniger zahlen müssen, um Schäden und Verwüstungen nach Überschwemmungen oder Dürren zu reparieren und wiederaufzubauen“.

Zahlt Deutschland 61 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit im Jahr?

Eine weitere Zahl, die derzeit im Netz kursiert, ist ebenso falsch, auch wenn sie ebenfalls auf der Internetseite des Ministeriums auftaucht. Gemeint sind jedoch nicht die Zahlungen für Entwicklungszusammenarbeit pro Jahr, sondern das Gesamtvolumen aller, meist über viele Jahre laufende Vorhaben. Es beträgt derzeit 61,85 Milliarden Euro und umfasst sowohl Zuschüsse als auch Kredite, die zurückgezahlt werden. Der Haushalt des BMZ belief sich im Jahr 2023 auf rund zwölf Milliarden Euro, was 2,5 Prozent des Bundeshaushaltes entspricht. Im Jahr 2024 werden es voraussichtlich rund elf Milliarden Euro sein. 

Warum zahlt Deutschland überhaupt so viel Geld für Entwicklungszusammenarbeit?

Deutschland liegt mit seinen Entwicklungsinvestitionen gemessen an seiner Wirtschaftskraft hinter Luxemburg, Schweden und Norwegen auf Platz vier. Das vergleichsweise große entwicklungspolitische Engagement liegt laut BMZ im deutschen Interesse. Deshalb habe es über viele Regierungskonstellationen hinweg auch eine lange Tradition. Als global vernetzte Volkswirtschaft sei Deutschland noch stärker als andere darauf angewiesen, belastbare Zugänge und vertrauensvolle Partnerschaften zu pflegen sowie globale Krisen friedlich und auf dem Wege der Zusammenarbeit zu lösen.

Globale Probleme lassen sich nur durch globale Zusammenarbeit lösen, argumentiert das Ministerium. So lasse sich zum Beispiel der Klimawandel nur durch weltweit gemeinsames Handeln aufhalten. Das gehe in vielen unserer Partnerländer oft einfacher als in Deutschland. „Weil man zum Beispiel direkt Windanlagen bauen könnte, anstatt erst von der Kohle umzusteigen und Kohlekraftwerke abzureißen. Also direkt in klimaneutrale Energie zu investieren, anstatt den Umweg über fossile Kraftstoffe zu wählen“, heißt es seitens des Ministeriums.

Das gleiche gelt für die weltweite Bekämpfung von Gewalt und kriegerischen Konflikten, die Unterstützung Geflüchteter und die Unterstützung der Aufnahme- und Herkunftsländer sowie die Bekämpfung von weltweiten Pandemien. Zudem lohne sich Entwicklungspolitik finanziell. „Mit jedem Euro, mit dem wir heute weltweit Gesellschaften krisenfester machen, sparen die Steuerzahlenden später vier Euro an humanitärer Nothilfe. Diese Investition zahlt sich also aus“, argumentiert das BMZ.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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22 Kommentare

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Gespeichert von Samereier Ludwig (nicht überprüft) am Di., 16.01.2024 - 16:53

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Gespeichert von Ebert (nicht überprüft) am Di., 16.01.2024 - 20:20

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Gespeichert von B.Högele (nicht überprüft) am Di., 16.01.2024 - 21:29

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Gespeichert von Mara Nägel (nicht überprüft) am Mi., 17.01.2024 - 21:38

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Angemessene Hilfe ist eine gute Sache. Dafür braucht es eine gesunde, starke Wirtschaft. Woher soll diese weiterhin kommen, wenn der wichtigste Arbeitgeber - der Mittelstand - immer mehr "geschröpft" wird und das weiterführen von diesen Firmen schwierig ist ? Wenn die Arbeitnehmer, welche diese Leistungen bringen oder erbracht haben, mit sinkendem Lebensstandart ( Med. Versorgung etc.), wachsenden Lebenshaltungskosten, verfehlter Wohnungspolitik, Verunsicherung bei den Rententhemen konfrontiert werden ? Ist es nicht hilfreicher bei unterstützenden Projekten Augenmaß zu behalten - damit Deutschland auch in Zukunft als starke Wirtschaft in der Lage ist ein Partner zu sein ? Und wäre mehr Transparenz und Achtsamkeit im Umgang mit Steuergeldern von Seiten der Regierung nicht auch Zeichen von Respekt allen Mitbürgern gegenüber und damit ein hilfreicher Garant für unsere Demokratie ?

Gespeichert von Violetta Lux (nicht überprüft) am Do., 18.01.2024 - 19:48

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Vielen Dank für die Einordnung. Selbst Markus Lanz bediente sich am 16.01.2024 gegenüber Ricarda Lang dieses Beispiels, was ich unglaublich fand, dass er dies ungeprüft heranzieht, um die Entwicklungszusammenarbeit zu diskreditieren. Allerdings müssen Sie bitte darauf hinweisen, dass Joana Cotar ehemalige AfD-Abgeordnete ist. Sie hielt die Rede am 11.01.2024 - da war sie bereits fraktionslos, sie ist im November 2022 aus der AfD-Fraktion ausgetreten. Insofern ist es nicht korrekt, dass Joana Cotar AfD-Abgeordnete ist, so wie im Artikel dargestellt.

Gespeichert von Sandra Kampczyk (nicht überprüft) am Sa., 20.01.2024 - 13:37

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Das stimmt so nicht was sie da schreiben ! Geht, mal abgesehen davon, auch wieder nur gegen eine Partei. Es wird keine Einsparungen geben, sagte Lindner ! Weder in der Regierung, noch bei Bundeswehr, Polizei oder an Geldern für's Ausland. Sei es für den Ukrainekrieg, noch für andere Länder.

Gespeichert von Jonas Jordan am Mo., 22.01.2024 - 13:35

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Was genau soll nicht stimmen? Ganz konkret sollen die im Haushalt vorgesehenen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um fast zwei Milliarden Euro sinken.

Gespeichert von Ludwig Samereier (nicht überprüft) am Sa., 27.01.2024 - 10:57

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20240127 Wenn ich richtig gezählt habe, wurden von bislang 17 Kommentaren 11 gelöscht.

Die Gründe für die Löschung können Sie in unserer Netiqette nachlesen.
 

https://vorwaerts.de/nettiquette