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„Boomer-Soli“: Darum geht es im DIW-Vorschlag zur Rente

Wenn die „Boomer“-Generation in Rente geht, gerät die Rentenkasse endgültig an ihre Grenzen. Eine Lösung könnte eine Sonderabgabe sein. Wie soll das funktionieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

von Lea Hensen · 18. Juli 2025
Die Rentenkasse gerät an ihre Grenzen, vor allem, wenn die Boomer-Generation in Rente geht.

Die Rentenkasse gerät an ihre Grenzen, vor allem, wenn die Boomer-Generation in Rente geht.

Die Rentenkasse steht vor gewaltigen Herausforderungen: Wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarken „Boomer“-Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre in Rente gehen, entsteht eine Finanzierungslücke. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat einen neuen Vorschlag erarbeitet, der das Problem lösen könnte. Die SPD ist aber kritisch.

Wieso steht die Rentenkasse unter Druck?

Die gesetzliche Rentenversicherung ist in Deutschland umlagefinanziert. Das bedeutet: Die Erwerbstätigen von heute finanzieren mit ihren Beiträgen die Bezüge der Rentner*innen von heute. Die zukünftigen Renten der Erwerbstätigen werden durch nachfolgende Generationen finanziert.

Unsere Gesellschaft altert, es gibt immer mehr Rentner*innen, aber weniger Erwerbstätige, weil die Geburtenraten seit Jahrzehnten niedrig sind. Die Rechnung geht also nicht mehr auf: Laut Demografieportal wird eine Rente schon jetzt nur noch durch zwei Erwerbstätige finanziert. Die Situation wird sich zuspitzen, wenn die „Babyboomer“ in den Ruhestand gehen.

Wie will die Bundesregierung das lösen?

Bislang gehen mögliche Lösungen entweder zulasten der Rentner*innen oder zulasten der Erwerbstätigen. Man könnte das Rentenniveau absenken – dann würde die Altersarmut steigen. Man könnte das Renteneintrittsalter anheben – dann müssten Erwerbstätige länger arbeiten. 

Die aktuelle Bundesregierung will das Rentenniveau bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent stabilisieren und die Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder ausweiten. Damit das gelingt, sollen die Steuerzuschüsse und am Ende auch die Beitragssätze in den kommenden Jahren weiter steigen. Darüber hinaus soll eine Rentenkommission verschiedene Reformpläne prüfen.

Was ist der „Boomer“-Soli?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, reichere Rentner*innen für ärmere Renter*innen zur Kasse zu bitten – aus Solidarität. (Hier geht es zur detaillierten Darstellung des DIW-Vorschlags.) Dabei soll nur innerhalb der älteren Generation umverteilt werden, Erwerbstätige müssten also keine steigenden Beiträge und der Staat keine Zuschüsse übernehmen. „Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden“, sagt Studien-Co-Autor Stefan Bach. „Ein Boomer-Soli kann helfen, für Ausgleich zu sorgen.“

Wie hoch soll die Abgabe sein?

Konkret könnten Renter*innen zehn Prozent ihrer Einkünfte abgeben, die einen Freibetrag von 1.048 Euro monatlich übersteigen. Gemeint sind nicht nur Einkünfte aus der gesetzlichen Rente, sondern alle Einkünfte im Alter, also auch aus Betriebsrente, privater Altersvorsorge, aus staatlich finanzierten Beamtenpensionen, Erwerbseinkommen oder Pflegegeld, und – je nach Variante – auch Vermögenseinkünfte wie Mieterträge oder Zinsen und Dividenden.

Wen würde das am meisten belasten?

Der Studie zufolge würden die 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit höchstem Einkommen nur moderat belastet. Ihr Nettoeinkommen würde um drei bis vier Prozent sinken.

Wer würde am meisten profitieren?

Die 20 Prozent der Rentnerhaushalte mit niedrigstem Einkommen würden dagegen stark profitieren. Ihr Einkommen würde um zehn bis elf Prozent steigen. Das Armutsrisiko von rund 18 würde auf knapp 14 Prozent sinken.

Könnte das wirklich umgesetzt werden?

Ob die geplante Rentenkommission den Vorschlag prüft, ist offen. Ein Vorteil wäre, dass die Sonderabgabe sofort wirken könnte, während andere Reformen wohl erst über Generationen ihre Wirkung entfalten. Man könnte sie auch einfach wieder abschaffen, wenn sich die finanzielle Lage der Rentenkasse bessert.

Doch Ökonomen,  Arbeitgeber und Gewerkschaften kritisieren den Vorschlag, auch die SPD positioniert sich dagegen. SPD-Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel, in der Fraktion Berichterstatter für Arbeit und Soziales, bezeichnete den „Boomer-Soli“ gegenüber dem „Tagesspiegel“ als „Sommerloch-Thema“. „Ideen gibt es viele und dafür haben wir die Rentenkommission, die sich mit der Finanzierbarkeit, aber auch der Gerechtigkeitsfrage des Rentensystems in unserem Land beschäftigt“, sagte Rützel. 

„Mit diesem Vorschlag wird Gerechtigkeit gegeneinander ausgespielt, eine alte Generation gegen eine junge Generation.“ Viele hätten sich über lange Zeit etwas aufgebaut und über Jahrzehnte Beiträge gezahlt. „Wer in Rente geht, muss sich darauf verlassen können, dass niemand um die Ecke kommt und sagt: ‚Geben Sie mal 10 Prozent ab“, ergänzte er auf Facebook.

Die Union lehnt einen „Boomer-Soli“ strikt ab. Die Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Gitta Connemann (CDU), sagte den Sendern RTL/ntv: „Jemand, der in die Rente eintritt, der sein Portfolio berechnet hat, (…) dem kann ich nicht so mal über Nacht sagen, ich nehme dir davon zehn Prozent weg.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht den „Boomer-Soli“ ebenfalls kritisch. Vorstandsmitglied Anja Piel forderte, Beitragszahlende eher durch eine Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen zu entlasten. 

Welche Befürworter*innen gibt es?

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer nannte den Grundgedanken des „Boomer-Solis“ richtig, die konkrete Ausgestaltung sei aber „sicher zu diskutieren“. „Wir haben seit den 70er Jahren nicht mehr genügend Kinder großgezogen, um mit diesem Umlage-Verfahren zurechtzukommen. Also insofern ist es schon richtig, dass man innerhalb dieser Rentner-Generation der Babyboomer-Generation sich mehr wechselseitig hilft“, sagte sie dem Bayerischen Rundfunk.

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Fr., 18.07.2025 - 15:27

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Es kann doch nicht sein, dass nun Rentner, die ein Arbeitsleben lang Beiträge in die Alterskasse gezahlt haben, nun dafür bestraft werden, indem ihnen von einer Rente, die gerade zum Leben reicht, noch Geld abgezogen wird.

Komischerweise will das DIW die Beitragszahler zur Kasse bitten, während eine Vielzahl solcher Leute, die nie Beiträge geleistet haben, aus der Alterskasse versicherungsfremde Leistungen beziehen. Würden diese Leistungen entfallen, könnten auch Bezieher von Renten mit niedrigeren Beiträgen besser bezahlt werden.

Weiterhin sollte dem DGB-Vorschlag, "Beitragszahlende eher durch eine Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen zu entlasten." gefolgt werden. Nur auf diese Weise kann eine gerechte Politik erfolgen.

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