Beamte zahlen Rentenbeiträge: Was hinter dem Vorschlag von Bas steckt
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will die Rentenversicherung solidarischer aufstellen. Unter anderem sollen Beamt*innen künftig Beiträge zahlen. Ist das sinnvoll? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
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Wie geht es weiter mit der Rente? SPD und CDU haben sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat vorgeschlagen, auch Beamt*innen, Selbstständige und Abgeordnete in die Rentenversicherung einzahlen zu lassen, um die Einnahmen in die Rentenkasse zu erhöhen. Doch der Vorstoß stößt auf Widerstand.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) sagte in der ARD-Sendung „Caren Miosga“, der Vorschlag sei nicht abgestimmt, er finde dazu „keine Belegstelle im Koalitionsvertrag.“ „Das ist nicht Common Sense in der Koalition“, sagte Frei. „Man kann über alles reden, aber es ist kein tragbares Finanzierungsmodell.“ Das Grundproblem des Umlageverfahrens der Rente bleibe seiner Meinung nach bestehen.
Was ist das Grundproblem der Rentenversicherung?
Die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert in Deutschland im Umlageverfahren: Die arbeitende Bevölkerung finanziert die Renten aktueller Rentner*innen und erwirbt dadurch den Anspruch auf eine Gegenleistung durch die Folgegeneration. Bei Angestellten beträgt der Beitragssatz derzeit 18,6 Prozent ihres Bruttoarbeitslohns – die Hälfte davon trägt die oder der Arbeiternehmer*in. Selbstständige können bislang freiwillig in die Rente einzahlen.
Rentenkasse immer mehr unter Druck
Das System steht seit Jahren unter Druck. Die Gesellschaft altert, immer weniger arbeitende Menschen finanzieren den Ruhestand von immer mehr Rentner*innen. Die Rechnung geht langfristig nicht auf. Deswegen werden die Rentenbeiträge weiter steigen. Die Bundesregierung schließt die Finanzlöcher in der Rentenversicherung durch hohe Zuschüsse, die den Bundeshaushalt belasten. 2023 waren das 112,5 Milliarden Euro, also rund ein Viertel des Etats.
Was will die Scharz-Rot zur Sicherung der Rentenkasse unternehmen?
Damit Rentenbezieher*innen in den kommenden Jahren abgesichert sind, hat Schwarz-Rot vereinbart, das heutige Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festzuschreiben. Angekündigt wird außerdem, neue Selbstständige, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Schwarz-Rot will das Rentensystem mit Aktiv- und Frühstart-Rente ausbauen und die Mütterrente ausweiten.
Darüber, wie die Rentenversicherung langfristig reformiert werden kann, soll eine Kommission bis Mitte der Legislaturperiode beraten. Laut Koalitionsvertrag sollen die absehbaren Mehrkosten nicht durch höhere Beiträge, sondern durch Steuermittel ausgeglichen werden. Woher soll das Geld dafür kommen? Dazu wird vage auf eine „wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, eine hohe Beschäftigungsquote und eine angemessene Lohnentwicklung“ verwiesen.
Wie beziehen Beamt*innen bislang ihre Rente?
Beamt*innen beziehen genau genommen keine Rente und müssen sich bislang deswegen auch nicht an der Rentenkasse beteiligen. Der Staat, dem sie auf Lebzeiten verpflichtet sind, zahlt ihnen ein sogenanntes Ruhegehalt, dessen Höhe je nach Anzahl der Dienstjahre zwischen 35 und 71,75 Prozent des letzten Grundgehalts liegt.
SPD fordert seit Jahren solidarischere Rente
Wie argumentiert die SPD?
Die SPD fordert seit Langem eine solidarische Altersversorgung, in die möglichst viele einzahlen. „Wir wollen mehr und langfristig alle Erwerbstätigen in die Solidarität der gesetzlichen Rentenversicherung einbeziehen“, steht dazu im Wahlprogramm 2025. Als erstes ist dort von der Gruppe der Selbstständigen die Rede, die ein hohes Schutzbedürfnis hätten – sie in die gesetzliche Rentenkasse zu überführen, hatte sich schon die Ampel-Koalition vorgenommen, aber nicht umgesetzt.
Schon früher, unter anderem im Beschluss zum Bundesparteitag 2017, nannte die SPD auch die Integration von Beamt*innen: „Alle nicht erfassten Berufs- und Einkommensgruppen sind in die staatliche Rentenkasse zu integrieren. Hierunter fallen unter anderem Beamte, Selbständige, Kapitalerträge sowie Mieteinkünfte.“
Was sagen Kritiker*innen zum Vorschlag von Bas?
Neben Thorsten Frei lehnen auch andere Unionspolitiker*innen, der Deutsche Beamtenbund und die Gewerkschaft der Polizei den Vorschlag der Bundesarbeitsministerin ab. Der Ökonom Jens Südekum sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, der Vorschlag würde „kurzfristig“ die finanziellen Probleme der Rentenkasse nicht lösen, da nur Neuverbeamtete in die Rentenversicherung aufgenommen werden könnten – der Effekt wäre also erst in zehn bis 15 Jahren spürbar. „Insofern ist es eher so eine Art Diskussionsanstoß, aber nicht etwas, was kurzfristig helfen würde“, sagte Südekum. Der Ökonom warnte, der Staatsdienst könnte durch die Maßnahme unattraktiver werden.
Andere Kritiker*innen bemängeln, dass eine höhere Zahl an Beitragszahlenden in absehbarer Zeit auch eine höhere Zahl an Rentenbezieher*innen nach sich ziehe. Stattdessen sollten kapitalgedeckte Vorsorgemodelle gestärkt werden, die die Abhängigkeit von der staatlichen Rentenversicherung verringern.
Positives Beispiel aus Österreich
Was sagen Fürsprecher*innen?
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Einbeziehung von Beamt*innen ins Rentensystem löse zwar nicht das grundsätzliche Problem der Rentenversicherung. Doch der Vorschlag sei „sinnvoll“, „schon um sicherzustellen, dass alle Einschränkungen, die man von gesetzlich Versicherten verlangt beziehungsweise verlangen sollte, auch eins zu eins auf sie übertragen werden“. Schnitzer plädiert immer wieder für eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters – die SPD lehnt das ab.
Der SPD-Sozialexperte Bernd Rützel, der in der Vorgängerregierung dem Ausschuss für Arbeit und Sozial vorstand, sagte der „Augsburger Allgemeinen“ zum Vorschlag von Bas: „Das Gerechte daran ist, dass alle ihren solidarischen Beitrag leisten. Durch die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten würde die Beitragsbasis verbreitert und zunächst die Beiträge stabilisiert. Aber die Integration ist kein Pappenstiel, es braucht eine lange Übergangsphase.“
Rützel verweist auf das Beispiel Österreich. Dort sind Selbstständige Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Beamtenpensionen sind weitgehend an die Bestimmungen der Rentenversicherung angepasst. Es gibt keine wesentlichen Privilegien für Beamt*innen mehr, das System gilt als einheitlicher und transparenter.
Unterstützung von Gewerkschaft und Sozialverband
Die IG Metall fordert, dass die Kommission den Vorschlag von Bas aufgreift. „Wir brauchen den Neuaufbau einer solidarischen Rentenversicherung“, sagte Sozialvorstand Hans-Jürgen Urban. Alle Erwerbstätigen müssten in einem gemeinsamen und gesetzlichen Sozialversicherungssystem organisiert sein. „Wir brauchen ein Ende des Eindrucks, dass einzelne Beschäftigtengruppen privilegiert werden.“
Auch der Sozialverband VdK signalisierte seine Unterstützung für die Initiative. „Nur so wird die Rente gerecht und zukunftssicher“, schrieb der Verband am Montag auf der Plattform X.