Sicherheit und Wachstum: Worauf sich Union und SPD verständigt haben
Nur vier Tage nach Beginn der Sondierungsgespräche gibt es eine erste Einigung von Union und SPD. Damit sollen enorme Investitionen in die Sicherheit, aber auch in die Infrastruktur des Landes ermöglicht werden. So soll es nun weitergehen.
Das Haushaltsloch von nicht einmal 20 Milliarden Euro, wegen dem vor nur vier Monaten die damalige Ampel-Regierung zerbrach, erscheint am Dienstagabend geradezu wahnwitzig niedrig angesichts der Summen, mit denen die Vorsitzenden von SPD und CDU/CSU in einem kurzfristig einberufenen Pressestatement hantieren. Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert, wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagt. Deswegen haben die Spitzen von Union und SPD entschieden, ein Thema „vor die Klammer“ zu ziehen, wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagt.
Es geht um die großen Finanzierungsfragen für die Zukunft des Landes, im Wahlkampf noch große Streitthemen zwischen Union und SPD, nun innerhalb von vier Tagen in Sondierungsgesprächen abgeräumt. „Die Grundlage für eine stabile Regierung ist eine ordentliche Finanzierung. Deswegen war für uns klar, dass die großen Finanzierungs- und Investitionsfragen dieses Landes vor allem anderen geklärt werden müssen“, betont der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Lars Klingbeil. Konkret geht es um folgende Punkte, auf die sich die Unionsparteien und die Sozialdemokratie verständigt haben:
1.Ausnahmeregelung für Verteidigungsausgaben
Nach der Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, die Ukraine nicht weiter militärisch unterstützen zu wollen, sei schnell klar gewesen, dass Europa und insbesondere Deutschland schnell sehr große Anstrengungen unternehmen müssten, um die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken, sagt Merz. Diese Entscheidungen duldeten keinen Aufschub mehr.
Deswegen haben sich Union und SPD auf eine Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse verständigt. Demnach sollen Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Einen entsprechenden Antrag wollen die beiden Fraktionen in der kommenden Woche in den Bundestag einbringen. Saskia Esken wertet diese Entscheidung als „sehr, sehr starkes Signal, auch nach Europa“.
2.Ein Sondervermögen für Investitionen
Ein Sondervermögen für Verteidigungsausgaben in Höhe von 100 Milliarden Euro war in der ablaufenden Legislaturperiode bereits mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossen worden. Nun soll ein neues für Investitionen in die Infrastruktur des Landes folgen. Dessen Volumen soll fünfmal so groß und auf die nächsten zehn Jahre angelegt sein. 100 Milliarden Euro davon sollen den Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen. „Eine künftige Regierung muss den Verschleiß unseres Landes stoppen“, macht Klingbeil klar und zeigt sich mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. „Wir lösen endlich den Investitionsstau in unserem Land auf“, sagt er.
3.Ausnahmeregelung auch für die Länder
Bislang gilt für den Bundeshaushalt die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt neue Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für die Länder gibt es diesen Spielraum nicht, was keine wirtschaftlichen, sondern ausschließlich politische Gründe hat, wie die Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner vor kurzem im vorwärts-Podcast erläuterte. Künftig soll sich das ändern. Auch die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, bis zu eben jener Grenze von 0,35 Prozent jährlich neue Kredite aufzunehmen und zugleich die Schuldenbremse einzuhalten.
Grafik: vorwärts; Foto: Dirk Bleicker/vorwärts
SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 37 mit Philippa Sigl-Glöckner
Wegen der Schuldenbremse machte Philippa Sigl-Glöckner einst einen Bogen um die SPD. Nun will die Ökonomin für die Partei in den Bundestag, um diese zu reformieren. Was ihr politischer Traumjob ist, erzählt sie im Podcast.
4.Grundsätzliche Reform der Schuldenbremse
Klar war schon vor Beginn der Sondierungsgespräche: Eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse wird bis zur Konstituierung des neu gewählten Bundestages in der letzten Märzwoche allein aus zeitlichen Gründen kaum möglich sein. Sie soll jedoch zeitnah folgen, wie Lars Klingbeil klar macht: „Wir haben fest verabredet, dass wir nach Konstituierung des neuen Bundestages die Schuldenbremse bis zum Ende des Jahres 2025 überarbeiten, um mehr Investitionen zu ermöglichen.“ Dafür soll eine Expertenkommission eingesetzt werden, die einen Vorschlag für eine Modernisierung der Schuldenbremse entwickeln soll.
Wie geht es jetzt weiter?
Noch vor der Konstituierung des neuen Parlaments soll der alte Bundestag in der kommenden Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über die ersten drei Punkte zu beraten und diese zu beschließen. Dort haben Union und SPD zwar gemeinsam eine Mehrheit, allerdings nicht die zur Änderung des Grundgesetzes notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Fraktionen von FDP und Grünen seien kurz vor Beginn des Pressestatements um 19 Uhr entsprechend informiert worden. Die FDP hatte sich neuen Schulden in den vergangenen Jahren immer wieder verweigert, allerdings wäre auch ohne ihre Zustimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht.
Lars
Klingbeil
Dieses Ergebnis ist ein guter Start und es ist gut für unser Land.
Parallel dazu sollen ab Donnerstag die Sondierungsgespräche von Union und SPD weitergehen. Mit Blick darauf sagt Klingbeil: „Es werden zähe Verhandlungen, aber wir sind uns der Verantwortung für unser Land bewusst. Dieses Ergebnis ist ein guter Start und es ist gut für unser Land.“ Esken fügt an: „Wenn wir damit die Grundlage geschaffen haben für weitere Gespräche, die sicher nicht einfach werden, ist das für mich heute ein sehr erfreulicher Abschluss dieser ersten Gespräche.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
Die sozialdemokratische Klimawende
Wenn es wünschenswert ist, dass wirtschaftliche Anschub- und Vorfinanzierungen als Schulden geschultert werden und erstrebenswert, dass der Verteidigungshaushalt, aus meiner Sicht, aus einer verfassungsrechtlichen Notlage und europäischen Bedrohung von außen deutlich stärker finanziert werden muss, so ist es mehr als bedenklich, dass der sich jetzt abzeichnende innenpolitische Kompromiss nicht Wahlkampthema war und vor dem Wahlkampf hätte sich finden müssen. Jetzt sollen Die Grünen, in Scholzischer Manier bei Merkel, sekundieren? Dafür müssen nicht nur in ordentlicher Weise Projekte der carbonfreien Klimatransistion gesetzlich abgesichert werden und bleiben, sondern auch die Unionschristen und Christsozialen sich öffentlich und in aller Form für ihren Wahlkampf gegen Die Grünen entschuldigen. Das muss ihr sehr weitgehendes und nicht endendes Kooperationsverbot mit Den Linken wert sein. Und will die SPD sich in scholzerischer Art a la Schröder abducken, oder doch rote Farbe bekennen?
"... nicht ohne Energie bezogenen Transformationsfonds"
https://www.nina-scheer.de/2025/02/26/nina-scheer-reform-der-schuldenbr…
"GroKo"
Etwas übertrieben dieses Wort.
Ich finde es erschreckend und höchst gefährlich für die SPD sich aus Gründen der Staatraison diese MerzCDU anzudienen.