Parteileben

In der Pforzheimer SPD gibt es etwas bundesweit Einmaliges

Der SPD-Ortsverein Pforzheim kann auf eine stolze Tradition zurückblicken. Heute muss er in der AfD-Hochburg kämpfen. Wie das gelingen kann, erklären die beiden OV-Chefinnen.

von Uwe Roth · 20. Januar 2025
Zwei, die harmonieren: Katrin Troisi-Kampmann (l.) und Annkathrin Wulff führen die Pforzheimer SPD als Doppelspitze.

Zwei, die harmonieren: Katrin Troisi-Kampmann (l.) und Annkathrin Wulff führen die Pforzheimer SPD als Doppelspitze.

Pforzheim ist für die SPD ein historischer Ort. Fritz Erler lebte seit der Nachkriegszeit in der Stadt am Nordrand des Schwarzwalds. Er war Fraktionsvorsitzender im Bundestag und wäre 1961 fast Kanzlerkandidat geworden. Erler ließ damals Willy Brandt den Vortritt. Heute erinnert in Pforzheim eine Berufsfachschule mit ihrem Namen an Erler.

Einen solchen Promi in der Ahnen-Galerie zu haben, erleichtert die Arbeit des SPD-Ortsvereins jedoch nicht automatisch. „Pforzheim ist kein einfaches Pflaster“, sagt Katrin Troisi-Kampmann. Vom Glanz der einstigen Schmuck- und Uhren-Industrie ist wenig übrig geblieben. Mit einer Arbeitslosenquote von sieben Prozent liegt die Stadt mit ihren 130.500 Einwohnerinnen und Einwohnern in Baden-Württemberg gemeinsam mit Mannheim an der Spitze. Auch die SPD Pforzheim hat in den vergangenen Jahren Krisen erlebt. 2017 ging der Posten des Oberbürgermeisters an die CDU verloren. Doch für das neue Jahr ist der Blick in der Parteiarbeit dank zweier motivierter Sozialdemokratinnen nach vorne gerichtet. Als Vorsitzende bildet die 37-jährige Katrin Troisi-Kampmann seit November 2024 gemeinsam mit der ein Jahr älteren Annkathrin Wulff die Doppelspitze im OV. Der Ortsverein mit 240 Mitgliedern ist damit der erste, der von einem neuen Passus in der Parteisatzung Gebrauch macht. Dieser erlaubt zwei weibliche Vorsitzende, wenn es keinen männlichen Konkurrenten für die Wahl gibt. 

Tür zu Tür in der AfD-Hochburg 

Dass Pforzheim politisch schwierig ist, weiß man bundesweit seit der Europawahl und den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg im Frühjahr 2024: Seither stellt die AfD mit neun Sitzen die größte Fraktion im 41-köpfigen Gemeinderat. Die SPD-Fraktion kam im Pforzheimer Stadtrat auf vier Mandate. Annkathrin Wulff ist auch hier die Vorsitzende. Von der Rechtsaußenfraktion lässt sie sich nicht einschüchtern. „Von der AfD kommt wenig, keine Inhalte. Sie gibt sich vordergründig gemäßigt, ist aber oft dagegen, vor allem bei sozialen Themen“, sagt Wulff.

Hochburg der AfD ist der Stadtteil Buckenberg-Haidach. „Wir machen auch dort Haustür-Wahlkampf“, versichert die OV-Doppelspitze. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Gespräche immer möglich sind – auch in diesem schwierigen Umfeld.“ Wie sehr das harte Pforzheimer Pflaster die SPD vor Ort motiviert, zeigt sich an einem Samstagmorgen Mitte Dezember. Gleich um die Ecke des SPD-Büros findet der Wochenmarkt statt. Mehr als zehn Genossinnen und Genossen von den Jusos bis zur AG 60plus haben sich trotz bitterer Kälte am Infostand versammelt, um schon jetzt voll in den Wahlkampf einzusteigen. „Wir haben einen tollen Zusammenhalt“, freut sich die Vorsitzende Annkathrin Wulff. Mit dabei sind auch ihr Vorgänger Martin Müller und Katja Mast, Wahlkreisabgeordnete und Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag. 

Ein Duo, das passt 

Es ist nicht zu übersehen, dass Wulff und Troisi-Kampmann als OV-Vorsitzende harmonieren. „Wir ergänzen uns ideal“, sagen sie. Annkathrin Wulff stammt aus Niedersachsen. Vater und Mutter sind Parteimitglieder. Weil sie nicht unbedingt in die Fußstapfen der Eltern treten wollte, habe sie ihre Parteimitgliedschaft hinausgezögert, sagt die Gymnasiallehrerin, die inzwischen als hauptberufliche Personalrätin arbeitet. Für den Landtag von Baden-Württemberg hat sie bereits kandidiert und möchte es 2026 erneut versuchen. Katrin Troisi-Kampmann ist seit 2021 SPD-Mitglied, „weil ich nicht mehr nur zuschauen wollte, wie die AfD immer stärker wird“. Sie ist Immobilien-Fachfrau mit einem eigenen Maklerbüro.

Durchsetzungsstarke Frauen wie auch Katja Mast haben in Pforzheim Tradition: Bertha Benz unternahm von hier im August 1888 die erste Fernfahrt mit einem Automobil. Die SPD-Frau Edith Trautwein war in den 1920er Jahren die erste Pforzheimer Stadträtin. Als die Stadtväter sich weigerten, das neue Schwimmbad auch Frauen zugänglich zu machen, besetzte sie mit einigen Genossinnen den Zugang, bis der Stadtrat nachgab. Die Ahnen-Galerie erleichtert nicht die alltägliche politische Arbeit, aber: Eine Motivation für die Zukunft ist sie in jedem Fall. 

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist, unter anderem für die Stuttgarter Zeitung und die Deutsche Presseagentur. Er ist zudem Fachtexter für die Einfache Sprache/Plain Language.

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Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mo., 20.01.2025 - 13:10

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außerhalb von Sachsen und Thüringen, das ist ja furchtbar und das war mir so noch gar nicht bekannt. Schön, dass wir dort- wie auch in Sachsen und Thüringen- wirkungsvoll und nachdrücklich dagegenhalten.

Gespeichert von Angelika Schmidt (nicht überprüft) am Mo., 20.01.2025 - 14:33

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Hallo, ❤️ lichen Glückwunsch!
Wir hatten auch 2020-2022 eine tolle, sehr erfolgreiche weibliche Doppelspitze im OV Bamberg Altstadt-Süd.uns wurde eine zweite Amtszeit in dieser Konstellation aber untersagt, da sie den Statuten nicht entspäche. Sehr schade, diese Art der Frauenförderung nicht mutiger generell zu erlauben, bis eine faktische Geschlechterparität in Parteiämtern erreicht ist. Unser diesbezügliche Antrag an den Bundesparteitag wurde leider auch nicht unterstützt, außer von den SPD Frauen auf KV Ebene und der Judo-Landesspitze
Ich hoffe, es tut auch was. Viele Erfolg den Genossinnen!!!!

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