Nachruf auf Rudolf Dreßler: Ein „Arbeiterführer“ mit aufrechtem Gang
Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker prägte die Partei über Jahrzehnte – und seine Wortgefechte mit CDU-Mann Norbert Blüm die Debatten im Bundestag.
IMAGO / Sven Simon
Rudolf Dreßler ist im Alter von 84 Jahren gestorben.
Der Einsatz für Arbeitnehmerrechte, die Stärkung der Gewerkschaften. Das war für den 1940 in Wuppertal geborenen Rudolf Dreßler von Kindesbeinen an ein selbstverständliches Anliegen. Als der kleine Junge in den frühen fünfziger Jahren gefragt wurde, was er mal werden wolle, sagte er: „Hans Böckler“. Zwar wurde er niemals wie Böckler DGB-Vorsitzender, aber er erwarb sich in der Bonner Republik und in der SPD den Ruf als streitbarer, wortgewaltiger „Arbeiterführer“.
Nach einer Lehre als Schriftsetzer trat er schon als Jugendlicher in die IG Druck und Papier ein, wurde Betriebsratsvorsitzender in der „Westdeutschen Zeitung“ und gehörte in den siebziger Jahren dem Vorstand der IG Druck und Papier an.
In die SPD trat Dreßler 1969 ein, erwarb für sie 1980 ein Bundestagsmandat und wurde in der Endphase der sozialliberalen Koalition Parlamentarischer Staatssekretär im Arbeitsministerium. Von 1984 bis 2000 war er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA).
Auseinandersetzungen mit Norbert Blüm
Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender (1987 bis 2000) lieferte sich der wortgewaltige Wuppertaler während der Oppositionsjahre heftige Auseinandersetzungen mit CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm. Ihre Wortgefechte gehörten zu den Highlights der Parlamentsdebatten. Dennoch war ihr Verhältnis von großem Respekt und Freundschaft geprägt. Dieses Zusammenspiel ermöglichte in den 1990er Jahren die Einführung der umstrittenen Pflegeversicherung.
Dreßler, von 1986 bis 1996 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Wuppertal und von 1984 bis 2000 Mitglied im SPD-Bundesvorstand, wäre nach der gewonnenen SPD-Wahl 1998 gern Arbeitsminister geworden. Bundeskanzler Gerhard Schröder entschied sich indes für Walter Riester. Geschmerzt hat ihn besonders, dass er von dieser Entscheidung erst aus den Medien erfuhr.
Diese Enttäuschung eröffnete dem stets nur als „Sozialexperten“ wahrgenommenen Sozialdemokraten die Chance, sich ganz seinem langjährigen Engagement für die deutsch-israelischen Beziehungen zu widmen. Dreßler wurde von 2000 bis 2005 Botschafter in Israel und beeindruckte dort durch seine große Sachkenntnis über die Lage im Nahen Osten ebenso wie durch sein unverbrüchliches Einstehen für israelische Interessen. Er ist Urheber der Zusicherung, die gesicherte Existenz Israels sei Teil der deutschen Staatsräson.
„Ich sehe nicht einmal einen Tunnel"
Diese Formulierung, die er 2005 in einem Aufsatz für die Bundeszentrale für Politische Bildung schrieb, griff Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 in einer Rede vor der Knesset auf und gilt bis heute als selbstverständlich für alle Bundesregierungen. Dabei war sein Blick auf die Chancen eines friedlichen Miteinanders zwischen Israelis und Palästinensern eher skeptisch. Als er 2004 von deutschen Journalisten in Tel Aviv gefragt wurde, ob er Licht am Ende des Tunnels für eine Zweistaatenlösung sehe, antwortete er knapp in seiner unnachahmlichen Schlagfertigkeit: „Ich sehe nicht einmal einen Tunnel.“
Rudolf Dreßler lebte in den letzten Jahren mit seiner Familie im Siebengebirge bei Bonn. Er haderte immer mal wieder mit sozialpolitischen Entscheidungen seiner Partei, blieb ihr aber bis zum Lebensende treu, ohne den aufrechten Gang aufzugeben. Er starb am Mittwoch, den 8. Januar 2025, im Alter von 84 Jahren.
arbeitete in den 1980er und 1990er Jahren frei für den „Vorwärts". Danach war er Parlamentskorrespondent, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und des Verteidigungsministeriums.