International

Nachruf auf Ed Broadbent: Ein Gigant der Sozialdemokratie

Er prägte die Politik Kanadas über Jahrzehnte und war ein enger Weggefährte Willy Brandts. Nun ist der kanadische Sozialdemokrat Ed Broadbent im Alter von 87 Jahren gestorben.

von Jordan Leichnitz · 17. Januar 2024
Ed Broadbent (hier 1979) ist im Alter von 87 Jahren gestorben.

Ed Broadbent (hier 1979) ist im Alter von 87 Jahren gestorben.

Am 11. Januar 2024 verstarb der führende kanadische Sozialdemokrat Ed Broadbent im Alter von 87 Jahren. Broadbents bemerkenswerte politische Karriere erstreckte sich über sieben Jahrzehnte und hinterließ nachhaltige Spuren in der kanadischen Politik und der sozialdemokratischen Bewegung auf der ganzen Welt. Seine Integrität, seine Leidenschaft und sein Einsatz für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit werden von Freunden und Gegnern gleichermaßen in Erinnerung behalten.

14 Jahre Vorsitzender der NDP Kanadas

Der Professor, der 1968 als Abgeordneter für den Arbeiterbezirk Oshawa ins Unterhaus gewählt wurde, übernahm 1975 das Amt des Parteivorsitzenden der Neuen Demokratischen Partei Kanadas (NDP), das er 14 bemerkenswerte Jahre lang innehatte, in denen die Partei stetig an Präsenz und Einfluss gewann. 

Während dieser Zeit engagierte sich Broadbent in der Sozialistischen Internationale und war schließlich von 1979 bis 1989 gemeinsam mit Willy Brandt Vizepräsident. Gemeinsam setzten sie sich für eine auf Rechten basierende Sozialdemokratie als Alternative zu den damaligen amerikanischen und sowjetischen politischen Modellen ein und engagierten sich insbesondere für die Unterstützung der in Lateinamerika tätigen Sozialdemokraten. 

Bei den kanadischen Bundeswahlen von 1988 erzielte Broadbent das bisher beste Ergebnis für die NDP, doch die NDP blieb auf dem dritten Platz und Broadbent trat nach der Wahl zurück. 

In den folgenden Jahren war er Gründungspräsident des International Centre for Human Rights and Democratic Development, einer überparteilichen Menschenrechtsorganisation, die sich weltweit für die demokratische Entwicklung einsetzt. 

Bis zu seinem Tod ein politischer Denker

Von 2004 bis 2006 kehrte Broadbent für kurze Zeit in die Politik zurück und wurde zum Abgeordneten in Ottawa gewählt, um den Wiederaufbau der Partei unter dem damaligen NDP-Chef Jack Layton zu unterstützen. Danach gründete er das Broadbent Institute, eine sozialdemokratische Denkfabrik und die Schwesterstiftung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kanada. Er blieb bis zu seinem Tod ein aktiver politischer Denker und veröffentlichte sein letztes Buch Seeking Social Democracy im Jahr 2023.

In seiner Zeit als NDP-Vorsitzender trat er gegen vier kanadische Premierminister an, von Pierre Trudeau bis Brian Mulroney, und gewann den Respekt seiner Gegner mit einer einzigartigen Mischung aus intellektueller Kraft und pragmatischem politischem Geschick. Broadbent hatte großen Einfluss auf die kanadische Charta der Rechte und Freiheiten, in der er sich für die Anerkennung der Rechte indigener Völker und die Gleichstellung der Frau einsetzte. 

Parteigänger, Intellektueller, Pragmatiker

In der übrigen Welt spielte Broadbent eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung der aufkommenden sozialdemokratischen Bewegungen gegen autoritäre Regime und bei der bedeutenden Unterstützung der Bewegungen für Demokratisierung und Menschenrechte. 

Broadbent war gleichzeitig ein Parteigänger und ein prinzipientreuer Intellektueller, ein geschickter Politiker und Pragmatiker, der nie die Fähigkeit verlor, mit den einfachen Menschen in Kontakt zu treten. Sein Verlust wird in Kanada und in der ganzen Welt tief empfunden werden.+

Übersetzt von Marlies Murray

Autor*in
Jordan Leichnitz

ist Programmverantwortliche für transatlantische Beziehungen und Kanada des Washingtoner Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Weitere interessante Rubriken entdecken

0 Kommentare
Noch keine Kommentare