Mit den Mitgliedern: Wie die NRW-SPD die Bundestagswahlschlappe aufarbeitet
Was denken Mitglieder über die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl? Das wollte der Generalsekretär der NRW-SPD, Frederick Cordes, diese Woche wissen und hat ein gutes Dutzend von ihnen zum Gespräch in die Parteizentrale eingeladen. Im Interview erzählt er, welche Erkenntnisse er aus den Gesprächen zieht und welche Forderungen der Landesverband für die Neuaufstellung der SPD auf Bundesebene stellt.
IMAGO / Rüdiger Wölk
Frederick Cordes ist Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen.
Sie haben in einem Video gesagt „Wir haben bei der Bundestagswahl richtig auf die Fresse bekommen“. In Nordrhein-Westfalen erhielt die SPD 20 Prozent und damit mehr als neun Prozentpunkte weniger als 2021. Woran lag das?
Wir haben das historisch schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl bekommen. Wenn wir auf die Gründe schauen und die Frage, woran das lag, muss die Antwort damit beginnen, dass wir uns ehrlich machen müssen mit Blick auf die Bundestagswahl 2021: Haben wir die Wahl wirklich gewonnen oder haben die anderen die Wahl verloren und wir nur davon profitiert? Ich glaube, eher das zweite war der Fall.
In dieser Woche haben Sie mit Mitgliedern über die Gründe diskutiert. Gab es Currywurst?
Ja, natürlich gab es Currywurst, sowohl vegane als auch mit Fleisch.
Sie haben die Mitglieder anhand von Zuschriften ausgewählt. Was waren die Kriterien dafür?
Es war eine bunte Mischung aus Mitgliedern und solche, die es vielleicht noch werden wollen. Wir haben darauf geachtet, dass wir sowohl Leute einladen, die beispielsweise schon länger im Stadtrat aktiv sind, aber auch Genoss*innen, die erst seit wenigen Wochen in der Partei sind. Es gab manche, die sich mehr an der inhaltlichen Ausrichtung gestört haben. Andere haben vor allem die personelle Aufstellung kritisiert. Wieder andere waren so frustriert, dass ich mir gar nicht sicher bin, ob sie bei dieser Wahl SPD gewählt haben.
Was waren in der Debatte die wichtigsten Erkenntnisse?
Es hat mich sehr an die Debatte erinnert, die wir auch innerhalb der NRWSPD nach der letzten verlorenen Landtagswahl geführt haben. In der Analyse sind wir immer gut, aber wir kommen oft nicht dazu, die Dinge, die wir kritisieren, anschließend auch wirklich zum Besseren umzusetzen. Das hat man auch jetzt wieder gemerkt.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Man sieht es zum Beispiel in unseren Auftritten in den sozialen Medien. Seit Jahren sagen wir, dass wir in diesem Bereich noch nicht so gut aufgestellt sind und beispielsweise der AfD hinterherhinken, gerade was die Präsenz auf TikTok angeht. Im Wahlkampf wurde manches angegangen, aber zwei Tage nach der Wahl fragt man sich schon wieder, ob die Strategie auch wirklich nachhaltig ist. Insgesamt sollten wir nicht erst sechs Wochen vor der Wahl anfangen, sondern uns langfristiger kampagnenfähig aufstellen. Hier haben wir große Aufgaben vor uns.
Wie gehen Sie nun mit den Erkenntnissen um, auch mit Blick auf die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen im September?
Was die Kommunalwahl angeht, hat die Debatte gezeigt, dass wir mit unserer Strategie eigentlich auf dem richtigen Weg sind. Wir haben vier Maßnahmen ergriffen, die wir auch weiterführen wollen. Das ist erstens das Kommunalofon, um den direkten Draht zu den ehrenamtlich Aktiven vor Ort zu halten. Es ist zweitens das Kommunaloskript, ein ausführliches Handbuch, das unsere Kommunalpolitiker*innen durch den gesamten Wahlkampf begleiten soll und in dem sie zu jeder Phase des Wahlkampfes Dinge nachschlagen können. Drittens schaffen wir einen Newsletter, der wichtige Informationen bündeln soll, der aber nicht nur gelesen und direkt wieder gelöscht wird, sondern so wertvoll sein soll, dass die Menschen ihn sich auch abspeichern. Viertens wollen wir eine Möglichkeit zum Austausch auf Augenhöhe schaffen, damit wir nicht nur von oben nach unten oder von unten nach oben kommunizieren, sondern Kommunalpolitiker*innen miteinander. Denn das Johannes-Rau-Haus soll kein Elfenbeinturm sein und die Unterbezirke sind keine Fürstentümer.
Darüber hinaus gab es eine Woche nach der Bundestagswahl schon die Bürgerschaftswahl in Hamburg, die die SPD deutlich gewonnen hat. Das hat auch uns gezeigt, dass die Menschen durchaus unterscheiden, welche Wahl ansteht. Das bietet für uns die Chance, auf kommunaler Ebene zu überzeugen und bei der Wahl im September entsprechend besser abzuschneiden als bei der Bundestagswahl.
Auf Bundesebene hat die Partei schon am Wahlabend eine personelle, aber auch inhaltliche Erneuerung angekündigt. Welche Punkte spielen dabei auch aus Sicht der NRW-SPD die wichtigste Rolle?
Ich halte das, was die Bundesspitze angekündigt hat, für den richtigen Weg. Ich erwarte vom Bundesparteitag, dass er den Fahrplan für eine inhaltliche Neuaufstellung festlegt und erste programmatische Akzente setzt. Auch personell ist eine Neuaufstellung notwendig. Diese Debatte muss nach dem Ende der laufenden Koalitionsverhandlungen beginnen.
Wollen Sie das Format wiederholen?
Ich kann nur jeder SPD-Gliederung empfehlen, auch den direkten Austausch mit den Mitgliedern und Wähler*innen zu suchen. So ein Format ist unglaublich wertvoll und man lernt eine Menge. Deswegen werden wir das auf jeden Fall wiederholen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo