Lavinia Esser: Wie die jüngste Delegierte den SPD-Bundesparteitag erlebte
Mit 17 Jahren war Lavinia Esser aus Nordrhein-Westfalen die jüngste Delegierte auf dem SPD-Bundesparteitag. Im Interview spricht die Schülerin über ihre Aufregung, ihr Gespräch mit Bärbel Bas und worauf sie sich mit der SPD freut.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Die jüngste Delegierte Lavinia Esser spricht auf dem SPD-Bundesparteitag.
Auf vielen Fotos war zu sehen, dass Sie sich auf die Zehenspitzen stellen mussten, um Ihre Rede halten zu können. Wie sehr hat das genervt?
Mich hat das gar nicht gestört, weil ich seit mehr als 13 Jahren Ballett mache und das daher gewohnt bin. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass ich das Pult auch hätte verstellen können.
Wie aufgeregt waren Sie, als Sie auf der Bühne standen?
Auf der Bühne war ich nicht mehr so aufgeregt wie davor. Ich habe mich einfach auf einen Punkt fokussiert und die Rede gehalten. Es hat mir Mut gegeben, dass vor mir Personen saßen, mit denen ich mich im Vorfeld ganz nett unterhalten habe und mit denen ich mich gut verstehe.
Sie haben über die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen gesprochen. Warum ist Ihnen das Thema wichtig?
Ich wollte von Anfang an eine Rede zu dem Thema Schwangerschaftsabbrüche halten. Denn nicht nur Wirtschaft, Schule und Bildung, sondern auch Feminismus ist ein Kernthema für mich. Ebenso wie der Einsatz gegen Rechtsextremismus. Ein veralteter Paragraf 218 entscheidet noch immer über die Körper der Frauen. Vielen Menschen ist dabei gar nicht bewusst, dass Frauen in dieser Lage bereits genug Sorgen, Kummer und Schmerz haben und sich nicht noch zusätzlich mit so einem Paragrafen beschäftigen sollten.
Die Komplexität der Problematik ist enorm: Sie reicht von persönlichen über gesundheitliche, soziale, psychische, bis hin zu wirtschaftlichen Faktoren. Zudem wollte und möchte ich die Wichtigkeit dieses Antrags betonen und meinen Beitrag zu einer gerechteren Zukunft leisten, in der Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen gleichgestellt sind.
Wie viel Zeit hatten Sie, um sich auf die Rede vorzubereiten?
Innerhalb von vier Tagen, während des Bundesparteitags, habe ich die Pausen genutzt, um meine Rede zu schreiben und zu überarbeiten. Da ich zum ersten Mal auf dem Bundesparteitag war, zudem als erste und jüngste Delegierte, blieb mir neben den vielen Abstimmungen und Antragsdebatten nur wenig Zeit. Doch die Rede selbst hatte ich mir innerhalb von 20 Minuten eingeprägt.
War das Ihre erste Rede auf einem SPD-Parteitag?
Ja, ich habe bisher nur zweimal auf Juso-Ebene gesprochen. Einmal auf dem Landeskongress der Jusos in Nordrhein-Westfalen und auf dem Bundeskongress der Jusos.
Lavinia
Esser
Bärbel Bas hat mir gesagt, dass sie sehr beeindruckt von mir ist und ich so weitermachen soll.
Nach Ihrer Rede hat auch die SPD-Vorsitzende Bärbel Bas mit Ihnen gesprochen. Was hat sie gesagt?
Sie hat mir gesagt, dass sie sehr beeindruckt von mir ist und ich so weitermachen soll.
Das hört man wahrscheinlich gerne.
Auf jeden Fall. Es motiviert mich auch weiterhin, mich bei den Jusos und in der SPD zu engagieren und für unsere soziale Demokratie zu kämpfen.
Sie waren das erste Mal als Delegierte auf einem SPD-Bundesparteitag. Wie war das für Sie?
Ich fand es sehr schön. Es waren sehr viele nette Leute da, mit denen ich mich gut connecten konnte. Im Ganzen war es eine sehr gelungene Veranstaltung von der SPD, die mir sehr gut gefallen hat – sowohl die ganzen Reden, die dort gehalten wurden, als auch dass so viele Anträge angenommen wurden.
Vor der Bundestagswahl haben Sie für die SPD geworben, ohne selbst wählen zu dürfen. War das nicht komisch?
Ganz und gar nicht. Denn für mich ist das Ziel, anderen Leuten, die beispielsweise nicht so viel mit Politik am Hut haben, Mut zu machen, sich zu engagieren, sich einzubringen und ihnen zu zeigen, dass soziale Demokratie auch im eigenen Leben eine bedeutende Rolle spielt.
Die SPD war für mich immer die Partei, die in den letzten Jahren viele soziale Projekte möglich gemacht hat. Des Weiteren hat die SPD die Menschen in Deutschland sicher durch jegliche Krisen gebracht. Doch wir müssen den Menschen draußen wieder zeigen, dass wir die Arbeiter*innen-Partei sind, wie damals zu Willy Brandts Zeiten. Dafür brauchen wir die Unterstützung der SPD-Bundes-Spitze.
Hat das geklappt?
Ich hatte den Vorteil, dass ich noch relativ jung bin. Ich habe viele positive Kommentare und viel Zuspruch bekommen, dass ich weitermachen soll, mit anderen Menschen über Politik zu sprechen.
Wie sehr freuen Sie sich darauf, bei der Kommunalwahl im September das erste Mal selbst wählen zu dürfen?
Sehr. Da helfe ich auf der kommunalen Ebene auch wieder mit. Nach meiner Rede wurde ich von sehr vielen Personen gefragt, ob ich gerne mal in deren Unterbezirk kommen möchte, um sie dort zu unterstützen. Das mache ich sehr gerne, weil ich auch noch die Zeit dafür finde und mir das sehr viel Spaß macht. Und natürlich weiß ich auch schon, wen ich bei der Kommunalwahl wählen werde. Gerade unser Düsseldorfer Oberbürgermeisterkandidat Fabian Zachel setzt auf die richtigen Themen. Das gefällt mir sehr.
Bei der Vielzahl von Anfragen passt es sicher gut, dass in der Hochphase des Wahlkampfes sechs Wochen Sommerferien sind.
Ja, das stimmt. Ich werde mich wieder hart ins Zeug legen, wie auch davor im Bundestagswahlkampf und im Europawahlkampf, denn ich finde es wichtig, dass die SPD wieder zu einer gewichtigen Volkspartei wird.
Die im Jahr 2008 geborene Lavinia Esser war die jüngste von 600 Delegierten auf dem SPD-Bundesparteitag. Die Schülerin ist stellvertretende Vorsitzende der Jusos Düsseldorf und in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt außerdem im Vorstand der SPD-Frauen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo