Parteileben

Klingbeil auf SPD-Parteitag: „Müssen uns in vielen Bereichen hinterfragen“

Mit einer selbstkritischen Rede hat sich Lars Klingbeil auf dem SPD-Parteitag um eine weitere Amtszeit als SPD-Vorsitzender beworben. Deutliche Worte richtete er dabei auch an seine bisherige Co-Vorsitzende Saskia Esken.

von Kai Doering · 27. Juni 2025
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Redepult auf dem Bundesparteitag in Berlin
Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, aufgenommen im Rahmen des Bundesparteitages der SPD in Berlin, 27.06.2025.

Es ist kein leichter Gang, als Lars Klingbeil am Freitagnachmittag die Parteitagsbühne im „CityCube“ betritt. Vor ihm hat Bärbel Bas gesprochen. Es folge langer Beifall der Delegierten. Bas, bisher Bundestagspräsidentin und nun Bundesarbeitsministerin, ist für viele in der SPD die Hoffnungsträgerin, dass es nach den desaströsen 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl wieder aufwärts gehen soll. Klingbeil dagegen gilt vielen als ein Verantwortlicher des Wahlergebnisses.

Klingbeil: „Katastrophales Ergebnis“ bei der Bundestagswahl

„Ich hatte damals das Gefühl, zwei Möglichkeiten zu haben, wie ich als Vorsitzender mit diesem Wahlergebnis umgehen kann“, spricht der SPD-Vorsitzende das Thema direkt an. „Entweder ich höre auf oder ich gehe jetzt voll in die Verantwortung für die SPD.“ Klingbeil entschied sich für den zweiten Weg.

Die 16,4 Prozent nennt der SPD-Vorsitzende „ein katastrophales Ergebnis“ und „ein klares und deutliches Signal der Bürgerinnen und Bürger an uns“. Dieses Signal könne man „nicht weglegen oder gar ignorieren“. Dabei räumt der SPD-Vorsitzende auch eigene Fehler ein. „Natürlich trage ich eine Verantwortung für dieses Ergebnis.“ Zu lange habe die SPD den wirtschaftlichen Abschwung ignoriert. „Wir hätten viel früher und konsequenter die Signale sehen sollen“, so Klingbeil.

Um verändern zu können, muss sich die SPD selbst verändern

Gleichzeitig verteidigt der SPD-Vorsitzende seinen Führungsstil „intern Klartext zu sprechen, aber in den Talkshows und in der Öffentlichkeit die Reihen zu schließen“. Daran halte er fest. „Ich habe Fehler gemacht“, sagt Klingbeil, „aber dass ich mich für Zusammenhalt eingesetzt haben, war der richtige Weg.“

Wie dieser Weg künftig für die SPD aussehen soll, müsse nun Teil der Debatte über ein neues Grundsatzprogramm sein. „Gerade jetzt braucht es doch eine Partei, die nicht polarisiert, sondern Brücken baut in der Gesellschaft“, sagt Klingbeil. „Gerade jetzt braucht es doch Politik für ein Land, in dem du nicht reich sein musst, um deine Kinder auf eine gute Schule zu schicken.“ Für all das stehe die SPD.

Um die Gesellschaft verändern zu können, müssen sich die SPD aber erst mal selbst verändern. „Wir verteidigen den Sozialstaat. Wir verteidigen die Demokratie. Wir verteidigen unsere Freiheit. Wir verteidigen die europäische Idee. Aber ich sage auch ganz klar: Das reicht nicht!“ Stattdessen müsse die SPD „zeigen, dass wir mit Leidenschaft und mit Ideen für eine bessere Zukunft kämpfen und nicht einfach nur das Bestehende bewahren wollen“.

Klingbeil will „die Verteilungsfrage stellen“

„Die SPD wurde doch nie dafür gewählt, weil die Dinge so bleiben sollen, wie sie sind“, hebt Klingbeil hervor. „Die SPD wird dafür gewählt, dass sie eine Idee von der besseren Zukunft hat.“ Allerdings trauten die Menschen der SPD zurzeit nicht zu, dazu auch in der Lage zu sein. Das müsse sich ändern. „Es gehört nicht alles in die Tonne“, sagt Klingbeil, „aber es wird darum gehen, dass wir uns in vielen Bereichen hinterfragen“.

Die Menschen müssten wieder spüren, dass sich die SPD für sie und ein gutes Leben einsetzt. „Ich will, dass die Menschen in unserem Land Zuversicht haben können; dass sie spüren, ein gutes Leben in unserem Land ist auch in Zukunft für alle möglich“, fordert Lars Klingbeil. Dazu gehört für den SPD-Vorsitzenden auch, „die Verteilungsfrage“ zu stellen. Das sei „nicht linksradikal“, sondern „gesunder Menschenverstand“.

Klingbeil zu Esken: „Wirst große Fußspuren hinterlassen“

Es dürfe allerdings nicht nur darum gehen, „bestehenden Wohlstand anders zu verteilen“, sondern auch „mit neuem Wachstum den Kuchen für alle größer zu machen“. Dafür sei das 500-Milliarden-Investitionspaket, das die SPD in der Bundesregierung erkämpft habe, ein wichtiger Schritt. Dabei erinnert Klingbeil auch daran, dass die Idee dafür bereits 2019 von Saskia Esken kam, als sie sich gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans erstmals für den SPD-Vorsitz bewarb. „Du warst die erste“, sagt Klingbeil an Esken gerichtet.

Seit Ende 2021 führen Klingbeil und Esken die SPD gemeinsam. „Über deine Hartnäckigkeit habe ich mich manchmal geärgert, aber meistens war ich davon tief beeindruckt“, gesteht Klingbeil in seiner Rede. „Du hast die Grundlagen für unseren Wahlsieg 2021 mit geschaffen“, sagt Klingbeil und: „Du wirst große Fußspuren hinterlassen in der Geschichte unserer Partei.“

In diese soll ab diesem Parteitag Bärbel Bas treten. Die Aufgabe, die SPD wieder zum Erfolg zu führen, sei jedoch „zu groß, als dass sie Bärbel und ich oder das Präsidium allein meistern könnten“, sagt Klingbeil. „Sie kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam losgehen. Wenn wir uns die Meinung sagen, aber zusammenbleiben. Auf diesem Parteitag und erst recht danach.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.