Falk Wagner: Was der neue Landesvorsitzende der SPD in Bremen plant
Falk Wagner ist neuer Vorsitzender der SPD in Bremen, der jüngste seit Henning Scherf. Was ihm das bedeutet und welche inhaltlichen Schwerpunkte er künftig setzen will, verrät der 35-Jährige im vorwärts-Interview.
SPD Land Bremen
Falk Wagner posiert vor den Bremer Stadtmusikanten.
Seit Ihrer Ankündigung, als Landesvorsitzender kandidieren zu wollen, bis zur Wahl ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. Wie haben Sie sich in dieser Zeit auf Ihr neues Amt vorbereitet?
Bis vor wenigen Wochen war ich sechs Jahre lang Vorsitzender unseres größten Unterbezirks. Damit hatte ich gut zu tun. Zuvor war ich Vorsitzender meines Ortsvereins im Stadtteil Walle und auch mal Juso-Landesvorsitzender. Und so kam auch meine Kandidatur für die meisten nicht überraschend. In Vorbereitung auf mein neues Amt bin ich dann noch einmal durch Ortsvereine und Unterbezirksvorstände, die nicht in meinem Unterbezirk sind, getingelt, um alle kennenzulernen, die mich noch nicht kennen. Das ist bei uns ganz wichtig: In der Bremer SPD erwarten die Mitglieder von den Funktionären, dass sie nah an der Basis sind. Das macht die Arbeit in unserem Landesverband für mich auch so sympathisch.
Zuletzt gab es Streit im Landesverband um die Neuordnung des Unterbezirks Bremen. Sind Sie froh, dass das Thema nun abgeräumt ist?
Es gibt jetzt eine abschließende Entscheidung der Bundesschiedskommission. „Abgeräumt“ ist das Thema nicht, denn nun müssen alle Beteiligten vertrauensvoll zueinanderkommen. Nicht zuletzt, damit wir einen schlagkräftigen Bundestagswahlkampf im Land Bremen auf die Beine stellen. Für mich ist klar: Bremen-Nord hat eine besondere Bedeutung innerhalb der Stadt Bremen und auch innerhalb der Bremer SPD – darauf werden wir achten, egal, wie die Organisationsstrukturen heißen.
Falk
Wagner
Mit Blick auf die jeweils jüngere Generation muss meiner SPD aber eines klar sein: Das sozialdemokratische Versprechen von Sicherheit und Aufstieg muss sie für jede Generation neu einlösen.
Sie sind nun der deutschlandweit jüngste SPD-Landesvorsitzende, in Bremen der jüngste seit Henning Scherf. Was bedeutet Ihnen das?
Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die wesentliche Trennlinie in dieser Gesellschaft nicht jung oder alt ist, sondern arm oder reich. Soziale Gerechtigkeit schaffen wir nur, wenn die Generationen zueinander solidarisch sind. Deshalb sollten uns Rente und Pflege einerseits, Bildung und Aufstieg andererseits, immer gleich wichtig sein.
Mit Blick auf die jeweils jüngere Generation muss meiner SPD aber eines klar sein: Das sozialdemokratische Versprechen von Sicherheit und Aufstieg muss sie für jede Generation neu einlösen. Die Generation, die mein Vorgänger Reinhold Wetjen als Landesvorsitzender repräsentiert, ist sehr stark geprägt davon, dass die SPD und Willy Brandt ihnen den sozialen Aufstieg ermöglicht haben. In dieser Zeit wurde das Bafög eingeführt und in Bremen die Universität gegründet. Diese Generation ist hier in Bremen bis heute sehr stark mit ihrem Lebensumfeld und auch mit ihrem Wahlverhalten in der SPD verhaftet. Wir als SPD sind in der Pflicht, so ein soziales Aufstiegsversprechen mit neuem Leben zu füllen, auch für jüngere Generationen, damit für sie die SPD und ihre Werte genauso erlebbar werden, wie das für die damalige Generation geklappt hat.
Falk
Wagner
Die SPD muss im Bund, genau wie in Bremen, vor allen Dingen für Sicherheit und Aufstieg stehen.
Was sind aus der Perspektive heraus die wichtigsten Themen, die Sie als Landesvorsitzender angehen wollen?
Die SPD muss im Bund, genau wie in Bremen, vor allen Dingen für Sicherheit und Aufstieg stehen. Gerade in Zeiten des Wandels von Arbeitsplätzen brauchen die Menschen Sicherheit. Wenn der Bundeskanzler Friedrich Merz hieße, hätten wir in Bremen den Kampf um unseren zweitgrößten privaten Arbeitgeber, die Stahlwerke, schon verloren. Denn Herr Merz hat sich sehr vehement dagegen eingesetzt, dass die Europäische Union Klimaschutzzölle auf importierten Stahl, der nicht klimaneutral produziert ist, erheben darf. Wenn wir den Marktradikalismus so ausleben, ist klar: Stahl kommt in Zukunft nur noch aus China und nicht mehr aus Bremen. Für Bremen wäre das eine volkswirtschaftliche Katastrophe. Das ist einer der Gründe, warum wir als SPD uns mit aller Kraft in die Bundestagswahl werfen werden.
Außerdem muss die SPD ihr Aufstiegsversprechen erneuern. Zu Willy Brandts Zeiten hat jeder zweite Studierende Bafög bekommen. Als ich studiert habe, war es noch jeder fünfte, heute noch jeder neunte. Die Bundesregierung hat erste Verbesserungen auf den Weg gebracht, aber das reicht noch nicht aus. Deswegen muss man das Bafög wieder auf die Höhe der Zeit bringen und zu einem kollektiven Aufstiegsversprechen für eine junge Generation machen.
Unser Aufstiegsversprechen muss sich auch an junge Menschen richten, die eine Berufsausbildung machen. In Bremen entsteht auf Initiative der SPD aktuell das erste Auszubildendenwohnheim. Das ist für mich mehr als Wohnraum, es ist eine Frage von Anerkennung. Das Wohnheim wird im Sommer seine Türen öffnen. Ich möchte als Landesvorsitzender dazu beitragen, dass es das erste, längst nicht das Letzte ist.
Mit Blick auf die Bundestagswahl könnte das neue Wahlrecht zu einem Novum führen. Denn bislang hat in beiden Bremer Bundestagswahlkreisen seit 1949 immer der Kandidat oder die Kandidatin der SPD das Direktmandat geholt und war damit automatisch im Parlament. Künftig könnten zwei Siege in den Wahlkreisen dafür nicht mehr reichen. Wie gehen Sie damit um?
Stimmt, wir haben immer beide Wahlkreise geholt, aber: Der Wahlkreis Bremen II – Bremerhaven ist überwiegend von alten Arbeiterstadtteilen wie meinem geprägt und gilt stets als sichere Bank. Im Wahlkreis Bremen I mit der Universität und auch alternativen Wohnvierteln mussten wir uns auch nach dem alten Wahlrecht jedes Mal richtig reinhängen, um den zu holen. Mit dem neuen Wahlrecht ist die Hürde eine Stufe höher. So oder so hilft nur: Ärmel hochkrempeln und die Leute überzeugen.
Das neue Wahlrecht könnte aber zu einer innerparteilichen Konkurrenzsituation zwischen den beiden Kandidierenden führen. Wie wollen Sie die verhindern?
Das ist ein ungleicher Wettbewerb, weil die SPD im Wahlkreis Bremen II – Bremerhaven immer einen höheren Abstand zum Zweitplatzierten hat als im Wahlkreis Bremen I. Unsere Botschaft ist eine andere: Wir erheben als SPD den Anspruch, so wie bisher auch ganz Bremen im Bundestag zu repräsentieren. Das erwarten auch viele Menschen von der SPD.
Wird der Bundestagswahlkampf den Schwerpunkt Ihres ersten Amtsjahres bilden?
Ja, die Bundestagswahl wird die nächste große Herausforderung. Ich habe auch Lust, mich mit allen Genossinnen und Genossen zusammen in die Bundestagswahl zu stürzen. Ich bin in diese Partei im Jahr 2004 eingetreten, weil die CDU damals in Umfragen bei der absoluten Mehrheit stand und mit dem Leipziger Programm eine marktradikale Umgestaltung der Bundesrepublik beabsichtigte. Der Autor dieses Programms war Herr Merz. Der ist nun wieder da, bezeichnet ukrainische Geflüchtete als Sozialtouristen und fordert Respekt für Reiche. Meine Motivation ist genauso groß wie damals, als ich eingetreten bin, dafür zu sorgen, dass die SPD weiterhin die Bundesregierung anführt und solche Leute, die sich selbst nicht unter Kontrolle haben, auch nicht die Kontrolle über den Staat bekommen. Das neue Steuerkonzept der SPD ist ein klares Gegenmodell, ein Signal für Gerechtigkeit, das wird uns vor Ort helfen.
Vorgänger von Ihnen als Landesvorsitzende wie Henning Scherf, Carsten Sieling oder auch Andreas Bovenschulte wurden später Bremer Bürgermeister. Steht das auch auf Ihrem Karriereplan?
Nein, ich bin selbstbewusst, aber nicht größenwahnsinnig. Wir haben mit Andreas Bovenschulte einen herausragenden Bürgermeister. Ich will als Landesvorsitzender dafür zu arbeiten, dass er das noch lange bleibt.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo