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SPD-Bundestagswahlkampf: Von Tür zu Tür mit dem Abgeordneten Hakan Demir

Hinter jeder Wohnungstür wartet eine andere Geschichte: In Berlin-Neukölln kämpft Hakan Demir um sein Bundestagsmandat. Bei seiner Wahlkampftour im Hochhaus erfährt er, was sich die Menschen von der SPD wünschen. Und noch viel mehr.

von Finn Lyko · 16. Januar 2025
Um sein Direktmandat in Berlin-Neukölln zu verteidigen, klopft Hakan Demir (Foto) an die Türen seines Wahlkreises und kommt mit den Menschen ins Gespräch.

Um sein Direktmandat in Berlin-Neukölln zu verteidigen, klopft Hakan Demir (Foto) an die Türen seines Wahlkreises und kommt mit den Menschen ins Gespräch.

„Sag denen mal, sie sollen den Müll mit runternehmen!“, schreit es an einem Montag Mitte Januar aus einer Wohnung in Berlin-Neukölln. „Nee, Wolfgang, wir können der SPD nicht unseren Müll mitgeben!“, ruft die ältere Dame in der Wohnungstür zurück in die Wohnung. 

Hakan Demir, SPD-Bundestagsabgeordneter für Berlin-Neukölln, steht vor ihr und sie blickt ihn entschuldigend an. Ihr Mann sei schon 92 Jahre alt und nicht mehr der fitteste – „Pflegegrad drei, wissen Sie“, erklärt sie. Zur Bundestagswahl am 23. Februar wählen sie deshalb auch per Briefwahl. „Aber wir wählen Sie dann“, beteuert sie zur Verabschiedung, „Grüße auch an Wolfgang“, verabschiedet sich Demir gut gelaunt, und die Tür ist zu.

Zwei „Tür-zu-Tür“-Aktionswochen im Wahlkampf geplant

Für die SPD ist dieser Montag Mitte Januar kein gewöhnlicher Tag im Bundestagswahlkampf. Es ist der Start der ersten „Tür-zu-Tür“-Aktionswoche. Zwei dieser Aktionswochen soll es insgesamt während des Wahlkampfs geben, eine erste im Januar und eine zweite vom 10. Bis zum 16. Februar. Dabei sollen jeweils so viele Sozialdemokrat*innen wie möglich, egal ob Ehrenamtliche oder Kandidat*innen, an so vielen Haus- und Wohnungstüren ihres Wahlkreises wie möglich klopfen, um dort mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie über die anstehende Wahl zu informieren.

Hakan Demir ist einer dieser Kandidaten, jeden Tag ist er während der Aktionswoche unterwegs und samstags sogar den ganzen Tag lang. An diesem Montagabend hat sich der 40-Jährige gemeinsam mit einem kleinen Team an Ehrenamtlichen eine Straße voller teils sogar mehr als zehnstöckiger Hochhäuser im Neuköllner Ortsteil Gropiusstadt vorgenommen. 

In Zweierteams bekommen alle ein Haus zugeteilt. Demir hat Glück: Die Tür des Gebäudes, in das er hineinwill, ist angelehnt, sodass er es einfach betreten kann. Perfekt – denn wenn man klingeln muss, sei es oft schwierig, erklärt Demir. Da passiere es häufig, dass Menschen einen nicht hineinließen.

Hakan Demir: „Auf der Straße spürt man die Umfragen nicht“

An den Wohnungstüren sieht das offenbar schon anders aus. Die bisherigen Aktionen liefen gut, erzählt er, aber er sei jedes Mal wieder etwas nervös, denn jedes Haus sei anders. 

Heute geht es allerdings gut los. Beim Klopfen blickt Hakan Demir bereits routiniert auf das Klingelschild, sieht den türkischen Nachnamen, und ist damit bestens vorbereitet. „Hallo, Salam“, grüßt er die junge Frau, die die Tür öffnet auf Deutsch und Türkisch. 

Die Frau hat viele Fragen zur doppelten Staatsbürgerschaft und Deutschkursen, und Demir hat auf alles eine Antwort auf mühelos-fließendem Türkisch parat. Wählen darf sie ohne deutsche Staatsbürgerschaft noch nicht, doch sie interessiert sich für Politik. 

Sie unterhalten sich eine Weile, ihr Mann bietet Demir irgendwann einen Tee an, doch dieser lehnt dankend ab – noch liegen 40 weitere Türen vor ihm. „Das war ein guter Anfang“, meint der Bundestagsabgeordnete, als die Tür ins Schloss fällt.

Eine deutsch-türkische Biografie

Das fließende Türkisch kommt nicht von irgendwoher – Hakan Demir stammt aus einer türkischen Familie. Vor mehr als 50 Jahren kamen seine Großeltern im Rahmen des deutsch-türkischen „Anwerbeabkommens“ als sogenannte Gastarbeiter*innen aus der Türkei nach Deutschland. 

Sein Engagement in der SPD begann mit seinem Umzug nach Berlin im Jahr 2012. Dort wurde er nach einiger Zeit Vorsitzender der SPD Rixdorf – später leitete er das Berliner Büro des Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby, wo er für die Themen Arbeit, Soziales und Integrationspolitik zuständig war. 2021 kandidierte Demir dann selber für den Bundestag und gewann das Direktmandat seines Wahlkreises Berlin-Neukölln.

Dieses Mandat will er nun an den Wohnungstüren Neuköllns verteidigen, so auch am Montagabend in Gropiusstadt. Sein Wahlkampf laufe bisher allgemein gut, erzählt Demir zufrieden. „Man spürt diese Umfragen auf der Straße eigentlich nicht, diese 12, 13, 14 Prozent“, viele Menschen begegnen ihm mindestens interessiert, so der Abgeordnete. 

Tatsächlich scheinen auch an diesem Tag mehr Menschen gesprächsbereit, als man das mit Blick auf die Umfragewerte der SPD vielleicht denken würde. Vereinzelt werden Demir die Türen zwar geöffnet, sobald er sich als SPDler bekennt jedoch auch wieder mit einem abwinkenden „Och, nee“, wieder zugemacht – doch die überwiegende Mehrheit nimmt mindestens interessiert einen seiner Flyer entgegen. 

Trotzdem findet Demir: „Man muss da schon ein bisschen abgehärtet sein, vor allem, wenn die Leute unfreundlich werden." Auch das komme in Ausnahmefällen vor.

Hinter jeder Tür eine andere Geschichte

Copyright: Christian SpiesAn diesem Abend ist das jedoch nicht der Fall. Insgesamt klopft Hakan Demir an 41 Wohnungstüren. Die meisten werden geöffnet, manche reagieren distanziert, doch viele Menschen haben Interesse an einem Gespräch. 

Diese sind überwiegend Rentner*innen oder junge Familien und sie bringen die verschiedensten Geschichten mit – die meisten kennen den Abgeordneten aus den verschiedensten Kontexten. Ein Mann kennt Demir aus einem regionalen Verein, in dem sie beide Mitglied sind, eine ältere Frau bedankt sich, dass man dank ihm nun wieder auf den Sitzbänken in der Nachbarschaft bequem sitzen könne.

 An einer anderen Tür mustert eine Rentnerin Demirs Flyer, blickt ihn verdutzt an und sagt: „Da haben Sie ja viel kürzere Haare!“ „Na, soll ich zum Friseur?“, fragt Demir lachend. Das Urteil der Frau: „Nee, so wie jetzt ist es besser.“

So heiter viele der Gespräche auch laufen, so schlägt Hakan Demir jedoch an manchen Türen auch der angestaute Frust, den viele Menschen seit Jahren empfinden, entgegen. Demir hört ihnen mit viel Geduld und Ruhe zu, er bleibt stets höflich. 

Ein älterer Mann aus Algerien diskutiert mehr als 15 Minuten mit ihm. Er habe lange SPD gewählt, erzählt er, doch von Olaf Scholz sei er enttäuscht. Alles werde teurer, und alles sei schwieriger geworden, meint er. Außerdem mache die SPD zu wenig Werbung für ihre Sache. „Aber ich bin doch gerade vor ihrer Haustür“, entgegnet Demir. Doch der Mann bleibt skeptisch. Er wisse noch nicht, wie er sich am 23. Februar entscheiden werde.

An einer anderen Tür kommt Demir mit drei türkischen Frauen aus drei Generationen ins Gespräch. Alle drei sind besorgt über den Rechtsruck und die aktuelle Migrationsdebatte, sie wünschen sich eine Politik, die auch ihre Sicherheit als Einwanderinnen im Blick hat. 

Die Großmutter darf nicht wählen, die Enkelin weiß noch nicht, ob sie wählen geht. Sie sei nicht besonders informiert wenn es um Politik geht, gibt sie zu. Ihre Mutter wiederum erzählt, dass sie sich sehr dafür interessiere. In der Türkei engagiere sie sich bereits politisch, in Deutschland überlege sie noch, für welche Partei. Hakan Demir gibt ihr einen Flyer mit seiner Telefonnummer. Bei Interesse solle sie sich melden, er könne ihr dann gerne mehr über die SPD erzählen, erklärt er ihr.

Die Bilanz: positiv

Nach zwei Stunden sind alle Türen der Straße abgeklopft, und Hakan Demir und die Ehrenamtlichen treffen sich draußen wieder. Jede Gruppe trägt in eine Liste auf dem Handy ein, in welchen Häusern sie waren. Zum Abschluss gibt es warme Getränke für alle in einer Bäckerei am U-Bahnhof um die Ecke. 

Es waren viele verschiedene Anliegen, die die Menschen an den Türen hatten. „So wie heute läuft es eigentlich meistens“, das kenne er auch aus seinem Wahlkreisbüro, sagt Demir. Von lokalen Angelegenheiten bis zu bundespolitischen Themen wie der Inflation oder dem Krieg in der Ukraine „kommen alle Themen auf den Tisch“, erzählt der Parlamentarier. Die Bilanz der heutigen Blitzbesuche: positiv. Und am nächsten Tag geht es direkt weiter – bis zur Bundestagswahl sind es schließlich nur noch sechs Wochen.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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