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150 Jahre Gothaer Programm der SPD: Auf die Gerechtigkeit kommt es an

Zum 150. Jubiläum des Gothaer Programms würdigt die SPD ihre Anfänge im historischen Tivoli. Dabei geht es nicht nur um die Vergangenheit – sondern auch um die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie im Angesicht des Rechtsrucks.

von Finn Lyko · 24. Mai 2025
Knut Kreuch, Saskia Esken, Lars Klingbeil und Georg Maier schneiden eine Torte an, auf der "150 Jahre Gothaer Parteitag" steht.

Zum Festakt anlässlich des 150. Jubiläums des Gothaer Programms traf sich die Parteiprominenz aller Ebenen: Kommune, Bund und Land waren durch Knut Kreuch, Saskia Esken, Lars Klingbeil und Georg Maier vertreten.

„Gott sei Dank sind heute mehr Frauen in diesem Saal als vor 150 Jahren“, scherzt Dietmar Nietan, Schatzmeister der SPD und ehemaliger Bundestagsabgeordneter. Wer sich an diesem Abend im Saal des Gothaer Tivoli umsieht, kann tatsächlich fast ebenso viele Frauen wie Männer zählen. Es ist Freitagabend, der 23. Mai, und die SPD hat in Gotha zusammengefunden. Der Anlass ist feierlich: Vor genau 150 Jahren wurde hier mit der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland (SAP) die unmittelbare Vorgängerin der SPD gegründet. Bei der damaligen Geburtsstunde der Sozialdemokratie waren 130 Männer im Tivoli, damals eine Kneipe, vor Ort – Frauen spielten keine Rolle.

Viel habe sich also getan in den 150 Jahren seit dem Gothaer Parteitag, und trotzdem präge er mit seinem Programm die SPD bis heute, fährt Nietan fort. Und auch im weiteren Verlauf des Festakts betonten die Redner*innen immer wieder: Das Gothaer Programm sei weiterhin relevant – vielleicht heute sogar mehr denn je.

Grundwerte des Gothaer Programms unter Druck?

Manche der elementaren Forderungen des Programms, wie die Schulpflicht, das Verbot von Kinderarbeit oder das Wahlrecht für Frauen, sind schon längst etablierte Grundsätze der deutschen Demokratie, erklärt der Thüringer Landtagsabgeordnete Matthias Hey. Doch anderes, wie beispielsweise die Pressefreiheit oder die allgemeine Stärkung der Arbeitnehmerrechte, stünden aktuell für manche wieder zur Debatte und seien zunehmend unter Druck.

Die größte Bedrohung sehe er bei alldem durch die AfD, macht Hey klar. Denn die rechtsextreme Partei stehe für das Gegenteil der Grundsätze der Gerechtigkeit und Solidarität, auf denen das Gothaer Programm fuße. Wenn die SPD sich auf diese Grundwerte besinne, bedeute das also auch, zu begreifen, was aktuell durch die AfD auf dem Spiel stehe, appelliert er an die Anwesenden im Tivoli.

„Auch heute stehen wir an einem Wendepunkt, gerade hier in Thüringen“, pflichtet ihm der Thüringer Innenminister und SPD-Landesvorsitzende Georg Maier in seiner Rede bei. Er sei weiterhin dafür, ein Verbotsverfahren gegen die AfD anzustreben, so Maier, doch um die Menschen auch inhaltlich wieder zurückzugewinnen, müsse die SPD nun ganz im Sinne des Gothaer Programms „Gerechtigkeit zum großen Thema machen“ – denn: „Überall wo es gerecht zugeht, ist die Demokratie stark“.

Klingbeil: „Wir müssen dagegen halten“

Laut dem SPD-Vorsitzenden, Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil ist der historische Auftrag an die heutige SPD klar. Sozialdemokrat*innen hätten stets „die Demokratie verteidigt, als andere Diktaturen errichten wollten oder andere zuließen, dass sie errichtet werden“, betont er. Nun komme es auf jede*n Einzelne*n an, die Demokratie auch dieses Mal zu verteidigen, so Klingbeil. Egal ob „auf der Familienfeier oder im Stadion“, appelliert er, „wir müssen dagegenhalten“ – oder konkret: widersprechen. Denn das sei die Aufgabe von Demokrat*innen.

Gleichzeitig müsse sich die SPD aber auch die Frage stellen, warum „Hass und Hetze auf so fruchtbaren Boden stoßen“, so der Vizekanzler. Um dem entgegenzutreten, müsse das verlorene Vertrauen wieder aufgebaut werden, und zwar mit konkreten Maßnahmen. Wie Georg Maier sehe auch er den Schlüssel in einer Antwort auf die aktuellen Gerechtigkeitsfragen wie den hohen Lebensmittelkosten, dem Zustand der Schulen oder den überhöhten Mieten. Es sei nun an der SPD, in diesen schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen – wie beispielsweise mit dem beschlossenen Sondervermögen für die Infrastruktur – erklärt Klingbeil. Denn das tue sie „schon immer“.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 24.05.2025 - 13:27

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Den Rechtsruck hat die SPD in großen Teilen selbst verursacht. Denken wir an die permanenten groKos in Neufünfland um mit der PDS (und den damals noch emanzipatorischen Grünen) keine Regierung zu bilden, denken wir an die Agenda2010, flankiert von Beleidigungen von Arbeitslosen auch durch führend SPD Funktionäre, denken wir an die Rettung von von Spekulantenbanken und Börsenzockern mi dem Geld der Bürger (Steuermittel), denken wir an Corona mit der Plünderung der Krankenkassen zugunsten der Pharmaindustrie für Präparate deren Wirkungen und Nebenwirkungen noch nicht eindeutig klargelegt wurden.
Denjehnigen, die an den Maßnahmen zweifelten wurde HassundHetze unterstellt und der Mäjestätsbeleidigungsparagraph feiert jetzt noch fröhliche Urständ.
Es braucht dringend eine Erneuerung der SPD im Geiste des Gothaer (und/oder Erfurter Programms).

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 27.05.2025 - 11:06

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Ja, Armin, insbesondere sollte sich die SPD auf das Erfurter und das Heidelberger Programm besinnen.
Zum Glück haben Rolf Mützenich und ralf Stegner den neuesten Schnapsideen von Merz nach einer Ausweitung des Krieges widersprochen; jetzt kommt es darauf an, dass auch die Regierungsmitglieder der SPD nicht alles abnicken, was von Merz, Mautbrindt, Frei & Co. kommt.