Meinung

Trotz Putin, Netanjahu und Trump: Warum das Völkerrecht eine Zukunft hat

Was ist das Völkerrecht eigentlich noch wert? Diese Frage stellt sich, blickt man auf die Politik von Autokraten wie Putin, Trump und Netanjahu. Gleichzeitig sind am Internationalen Gerichtshof (IGH) so viele Fälle anhängig, wie nie. Seine Rechtsprechung wird gebraucht. 

von Christian Rath · 4. August 2025
Bild von Donald Trump

US-Präsident Donald Trump ignoriert das Völkerrecht nicht nur, teilweise bekämpft er es sogar. Richter des Internationalen Strafgerichtshofs, die am Haftbefehl gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu beteiligt waren, überzog er mit Sanktionen. 

Das Völkerrecht ist offensichtlich in der Krise. Es häufen sich dramatische Ereignisse, bei denen es einfach ignoriert wird: vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bis zur (von Kriegsverbrechen und Schlimmerem geprägten) Kriegsführung Israels in Gaza als Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas. Auch die willkürlich verhängten Zölle, mit denen US-Präsident Donald Trump die Weltwirtschaft chaotisiert, verstoßen gegen völkerrechtliche Regeln.

Aber es gibt keine Weltpolizei, die im Auftrag eines Weltstaats das Völkerecht durchsetzt. Es gibt mit dem Internationalen Gerichtshof (IGH) zwar ein UN-Weltgericht zur Klärung völkerrechtlicher Streitfragen. Doch nur 74 Staaten (darunter Deutschland) haben sich generell dessen Rechtsprechung unterstellt. Der UN-Sicherheitsrat kann zwar Sanktionen mit globaler Geltung verhängen und sogar Militäreinsätze legitimieren. Doch dort haben unter anderem die USA, Russland und China Vetorechte und können ihre Interessen über die Durchsetzung des Völkerrechts stellen. 

Völkerrecht hat Durchsetzungsschwächen

Diese Durchsetzungsschwäche des Völkerrechts ist nichts Neues. Die Vetorechte im UN-Sicherheitsrat existieren, seit es die Vereinten Nationen gibt. Oder umgekehrt ausgedrückt: Ohne die Vetorechte der damaligen Groß- und Siegermächte hätte es die Vereinten Nationen vermutlich gar nicht gegeben. Die Erwartungen waren lange Zeit bescheiden. Dass die UN den Kalten Krieg zwischen Nato und Sowjetblock überhaupt überlebt haben, war schon ein kleiner Erfolg. Früher war also keineswegs alles besser. 

Allerdings gab es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Phase von knapp zwanzig Jahren, in der Aufbruchstimmung herrschte, weil scheinbar alle Staaten die gleichen Werte teilten. Nach den Jahren des Wettrüstens sollten jetzt alle von der Friedensdividende profitieren. Statt dem Recht des Stärkeren sollte auch international die „Herrschaft des Rechts“ gelten. Sichtbarster Ausdruck dieser neuen Möglichkeiten war die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), der Militärführer und Politiker bei Kriegsverbrechen und Völkermord auch individuell zur Verantwortung ziehen kann. Deutschland war einer der Hauptmotoren dieser Entwicklung. 

Demokratische Werte von innen bedroht

Dass wir heute den Zustand des Völkerrechts als so defizitär empfinden, liegt an den hohen Erwartungen, die in der Phase ab 1990 entstanden. Die Aufbruchstimmung endete mit der schrittweisen Abkehr Russlands vom Westen, mit der Fixierung Wladimir Putins auf eine Rückkehr Russlands zu alter imperialer Größe. 

Viel gefährlicher und desaströser ist heute aber Donald Trump, weil er den demokratischen Westen nicht von außen bedroht, sondern von innen aushöhlt. Zwar waren die USA selten Vorreiter in Sachen Völkerrecht, haben oft auf Ausnahmen bestanden und letztlich auch beim Internationalen Strafgerichtshof nicht mitgemacht. Doch unter Donald Trump wandelte sich die Zwiespältigkeit in eine Rechtsfeindschaft. 

Donald Trump als Feind des Rechts

Das liegt schon an der Person Donald Trumps. Ein Politiker, der den ganzen Tag lügt und dessen Ankündigungen und Drohungen selten lange gültig sind, ist per se kein guter Vertragspartner. Er liebt zwar den „Deal“ – aber nicht als fairen Interessenausgleich, sondern als seinen persönlichen oft nur kurzfristigen Triumph. Verträge einzuhalten, weil eine Ordnung sonst nicht funktioniert, ist kein Gedanke aus seiner Welt. 

Schon in der Innenpolitik regiert Trump lieber per Dekret als im Kongress Mehrheiten zu suchen. Immer wieder ignoriert seine Administration Gerichtsurteile, die ihr nicht passen. Und mit dieser Attitüde tritt Trump auch international auf. Er verdreht die Fakten und wirft der Ukraine vor, dass sie überfallen wurde. Den Aggressoren Putin unterstützte er lange Zeit kritiklos und nimmt ihm jetzt nur übel, dass der angekündigte Deal auf sich warten lässt.

Völkerrecht hat Zukunft

Dass eine Person wie Trump, die nur das Recht des Stärkeren kennt, als Garant des Völkerrechts nicht taugt, liegt auf der Hand. Doch er ignoriert es nicht nur, teilweise bekämpft er sogar dessen Institutionen. Richter des Internationalen Strafgerichtshofs, die am Haftbefehl gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu beteiligt waren, überzog er mit Sanktionen. 

So düster die kurzfristigen Aussichten sind, so verfehlt wäre es, nun einfach zu resignieren. Das Völkerrecht ist nicht gescheitert, nur weil es derzeit wieder schwieriger durchzusetzen ist. Autokraten und Populisten wie Putin, Trump und Netanjahu sind aktuell zwar populär, aber allesamt über 70 Jahre alt. Niemand weiß, wie es nach ihnen weitergeht. Zumindest die USA und Israel haben aber eine herausragende Geschichte als Rechtsstaaten.

Haftbefehle gegen Putin und Netanjahu

Es geht also darum, das Völkerrecht zu bewahren und zu pflegen, bis wieder bessere Zeiten kommen. Dazu gehört, sich klarzumachen, dass auch aktuell nicht alles darnieder liegt. Als Maßstab, als moralischer Kompass, ist das Völkerrecht intakt. Am IGH sind so viele Fälle wie nie anhängig, seine Rechtsprechung wird gesucht. Der IStGH wagt sich endlich auch an die ganz Großen heran, hat Haftbefehle gegen Putin und Netanjahu erlassen. Das stärkt seine Reputation. Das Völkerrecht regelt viele praktische Fragen der Globalisierung geräuschlos und meist effizient, vom Flugverkehr über die Post bis zur Strafverfolgung via Interpol.

Umso wichtiger wäre es, dass wenigstens Deutschland als europäische Führungsmacht auf Kurs bleibt. Dafür spricht, dass sich Kanzler Friedrich Merz medienwirksamer für internationale Politik interessiert als sein Vorgänger Olaf Scholz. Allerdings war das erste Signal von Merz wenig ermutigend. Noch am Wahlabend lud er Benjamin Netanjahu nach Deutschland ein, man werde Mittel und Wege finden, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs zu umgehen. Aber da war er auch noch nicht Kanzler. 

Deutschland und Europa haben ein großes Interesse an einer regelbasierten Ordnung. Sie zu bewahren und ihr eine Zukunft zu geben, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung.

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