International

„Tax the Rich“: Warum Reiche mehr Steuern zahlen müssen

Die Transformation zur Klimaneutralität kostet viel Geld. Geld, das auch von den Superreichen kommen sollte, sagt Till Kellerhoff vom „Club of Rome“.

von Kai Doering · 11. April 2024
Luxus-Jachten im Hafen von Monaco: Reiche tragen deutlich mehr zum weltweiten CO2-Ausstoß bei als Menschen mit weniger Geld.

Luxus-Jachten im Hafen von Monaco: Reiche tragen deutlich mehr zum weltweiten CO2-Ausstoß bei als Menschen mit weniger Geld.

Mitte März hat der Europarat die wachsende Ungleichheit in Deutschland kritisiert und mehr Anstrengungen im Kampf gegen Armut gefordert. Teilen Sie den Befund?

Ja, vollkommen. Inzwischen verfügen in Deutschland die reichsten zehn Prozent über 60 Prozent des Vermögens. Das reichste Prozent verfügt über ein Drittel des Vermögens und die unteren 40 Prozent über quasi gar nichts. Diese Zahlen illustrieren die Ungleichheit sehr gut, die allerdings nicht nur eine Frage des Geldes ist, sondern auch der Chancen. Wer aus einer reichen Familie kommt, hat deutlich größere Chancen, eine bessere Bildung zu erhalten als jemand, der arme Eltern hat. Das kritisiert der Europarat vollkommen zurecht ebenso wie die Tatsache, dass die Ungleichheit hierzulande in keinem Verhältnis zum Wohlstand unseres Landes steht. Kinder aus armen Haushalten haben ein deutlich höheres Risiko, später selbst arm zu sein. Die Ungleichheit von heute manifestiert also die Ungleichheit von morgen. Das ist ein Umstand, der dringend geändert werden muss.

Was sind die Ursachen für diese sich fortsetzende Ungleichheit?

Eine Hauptursache ist, dass Reichtum meist nicht erarbeitet, sondern vererbt wird. Wenn wir wirklich eine Gesellschaft wollen, in der sich Leistung lohnt, wird man deshalb um eine Besteuerung von großen Vermögen nicht herumkommen.

In Ihrem Buch „Tax the Rich“ schreiben Sie, Ungleichheit und Klimakrise bedrohten die Grundlagen unserer Gesellschaft. Welche Verbindung gibt es da?

Eine zu große Ungleichheit hat eine destabilisierende Wirkung auf politische und gesellschaftliche Systeme. Das wurde inzwischen in verschiedenen Studien bewiesen. Umfragen belegen zudem, dass eine zunehmende Anzahl von Menschen das Gefühl hat, in Deutschland gehe es nicht gerecht zu, was ein Nährboden ist für populistische Parteien wie die AfD. Eine Verbindung zum Klimathema gibt es, weil Menschen mit höheren Einkommen und Vermögen durch Konsum- und Investitionsentscheidungen einen sehr viel höheren CO2-Ausstoß haben als ärmere. Sie fahren größere Autos und fliegen häufiger und weiter in den Urlaub, um nur zwei plakative Beispiele zu nennen. Weltweit sind die reichsten zehn Prozent für die Hälfte aller CO2-Emissionen verantwortlich. Man muss also schon sehr viele Bambus-Zahnbürsten kaufen, um einen Flug mit dem Privatjet auszugleichen – zumal der CO2-Ausstoß bei den Superreichen in Europa sogar noch steigt.

Sie plädieren dafür, dass die Reichen einen deutlich höheren Anteil der Kosten für die Transformation hin zur Klimaneutralität tragen. Warum?

Mit der Transformation werden massive Kosten auf die Gesellschaft zukommen – um Windräder zu errichten, Solar-Panels zu installieren und eine Wasserstoff-Infrastruktur zu errichten. Es gibt zwei Möglichkeiten für den Staat, das dafür notwendige Geld aufzubringen: über Schulden oder über zusätzliche Einnahmen. Wir sind davon überzeugt, dass diejenigen einen höheren Beitrag zum Ausstieg aus der fossilen Welt leisten müssen, die am meisten von ihr profitiert haben, weil sie die Kosten für die Verschmutzung der Umwelt nicht tragen mussten. Hinzu kommt, dass es sehr sicher zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen würde, wenn diejenigen, die selbst nicht viel haben, überproportional die Kosten der Transformation tragen müssten. Das wird nicht funktionieren. Deshalb müssen wir über die Verteilungsfrage sprechen, auch um die soziale Akzeptanz der Transformation sicherzustellen.

Till Kellerhoff

leitet den „Reclaiming Economics Impact Hub“ des Club of Rome und ist seit 2021 als globaler Koordinator für Earth4All tätig, einer internationalen Initiative, die den Systemwandel beschleunigen soll. Gemeinsam mit dem Zukunftsforscher Jørgen Randers hat er das Buch „Tax the Rich
Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten wollen“ (Bekomm-Verlag) geschrieben.

Till Kellerhoff

Die Nichtregierungsorganisation „Oxfam“ schlägt vor, weltweit zwei Prozent Steuern auf Vermögen von mehr als fünf Millionen US-Dollar zu erheben, drei Prozent auf Vermögen von mehr als 50 Millionen US-Dollar und fünf Prozent für Vermögen, die eine Milliarde US-Dollar übersteigen. In Deutschland würde das 200.000 Menschen betreffen. Was halten Sie von diesem Modell?

Das Modell halte ich für sehr sinnvoll. Für Deutschland würde das Mehreinnahmen von 85 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Oxfam steht mit dieser Forderung auch nicht allein. In den USA gab es bereits ähnliche Vorschläge, etwa von Bernie Sanders, und auch auf der Ebene der G20 wird etwas ähnliches diskutiert. Eine globale Mindeststeuer von zwei Prozent ist etwa eine Forderung, die aus Brasilien und Frankreich erhoben wird. Und auch die globale Mindeststeuer für Unternehmen, auf die sich die G7 auf Betreiben von Olaf Scholz 2021 geeinigt haben, ist ein wichtiger Schritt. All das reicht aber noch nicht aus. Zumal sich einiges auch national regeln lässt.

Mehr als 70 Prozent der Deutschen befürworten die Einführung einer Reichensteuer hierzulande, hat die Bertelsmann-Stiftung ermittelt. Warum wird sie nicht eingeführt?

Zum einen gibt es Entscheidungsträger, die an den Dogmen des vergangenen Jahrhunderts festhalten, etwa, dass sich der Staat möglichst wenig einmischen sollte und der Markt die Dinge regelt. Dieser Mythos ist längst widerlegt, wirkt aber nach. Zum anderen wirken aber auch starke Lobby-Verbände wie die Stiftung der Familienunternehmen oder die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die gegen die Einführung einer Reichensteuer arbeiten. Sie schaffen es sehr erfolgreich, den Menschen einzureden, die Reichen-, vor allem aber die Erbschaftssteuer würde sie selbst betreffen, was jedoch in den allermeisten Fällen gar nicht der Fall ist. Es geht nicht um die Juwelen-Ohrringe von Oma oder gar ihr Häuschen, sondern um Vermögen, die eine ganz andere Dimension haben.

Keine Chance also für eine höhere Besteuerung von Reichen?

Ich denke schon, dass die Politik erfolgreich sein kann, wenn sie sich traut, offensiv an das Thema heranzugehen, und klar kommuniziert, dass der Großteil der Menschen von einer stärkeren Besteuerung der Super-Reichen profitieren würde. Mehr Offenheit würde hier der Politik guttun. Und ganz nebenbei könnte sie sogar der AfD Wind aus den Segeln nehmen.

Inwiefern?

Indem die anderen Parteien herausstellen, dass die AfD eine Politik vertritt, die gerade für untere Einkommen schädlich ist. Ihre Forderungen würden vor allem den Reichen nutzen. Besonders deutlich ist der Widerspruch Anfang des Jahres geworden. Da hat sich die AfD hinter die Bauernproteste gestellt, während sie in ihrem Wahlprogramm die Abschaffung jeglicher Subventionen fordert.

YouTube wurde aufgrund Ihrer Cookie-Einstellungen blockiert.
Zum Anzeigen des Inhalts müssen Sie die Marketing-Cookies aktzeptieren .

Allein mit Steuererhöhungen für Reiche werden sich die Kosten der Transformation dennoch nicht bewältigen lassen. Kann es ohne eine Reform der Schuldenbremse gelingen?

Dass Deutschland einen massiven Investitionsbedarf hat – nicht nur für die ökologische Transformation, sondern auch für die Verteidigung, die Bildung und die Infrastruktur – ist inzwischen Konsens über alle Parteigrenzen hinweg. Die Schuldenbremse, wie wir sie zurzeit in Deutschland haben, ist daher weder zeitgemäß noch gut für die Wirtschaft. Auch international wächst die Kritik daran, weil sie Deutschlands Wachstum bremst. Ich würde deshalb hohe Wetten darauf eingehen, dass die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form innerhalb der nächsten Jahre, wenn nicht sogar Monate fallen wird. Wolfgang Schäuble soll ja kurz vor seinem Tod Friedrich Merz geraten haben, sich nicht zu laut über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu freuen, da er möglicherweise eines Tages die Schuldenbremse reformieren muss.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

3 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 12.04.2024 - 07:21

Permalink

Ein sehr aufschlussreiches Interview, das in die richtige sozialdemokratische Zukunft zeigen könnte. Wirtschafts- und umweltpolitisch gibt es mehr als richtige Fingerzeige. Leider fehlt die Kritik am Militarismus und an diesem progressiven Neoliberalismus; zwei Ideologien denen Teile der SPD-Politiker::::innen verfallen sind. Es fehlt auch an der Vision einer demokratischen Ausgestaltung der Gesellschaft, denn der jetzt beschrittene Weg, bei dem einige Poolitiker:::: und Partei(teile) sagen: Wir sind die Demokraten ! und alle die das kritisieren sind Bäähh" kann nicht der Richtige sein.

Gespeichert von Rainer Kirmse … (nicht überprüft) am So., 14.04.2024 - 15:52

Permalink

ARMUT UND REICHTUM

Ein reiches Land, das uns umgibt,
hier will man rein, es ist beliebt.
Besonders bei Millionären,
die sich gegen Steuern wehren.
Luxus und Geld im Überfluss,
für die Armen bleibt nur Verdruss.

Armut ist wohl keine Schande,
doch man steht damit am Rande.
Ist das Portemonnaie ständig leer,
hat man's im Leben doppelt schwer.
Kein Geld für den feinen Braten,
da bleibt nur der Tafelladen.

Die Millionen vom Millionär,
wo kommt der ganze Zaster her?
Kann man so viel Geld verdienen,
wenn man fleißig ist wie Bienen?
Es ist wohl die Marx'sche Lehre,
wonach sich das Geld vermehre.

Vielleicht wär mir's einfach egal,
wenn nicht in ziemlich großer Zahl
weltweit Kinder hungern müssten.
Das sollte uns doch entrüsten!

UNGERECHTE WELT

Es sagt uns nicht erst der Armutsbericht,
in unser aller Welt stimmt etwas nicht.

Immer reicher werden die Millionäre,
daneben wachsen die Armutsheere.

In düsteren Slums leben Millionen,
während and're in Palästen wohnen.

Hier im Lande geht die Spaltung weiter,
die vielen Tafeln stimmen nicht heiter.

Wohlstand für alle muss heißen das Ziel,
Frieden und Freiheit stehen auf dem Spiel.

Rainer Kirmse , Altenburg

Herzliche Grüße aus Thüringen