Drei Erkenntnisse aus der Regierungserklärung für den Bundestagswahlkampf
Im Dezember wird Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Danach wird das Parlament aufgelöst. Scholz‘ Regierungserklärung und die folgende Debatte am Mittwoch ließen bereits einiges für den bevorstehenden Wahlkampf erahnen.
IMAGO / Christian Spicker
Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag: Der Bundestagswahlkampf wird heftig.
Der Fahrplan ist nun klar. Am 11. Dezember will Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen. Am 16. Dezember soll der Bundestag darüber abstimmen. Am 23. Februar wird dann die vorgezogene Bundestagswahl stattfinden. Darauf haben sich die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und CDU/CSU am Dienstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verständigt. Und so hat es Olaf Scholz am Mittwoch in seiner Regierungserklärung noch einmal skizziert. Aus seiner Rede und aus der anschließenden Debatte ließen sich bereits einige Erkenntnisse für den bevorstehenden Wahlkampf ziehen.
Olaf Scholz ist bereits im Wahlkampf-Modus
Eine halbe Stunde sprach der Bundeskanzler am Mittwoch im Bundestag – und hielt dabei eine zweigeteilte Rede. Im ersten Teil ging er kurz auf das Ende der Ampel-Koalition ein und warb um Unterstützung der Unionsfraktion für einige Vorhaben, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden sollten, damit „die Fleißigen entlastet werden, schon ab Januar“ – Erleichterungen im Steuerrecht etwa und die Erhöhung des Kindergelds.
Im zweiten Teil schaltete Scholz dann in den Wahlkampf-Modus. Er betonte die weitere Unterstützung der Ukraine, die allerdings nicht zu Lasten von Investitionen und der sozialen Sicherheit in Deutschland gehen dürfe. Er werde die Bürger*innen nicht vor die Wahl stellen, ob sie weiter die Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen Russland unterstützen wollten oder in die Zukunft Deutschlands investieren. „Dieses Entweder-Oder mache ich nicht mit“, sagte Scholz ganz klar – und präsentierte sich als Sowohl-als-auch-Kanzler.
Friedrich Merz sieht sich schon als Kanzler
Schon als Friedrich Merz im Bundestag ans Redepult trat, um auf Olaf Scholz‘ Regierungserklärung zu antworten, versprühte er aus jeder Pore das Gefühl, er sei schon selbst der Bundeskanzler. „Sie simulieren eine Mehrheit, die Sie nicht mehr haben“, warf der Oppositionsführer Scholz vor. Mehrfach betonte Merz, dass es nach dem 23. Februar eine neue Bundesregierung geben werde, die „eine grundlegend andere Politik“ machen werde.
Im Wahlkampf will er vor allem mit Wirtschaftskompetenz punkten. Er werde alles tun, „um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft wieder herzustellen“, sagte er. Dafür will Merz „weg von der einseitigen Festlegung auf Wind- und Sonnenenergie, von der einseitigen Festlegung auf Elektromobilität und Wärmepumpe“ wie er am Mittwoch betonte. Was die Alternative sein sollte, sagte er nicht. Zuletzt hatte er aber Atomkraftwerke ins Spiel gebracht.
Die AfD will ein komplett anderes Land
Auch die Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel, meldete sich in der Debatte nach Scholz‘ Regierungserklärung zu Wort. Sie erhob wirre Vorwürfe gegen die Ampel-Koalition, die das Land „zerstört“ und den Mittelstand „in den Ruin getrieben“ habe. Dann teilte Weidel gegen CDU und CSU aus, die „die Brandmauer über Deutschland“ stelle.
In ungewohnter Offenheit zählte Weidel schließlich auf, was eine AfD-Regierung in Deutschland „in den ersten 100 Tagen“ nach Amtsantritt tun würde – von der Rückkehr zur Atom- und Kohleenergie über die Schließung der Grenzen bis zur konsequenten Abschiebung Hunderttausender. Weidel nannte diese Vorhaben „den Zukunftsplan für Deutschland“.
Fazit: Der Bundestagswahlkampf wird heftig
Gut 100 Tage vor der Bundestagswahl hat der Bundestagswahlkampf mit dieser Debatte offiziell begonnen. Auch wenn Minderheitsregierung und Opposition noch einiges gemeinsam beschließen könnten, wurden das Trennende an diesem Mittwoch mehr als deutlich. Der Wahlkampf könnte ebenso heftig wie kurz werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Appell von Olaf Scholz, den er in seiner Regierungserklärung äußerte, nicht verhallt: „Selbst wenn wir unterschiedliche politische und gesellschaftliche Vorstellungen haben: Wir leben in einem Land.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.