Meinung

Drei Erkenntnisse aus der Regierungserklärung für den Bundestagswahlkampf

Im Dezember wird Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Danach wird das Parlament aufgelöst. Scholz‘ Regierungserklärung und die folgende Debatte am Mittwoch ließen bereits einiges für den bevorstehenden Wahlkampf erahnen.

von Kai Doering · 13. November 2024
Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag: Der Bundestagswahlkampf wird heftig.

Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag: Der Bundestagswahlkampf wird heftig.

Der Fahrplan ist nun klar. Am 11. Dezember will Bundeskanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen. Am 16. Dezember soll der Bundestag darüber abstimmen. Am 23. Februar wird dann die vorgezogene Bundestagswahl stattfinden. Darauf haben sich die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und CDU/CSU am Dienstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verständigt. Und so hat es Olaf Scholz am Mittwoch in seiner Regierungserklärung noch einmal skizziert. Aus seiner Rede und aus der anschließenden Debatte ließen sich bereits einige Erkenntnisse für den bevorstehenden Wahlkampf ziehen.

Olaf Scholz ist bereits im Wahlkampf-Modus

Eine halbe Stunde sprach der Bundeskanzler am Mittwoch im Bundestag – und hielt dabei eine zweigeteilte Rede. Im ersten Teil ging er kurz auf das Ende der Ampel-Koalition ein und warb um Unterstützung der Unionsfraktion für einige Vorhaben, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden sollten, damit „die Fleißigen entlastet werden, schon ab Januar“ – Erleichterungen im Steuerrecht etwa und die Erhöhung des Kindergelds.

Im zweiten Teil schaltete Scholz dann in den Wahlkampf-Modus. Er betonte die weitere Unterstützung der Ukraine, die allerdings nicht zu Lasten von Investitionen und der sozialen Sicherheit in Deutschland gehen dürfe. Er werde die Bürger*innen nicht vor die Wahl stellen, ob sie weiter die Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen Russland unterstützen wollten oder in die Zukunft Deutschlands investieren. „Dieses Entweder-Oder mache ich nicht mit“, sagte Scholz ganz klar – und präsentierte sich als Sowohl-als-auch-Kanzler.

Friedrich Merz sieht sich schon als Kanzler

Schon als Friedrich Merz im Bundestag ans Redepult trat, um auf Olaf Scholz‘ Regierungserklärung zu antworten, versprühte er aus jeder Pore das Gefühl, er sei schon selbst der Bundeskanzler. „Sie simulieren eine Mehrheit, die Sie nicht mehr haben“, warf der Oppositionsführer Scholz vor. Mehrfach betonte Merz, dass es nach dem 23. Februar eine neue Bundesregierung geben werde, die „eine grundlegend andere Politik“ machen werde.

Im Wahlkampf will er vor allem mit Wirtschaftskompetenz punkten. Er werde alles tun, „um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft wieder herzustellen“, sagte er. Dafür will Merz „weg von der einseitigen Festlegung auf Wind- und Sonnenenergie, von der einseitigen Festlegung auf Elektromobilität und Wärmepumpe“ wie er am Mittwoch betonte. Was die Alternative sein sollte, sagte er nicht. Zuletzt hatte er aber Atomkraftwerke ins Spiel gebracht. 

Die AfD will ein komplett anderes Land

Auch die Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel, meldete sich in der Debatte nach Scholz‘ Regierungserklärung zu Wort. Sie erhob wirre Vorwürfe gegen die Ampel-Koalition, die das Land „zerstört“ und den Mittelstand „in den Ruin getrieben“ habe. Dann teilte Weidel gegen CDU und CSU aus, die „die Brandmauer über Deutschland“ stelle.

In ungewohnter Offenheit zählte Weidel schließlich auf, was eine AfD-Regierung in Deutschland „in den ersten 100 Tagen“ nach Amtsantritt tun würde – von der Rückkehr zur Atom- und Kohleenergie über die Schließung der Grenzen bis zur konsequenten Abschiebung Hunderttausender. Weidel nannte diese Vorhaben „den Zukunftsplan für Deutschland“.

Fazit: Der Bundestagswahlkampf wird heftig

Gut 100 Tage vor der Bundestagswahl hat der Bundestagswahlkampf mit dieser Debatte offiziell begonnen. Auch wenn Minderheitsregierung und Opposition noch einiges gemeinsam beschließen könnten, wurden das Trennende an diesem Mittwoch mehr als deutlich. Der Wahlkampf könnte ebenso heftig wie kurz werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Appell von Olaf Scholz, den er in seiner Regierungserklärung äußerte, nicht verhallt: „Selbst wenn wir unterschiedliche politische und gesellschaftliche Vorstellungen haben: Wir leben in einem Land.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

4 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 14.11.2024 - 18:02

Permalink

für den Bundestagswahlkampf“.
Eine Überschrift, die mir versprach, die Regierungserklärung, also Bundeskanzler Scholz, würde „Erkenntnisse für den Bundeswahlkampf“, also seine inhaltlichen Schwerpunkte (- was denn sonst -), geben. Die beiden Folgesätze zeigten meine Fehlinterpretation der Überschrift. Dennoch habe ich im Text nach Inhalten für den Wahlkampf der SPD gesucht, denn die müssen jetzt schnell auf den Tisch und in die Talk Shows.

Als Olaf Scholz „in den Wahlkampf-Modus schaltete“, fiel ihm als erstes die „weitere Unterstützung der Ukraine“ ein, die, etwas gedämpft durch Abstraktion, militärisch, wirtschaftlich, politisch und humanitär ausfällt. Dass dazu eine Friedensinitiative gehört, musste der Hörer, der Leser des Artikels sieht nicht einmal das, dem Satz entnehmen, er, Scholz, habe mit Putin letzte Woche telefoniert – offenbar ohne nennenswertes Ergebnis. Zurecht stolz, wies er darauf hin, dass mit ihm die Taurus-Flugkörper nicht zur „weiteren Unterstützung“ gehören werden, sich damit von Merz, Bearbock und all den anderen, den Krieg durch Krieg beenden wollenden Bellizisten (auch der SPD), distanzierend.
Wichtig war dem Bundeskanzler, „weiter die Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen Russland zu unterstützen“, ohne dass diese Unterstützung „zu Lasten von Investitionen und der sozialen Sicherheit in Deutschland gehen dürfe“. Das ist das nächste Versprechen, das Scholz brechen muss. Wir alle wissen, wie z. B. Gabriel, ehemaliger SPD-Parteivorsitzender, mit zustimmendem Lächeln von Merz und Illner kürzlich in der Illner-Show, dass es nur noch eine Frage von Wochen ist, bis wir unseren Wehretat auf 3% vom BIP werden aufrüsten wollen, weil müssen. Trump wird das verlangen und nicht einverstanden sein, unsere Leistungen an die Ukraine gegenzurechnen. Auf der BIP-Basis 2023 werden wir daher 2025, wenn wir Glück haben erst 2026, jährlich über 120 Mrd. € in den Wehretat stecken müssen, also 70 Mrd. € mehr als derzeit. Die jährlichen Leistungen an die Ukraine kommen noch hinzu. Das geht nur – die jährlichen Militärausgaben mit Krediten zu finanzieren, verbietet sich -, wie Klingbeil schon 2022 richtig analysierte, wenn „wir Strukturen verändern, auch Budgets neu verhandeln“. Was er nicht sagte, ihm aber völlig klar war, ist, dass das vor allem den Haushalt Arbeit und Soziales betreffen wird. (Die nächste Bundesregierung wir das so exekutieren müssen – dummerweise kann die SPD dagegen nicht einmal opponieren, denn sie hat diese Entwicklung mit eingeleitet.)
Ukraine-Krieg und Ukraine-Unterstützung sind deshalb eher ein Wahlkampfthema gegen die SPD. „Die Rente zum Wahlkampf-Thema“ machen zu wollen (13.11.24), ist auch janusköpfig. Wirtschaft hat Lindner schon am Tag seines Rauswurfs für die FDP als Wahlkampfthema reklamiert. Was bleibt da? Pistorius statt Scholz wird auch nicht reichen.
Frieden in der Ukraine wäre ein Game Changer, aber den hat Trump schon der SPD weggenommen.

Diese SPD Führung hat bisher kein Angebot gemacht, das begründen könnte daß ich oder irgendjemand sonst, sie erneut wählen sollte. Ukraine, Ukraine, Ukraine da wo Wahlen ausgesetzt sind, Gesetze verändert wurden damit Agrarindustrielle sich den Boden aneignen konnten, wo Korruption das Einzige ist was wirtschaftlich wächst.
Trump und seine Entourage als Grund anzuführen warum man es nicht lassen kann ist nichtig, irgendwo hat Gefolgschaftstreue auch Grenzen, und daß einem die US-Regierung vor gut 3 Jahren (das war der "gute" Biden) in Kabul auf dem Flugplatz stehen ließ war auch kein Anlass zum Lernen. Es droht ein Merz und die SPD kann nicht aufzeigen, wegen verspieltem Vertrauen, warum sie eine Alternative sei.

Gespeichert von Wolfgang Urbanczyk (nicht überprüft) am Sa., 16.11.2024 - 18:37

Permalink

Als „alter weißer Mann“ ,der als Nichtparteimitglied seit 1960 SPD gewählt hat verstehe ich nicht, wieso die SPD nicht die sozial ungerechte Behandlung der Vermögen zum Schwerpunkt ihres Programm macht.
Besonders , wenn man bedenkt :
-Daß die SPD seit Jahren in der Regierung maßgeblich mitgewirkt hat.
-Das BV Gericht eine Änderung der Besteuerung der Vemögenseinkünfte seit 1996 fordert
-In Studien der parteinahen Ebert,- und Hans Böcklerstiftungen mit Sachverstand viel über diese zunehmend den Sozialfrieden zerstörenden Mißstände berichtet wird.
-Es geht nicht nur darum Steuervergehen zu bestrafen, sondern darum Steuerschlupflöcher beim Erben und bei den Vemögenseinkünften zu stopfen.
-Die Aussage „ Leistung muß sich lohnen“ ist bei der vorherrschenden Besteuerung der Arbeitseinkünfte und der ererbten Vermögen eine Schlag ins Gesicht der Arbeitenden das sich real nur schwach prortional vermehrt,
während das steuerfrei ererbte Kapital sich nach eine geometrischen Reihe exponentiell vermehrt und heute schon ein Drittel des Bruttoszialprodukt der BRD ausmacht !
Meine dingliche Bitte an die SPD ist , Ihre eigenen Studien ernst zu nehmen bevor es zu spät ist.
Ein herzliches Glückauf für die nahe Zukunft
Wolfgang Urbanczyk

Die Ungerechte Besteuerung der Arbeit-und der Vermögenseinkünften ist eine Erfindung des ehemaligen Finanzminisers Peer Steinbrück. Kann sich jemand daran erinnern welcher Partei der angehörte.
Von Verstrickunge parteifreier Politiker in cumcumcumex Geschäfte will ich gar nicht länger schwadronieren, denn daran kann sich schon gar niemand mehr erinnern.
Banker/Kapitalverbrechen verjähren zwar erst nach 15 Jahren aber Unterlagen dazu müssen nur 8 Jahre aufbewahrt werden. Weiß jemand wer sich das ausgedacht hat ???