Neues Album von Sebastian Krumbiegel: „Ich bin so politisch wie lange nicht“
„Aufstehen – Weitermachen“ heißt das neue Album von Sänger Sebastian Krumbiegel, das am Freitag erscheint. Darauf setzt sich der Sänger musikalisch auch mit dem erstarkenden Rechtsextremismus auseinander. „Für mich ist Nichtstun einfach keine Option“, sagt er im Interview.
Enrico Meyer
Sänger Sebastian Krumbiegel: Ich will nicht missionieren.
Am Freitag veröffentlichen Sie Ihr neues Album „Aufstehen – Weitermachen“. Darauf finden sich Lieder mit Titeln wie „Der Führer hätte sich gefreut“ und „Nicht nochmal“, in denen Sie sich mit dem Rechtsextremismus früher und heute auseinandersetzen. Was hat Sie bewogen, diese Lieder zu schreiben?
Ganz platt gesagt: die aktuelle Situation. Ich schreibe ja Lieder über das, was mich bewegt und das ist zu einem großen Teil die gesellschaftliche und die politische Situation. Ich bin zurzeit so politisch wie lange nicht.
Was bewegt Sie genau?
Ganz aktuell natürlich die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und in meinem Heimatland Sachsen, aber auch insgesamt das Erstarken einer rechtsextremen Partei in Deutschland. Dazu kommt die weltpolitische Lage hin zum Nationalen und zum Völkischen. Dazu muss man ja nur nach Italien oder in die USA schauen. Das sind alles sehr beängstigende Signale, über die man reden und, ja, auch singen muss.
„Der Führer hätte sich gefreut“ kommt musikalisch eher leicht daher und enthält viel Ironie. „Nicht nochmal“ ist dagegen ernst angelegt. Warum haben Sie diesen unterschiedlichen Umgang mit demselben Thema gewählt?
Das war nicht geplant. Wenn ich ein politisches Lied mache, laufe ich sehr schnell Gefahr, parolenhaft Dinge von mir zu geben. Das kann so weit gehen, dass der Eindruck entsteht, ich wolle missionieren. Das will ich aber eigentlich gar nicht. Jeder soll meine Lieder so hören wie sie oder er möchte. „Der Führer hätte sich gefreut“ empfinde ich auch gar nicht als ironisch, sondern eher als sarkastisch. Dabei ist immer die Gefahr, falsch verstanden zu werden, aber ich denke, die Botschaft wird klar. Beide Lieder gehen übrigens auf Erlebnisse zurück, die ich selbst hatte.
In Ihren Liedern ziehen Sie sehr deutlich den Vergleich zwischen dem Erstarken der „Neuen Rechten“ heutzutage und der Nazi-Zeit. Wo sehen Sie Parallelen?
Da muss ich zurückfragen: Wie kann man die Parallelen nicht sehen? Wenn man heute Berichte und Erinnerungen von Überlebenden des Holocausts liest, wird schnell deutlich, dass der Schrecken und Terror damals genau so begonnen hat wie die Situation heute zum Teil ist. Menschen wie die beeindruckende Margot Friedländer werden ja auch nicht müde, darauf hinzuweisen. Damals wurden die Warnungen übrigens ebenso wenig ernst genommen wie vielfach heute. Ich sehe es als meine Aufgabe als Künstler an, zu mahnen und der Gesellschaft hier den Spiegel vorzuhalten.
Mit heiteren Liedern darf man also nicht mehr von Ihnen rechnen?
Doch! Gefahren zu benennen, ist das Eine. Aber am Ende dürfen wir uns auch nicht die Zuversicht nehmen lassen, dass wir die Entwicklung aufhalten können, die da auf uns zurollt. Auf meinem neuen Album sind ja auch nicht nur ernste Stücke.
Im Refrain von „Nicht nochmal“ singen Sie: „Wenn wir uns wegducken, dann wird’s schlimm.“ Ducken sich immer noch zu viele Menschen weg?
Die großen Demonstrationen Anfang des Jahres haben mir schon Hoffnung gemacht. Sie waren ein Zeichen, dass die Gesellschaft aufgewacht ist und versteht, was die AfD wirklich mit diesem Land vorhat. Danach ist es aber leider wieder recht still geworden und die Ergebnisse der AfD bei der Europawahl und den Landtagswahlen waren schon erschütternd. Wir sind alle gefragt, das Thema am Kochen zu halten – egal, ob wir auf der Bühne stehen wie ich oder ganz normal jeden Tag zur Arbeit gehen und im Sportverein sind. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen angegriffen und ausgegrenzt werden.
Sie sind schon lange engagiert für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Was kann das Mittel der Musik da ausrichten?
Ich will mich da nicht überschätzen. Für mich ist Nichtstun einfach keine Option. Ich unterstütze zurzeit viele kleine Vereine, die gerade im ländlichen Raum aktiv sind, weil sie nochmal mit ganz anderen Problemen und Bedrohungen zu kämpfen haben als wir in der Stadt.
Sie wohnen in Leipzig. Bei der Landtagswahl hat die AfD gerade landesweit 30,6 Prozent der Stimmen geholt. Warum ist die Partei in Sachsen so stark?
Die Bedrohung von rechts wurde leider gerade in Sachsen über die letzten Jahrzehnte nicht richtig ernst genommen. Kurt Biedenkopf hat sich als Ministerpräsident ja sogar zu der Aussage verstiegen, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus. Das war mindestens eine Fehleinschätzung. Wenn man sagt, dass Sachsen ein Problem mit Rechtsextremismus hat, geht es nicht darum, ein ganzes Bundesland zu stigmatisieren, sondern darum, diejenigen, die sich dagegenstellen, zu unterstützen.
Wie sollten die anderen Parteien mit der AfD umgehen?
Auf jeden Fall dürfen sie sie nicht an die Macht kommen lassen. Es gibt ja bereits Stimmen, die genau das vorschlagen, um die Partei zu „entzaubern“. Aber für mich ist klar: Wenn die AfD an die Macht kommt, wird sie diese Macht nutzen, um sie so auszubauen, dass sie sie nicht wieder verlieren kann. Im täglichen Umgang ist das Kind aus meiner Sicht bereits in den Brunnen gefallen. AfD-Politikerinnen und -Politiker werden mittlerweile ganz selbstverständlich in Talk-Shows eingeladen und erhalten so eine Bühne, ihre extremen Inhalte zu verbreiten. Das halte ich für fatal. Und manche Parteien fischen inzwischen so hart am rechten Rand, dass kaum noch ein Unterschied zur AfD zu erkennen ist.
Das Album „Aufstehen – Weitermachen“ von Sebastian Krumbiegel erscheint am 20. September.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
" Wie kann man die…
" Wie kann man die Parallelen nicht sehen? Wenn man heute Berichte und Erinnerungen von Überlebenden des Holocausts liest, wird schnell deutlich, dass der Schrecken und Terror damals genau so begonnen hat wie die Situation heute zum Teil ist."
Von welchem "Schrecken und Terror" der AfD spricht denn Herr Krumbiegel? Das ist doch völlig an den Haaren herbeigezogen. Die AfD vertritt viele Punkte, die vor nicht alzu langer Zeit auch noch von der CDU geteilt wurden. Noch 2010 hat Merkel im Bundestag Multikulti für gescheitert erklärt. Auch Seehofer sagte: "Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein - Multikulti ist tot." Damals war es noch normal von "deutscher Leitkultur" zusprechen, während das heutzutage als "völkisch" bezeichnet wird.
Mir scheint es eher so, als ob das ganze politische Spektrum seit 2010 so weit nach links verschoben wurde, das ehemals bürgerlich-konservative Ansichten heute als rechtsextrem gelten, obwohl sich die Menschen und deren Einstellungen gar nicht geändert haben. Es sind also nicht die Rechten, die "immer radikaler" wurden, sondern es ist das politische Spektrum das immer weiter nach links verschoben wurde, so das alles rechts der Mitte heutzutage reflexartig mit "Faschismus" assoziiert wird.