Inland

Landtagswahlen: SPD sieht AfD-Erfolg als Stresstest für die Demokratie

Die Strategie der AfD, die Demokratie von innen heraus anzugreifen, könnte aufgehen. So sieht es der SPD-Landesvorsitzende Georg Maier nach dem Wahlsieg der AfD in Thüringen. Saskia Esken spricht von einem Stresstest, denn auch in Sachsen konnte die AfD dazugewinnen.

von Vera Rosigkeit · 2. September 2024
Saskia Esken, Petra Köpping und Georg Maier im Berliner Willy-Brandt-Haus

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping, Thüringens Innenminister Georg Maier und die SPD-Chefin Saskia Esken nach den Landtagswahlen im Berliner Willy-Brandt-Haus

Zufrieden mit dem Abschneiden der eigenen Partei zeigt sich am Montag im Berliner Willy-Brandt-Haus niemand. „Wir, und auch ich persönlich, sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis des gestrigen Tages“, betonte Thüringens Innenminister und SPD-Spitzenkandidat Georg Maier bei einer Pressekonferenz. Mit 6,1 Prozent hatte die SPD am Sonntag ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl eingefahren. 

In Sachsen erreichte die SPD mit 7,3 Prozent das zweitschlechteste. Die sächsische Sozialministerin und Spitzenkandidatin Petra Köpping hätte die SPD auch lieber mit einem zweistelligen Ergebnis gesehen, wies aber darauf hin, das Ergebnis in Relation zu sehen. 2019 habe die SPD mit 7,7 Prozent nur wenig mehr an Stimmen erreicht. Gleichzeitig sprach Köpping von einem der härtesten Wahlkämpfe ihrer Geschichte und einer sehr aufgeladenen Stimmung. 

Brandmauer muss stehen

SPD-Chefin Saskia Esken schaute am Montag mit Demut auf die Ergebnisse. Für sie war der Wahltag nicht nur für die SPD ein schwerer Tag, sondern „ein schwerer Tag für unserer Demokratie“, erklärte Esken. Denn mit der AfD habe in Thüringen eine vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Partei die meisten Stimmen geholt. In Sachsen sei sie nicht weit davon entfernt. 

Esken warnte: „Das starke Abschneiden der AfD ist ein echter Stresstest für unsere Demokratie.“ Gleichzeitig appellierte die Vorsitzende an alle demokratischen Parteien, dass die Brandmauern nun stehen müssten. Dabei spielte sie insbesondere auf die Aussage des Oppositionsführers im Bundestag Friedrich Merz an: „Wir hoffen sehr, dass sein Wort auch nach der Wahl Gewicht hat“, so Esken. Darüber hinaus sei es nun Aufgabe aller Parteien, stabile Mehrheiten ohne die Stimmen der AfD zu schaffen. Esken: „Die AfD braucht nicht Zünglein an der Waage zu sein.“

Kampf um Demokratie erst begonnen

Auch Georg Maier hofft darauf, dass die CDU verlässlich ist. Er gab aber zu Bedenken, dass sie bereits in der vergangenen Legislaturperiode „zusammen mit der AfD Gesetze durchgeboxt hat“. Doch für ihn stellt sich nach dem Sieg der AFD in Thüringen ein ganz anderes Problem. Mit 32,8 Prozent der Stimmen erreichte die AfD mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament. Damit verfügt sie künftig über eine sogenannte Sperrminorität und kann Entscheidungen, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden müssen, verhindern. 

Für Georg Maier stellt sich damit die Frage, wie es um die Demokratie steht. Maier betonte: „Der Kampf um die Demokratie hat gerade erst begonnen.“ Die AfD im Thüringer Landtag könne nun an zentralen Stellen Entscheidungen blockieren. Verfassungsänderungen würden ohne sie nicht mehr möglich sein, ebenso wie Richter*innen an das Verfassungsgericht zu wählen. Für Maier geht damit die Strategie der AfD, „unsere Demokratie von innen heraus anzugreifen“, in Thüringen auf. Für ihn sei diese Entwicklung ein großer Schaden für die Demokratie, den noch nicht alle verstanden hätten, mahnte er.

Saskia Esken

Die AfD vertritt eine glasklare Politik für reiche Eliten, die man sich leisten können muss.

Saskia Esken kündigte an, die „AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke weiterhin mit allen Mitteln des Rechtsstaats“ zu bekämpfen. Für sie zählt die Beobachtung durch den Verafssungsschutz dazu. Es gehe darum, den Erfolg der AfD, „unsere Demokratie zu zerstören“, zu verhindern. Gleichzeitig habe die SPD laut Esken auch die Aufgabe, die AfD inhaltlich zu stellen. Denn die Partei gebe vor, „für den sogenannten kleinen Mann zu stehen“, doch in ihrer Programmatik vertrete sie eine „glasklare Politik für reiche Eliten, die man sich leisten können muss“.

Besonderheiten Ostdeutschlands im Fokus

Mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr wünschte sich Maier mehr Empathie für die Weltsicht der Menschen im Osten. Es sei wichtig, im Auge zu behalten, dass die soziale Schere zwischen Ost und West auch nach 34 Jahren deutscher Einheit noch immer sehr weit auseinandergehe. Löhne seien immer noch deutlich geringer, die Renten teilweise die niedrigsten und das Vermögen sei pro Kopf nicht einmal halb so groß wie im Westen. 

Auch Petra Köpping forderte einen stärkeren Blick auf Ostdeutschland. Es ticke anders als der Rest der Nation, sagte sie. Die Besonderheiten Ostdeutschlands müsse man in Zukunft im Fokus haben. Für sie sei das direkte Gespräch mit den Bürger*innen wichtig, sie müssten fortgesetzt werden, sagte sie.

Überall, wo es gerecht zugehe, sei die Demokratie stabil, so Maier. Aufgabe der SPD sei es, dass die soziale Schere sich schließe. Auch Esken hält es für zentral, das Vertrauen in die Partei und das Zutrauen, „dass wir unsere Politik auch umsetzen“, wieder aufzubauen. Dazu zähle auch, sich mehr Zeit zu nehmen, „unsere Politik zu erklären und dafür zu werben“. Für den Herbst kündigte sie verschiedene Debattenformate innerhalb der Partei und mit der Öffentlichkeit an. Auch in Vorbereitung auf ein Bundestagswahlprogramm soll der Fokus Ostdeutschland beibehalten werden.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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9 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Mo., 02.09.2024 - 18:40

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"Die AfD vertritt eine glasklare Politik für reiche Eliten, die man sich leisten können muss." sagt Saskia Esken, aber diese Politik vertritt auch die FDP. Sicherlich hat Lindner die Ergebnisse für die FDP immer noch nicht verstanden, wie bereits vermutet, indem er nach dieser Wahl weiterhin Steuersenkungen für die Reichen fordert.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 09:37

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"Die AfD vertritt eine glasklare Politik für reiche Eliten" das ist ja ganz richtig erkannt, aber die Frage ist doch: Warum kann die SPD den Wahlberechtigten und innen nicht klar machen daß sie für eine andere Politik steht ? Liegt das an den unterschiedlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen in Ost und West ? Oder daran, daß die Ossis von der DDR so verblendet sind (wie so gerne in speziell Hamburger Redaktionstuben orakelt wird ? Oder daß die Sozialpolitik der SPD genauso neoliberal ausgerichtet ist wie die anderer Parteien ? ........

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 17:25

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Ja, "warum kann die SPD den Wahlberechtigten nicht Klar machen, dass sie für eine andere Politik steht?" Es reicht m.E. halt nicht, wenn in Wahlprogrammen eine sozial gerechte Politik gefordert, diese aber in der Praxis nicht realisiert wird; denn damit verliert die Partei zunehmend an Glaubwürdigkeit. Dies war so in den GroKos 2013-2017 und 2017-2021, wo sie den Unionsparteien immer nachgegeben hat anstatt, wie Seehofer es häufiger praktiziert hat, mit dem Austritt zu drohen, und es ist jetzt so, wo sie der FDP immer nachgibt. Dabei spielt sich gerade jetzt die FDP auf und droht mit einem Austritt, obwohl sie doch diese schlechten Wahlergebnisse durch ihre Obstruktionspolitik verschuldet hat und zu Recht dafür abgestraft wurde.

Gespeichert von Lothar Schelenz (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 12:14

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Guten Tag,

mein Vorschlag an den Parteivorstand:
Bitte einfach mal ruhig sein, keine Fernsehauftritte oder sonstige Interviews, wenigstens bis zur Brandenburgwahl. Es ist zu offensichtlich, dass der SPD Pateivorstand zu weit weg ist sind von den Problemen der Menschen - auch im Westen der Republik. Jedes weitere Interview verunsichert die letzten treuen SPD Wähler nur weiter. Weiter schlage ich vor, jegliche Beteiligung an Regierungen mit Grünen, BSW, FDP sowie AFD zu unterlassen. Denkt mal darüber nach ,wie weit Themen wie zb. Gendern, Klimapolitik, Identitätspolitik usw. von der Arbeiterklasse entfernt ist. Mit solidarischen Grüssen Lothar Schelenz

Gespeichert von walter weimer (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 18:08

Antwort auf von Lothar Schelenz (nicht überprüft)

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Ich kann Ihnen voll zustimmen. Die SPD Führung muss durch aktives Handeln zeigen, dass ihre Wähler am meisten von den aktuellen Veränderungen mit ihren Belastungen und Verunsicherungen betroffen sind. Ihr finanzieller Horizont ist sehr eingeschränkt, oft nur bis zum Monatsende, und werden von Personen belehrt, die ohne Sorgen weit über die normale Lebensdauer hinaus abgesichert sind.

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 13:16

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"Dazu zähle auch, sich mehr Zeit zu nehmen, „unsere Politik zu erklären und dafür zu werben“.

Die Bürger sind nicht dumm und brauchen keine Erklärungen. Sie haben genau erkannt, wohin die Ampel-Politik führt und lehnen diese ab. Wie oft muss man das der SPD denn noch erklären?

Gespeichert von walter weimer (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 17:36

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Gespeichert von walter weimer (nicht überprüft) am Di., 03.09.2024 - 17:55

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 04.09.2024 - 16:06

Antwort auf von walter weimer (nicht überprüft)

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