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SPD zu Ukraine-Krieg: „Es braucht dringend den Waffenstillstand“

Wie geht es weiter mit der Ukraine? Welche Sicherheitsgarantien kann der Westen dem Land geben und ist ein Frieden mit Russland überhaupt denkbar? Diese Fragen beantwortet der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic.

von Jonas Jordan · 28. August 2025
Vizekanzler Lars Klingbeil hat den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Kiew getroffen.
Lars Klingbeil, Bundesminister der Finanzen, aufgenommen im Rahmen seiner Reise nach Kiew. Hier beim Treffen mit Praesident Wolodymyr Selenskyj.'Fotografiert im Auftrag des Bundesfinanzministeriums'

Erst das Treffen von Trump und Putin in Alaska, dann der Gipfel mit Selenskyj im Weißen Haus. Rückt Frieden für die Ukraine näher?

Das Treffen in Washington war ein wichtiger Schritt und aus europäischer Sicht besser als erwartet. Die USA bleiben ein entscheidender Partner zur Beendigung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie signalisieren unverzichtbare Sicherheitszusagen. Aber auch Deutschland und Europa müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Klar ist: Frieden rückt nicht allein durch Gipfel näher, sondern durch Taten. Es braucht einen schnellen Waffenstillstand. Russland muss die Waffen zum Schweigen bringen und in ernsthafte Verhandlungen einsteigen.

Ein Ergebnis des Washingtoner Gipfels war, dass es binnen zwei Wochen ein Treffen von Putin und Selenskyj geben soll. Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass das klappt?

Entscheidend ist nicht allein nur, dass ein Treffen zustande kommt, sondern vor allem unter welchen Bedingungen. Ein weiteres Treffen mit Präsident Selenskyj sollte an einem neutralen, von den Vereinten Nationen anerkannten Ort stattfinden. Nur wenn dort die Voraussetzungen für ernsthafte und nachhaltige Friedensgespräche gegeben sind, kann es wirkliche Fortschritte geben. Ich wiederhole – es braucht dringend den Waffenstillstand.

Zur Person

Adis Ahmetovic ist seit 2021 Mitglied des Bundestags. Seinen Wahlkreis Hannover I gewann er zweimal direkt. Seit Mai ist er außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Adis Ahmetovic ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Welche Ergebnisse würden Sie sich von einem solchen Treffen erhoffen?

Um das Ziel gleich vorwegzunehmen: Das millionenfache Leid in der Ukraine muss schleunigst beendet werden. Die SPD ist die Partei des Völkerrechts. Die Wiederherstellung des Rechts auf territoriale Integrität sowie nationale Souveränität wäre wünschenswert. Der Weg dahin ist jedoch noch lang und steinig. Deshalb begrüßen wir erst einmal, dass überhaupt die Option für solch ein Treffen wieder auf dem Tisch liegt. Alles weitere muss dann im Prozess beurteilt werden. Wir werden die Ukraine auf jeden Fall bei allen anstehenden Herausforderungen weiter zur Seite stehen.

Adis
Ahmetovic

Der Umfang des Engagements Deutschlands und der Europäer hängt maßgeblich davon ab, welche Zusagen die USA machen.

Gesetzt dem Fall, es gelingt in den kommenden Monaten, einen Waffenstillstand zu erreichen – welche Garantien kann der Westen der Ukraine geben, damit Russland nicht jederzeit wieder angreift?

Der Umfang des Engagements Deutschlands und der Europäer hängt maßgeblich davon ab, welche Zusagen die USA machen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Hier ist eine enge Abstimmung mit unseren europäischen Partnern und der US-Regierung notwendig. Wir sind uns aber sehr bewusst darüber: Ganz Europa muss sich an Sicherheitsgarantien beteiligen. Jeder steht zu der zu leistenden Kraftanstrengung und Verantwortung.

Welche Rolle sollte Deutschland dabei spielen?

Wir sind noch immer das Land, dass die Ukraine in Europa zum Beispiel am stärksten finanziell bei ihrer Verteidigung unterstützt. Daneben leisten wir einen großen diplomatischen und humanitären Beitrag, aber auch militärisch wie durch Waffenlieferungen. Allen muss klar sein, dass es aktuell nur gemeinsam im europäischen und transatlantischen Bündnis geht.

Halten Sie in diesem Kontext auch deutsche Soldat*innen zur Friedenssicherung in der Ukraine für denkbar?

Was den Einsatz von Bodentruppen betrifft, stellt sich diese Frage im Detail gerade nicht. Wir sollten nicht den dritten Schritt vor dem ersten tun. Zunächst geht es darum, politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Unterstützung so zu bündeln, dass die Ukraine aus einer Position der Stärke verhandeln kann. Gleichwohl will ich anmerken, dass ich zum jetzigen Stand auch von kategorischen Zu- oder Absagen Distanz nehmen würde.

Adis
Ahmetovic

Ein UN-Mandat ist aufgrund der Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates nicht wahrscheinlich.

Sollte eine solche Friedenssicherungsmission, wenn sie denn zustande kommt, unter dem Mandat der Vereinten Nationen laufen?

Ein UN-Mandat ist immer ein starkes Signal für internationale Legitimität, aufgrund der Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates aber nicht wahrscheinlich.

Inwieweit könnte auch eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine mit Blick auf Sicherheitsgarantien helfen?

Die NATO-Frage ist langfristig relevant, ähnlich auch die perspektivische EU-Mitgliedschaft. Kurzfristig stehen aber andere Instrumente im Vordergrund. Jetzt geht es darum, mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln dafür zu sorgen, dass die Ukraine glaubwürdige Sicherheitsgarantien erhält. Diese müssen im engen Schulterschluss zwischen Europa und den USA erarbeitet werden.

Halten Sie einen dauerhaften Frieden mit Russland unter Putin überhaupt für denkbar?

Am Ende der Verhandlungen wird es neben territoriale Fragen in der Ukraine vor allem um die europäische Sicherheitsarchitektur gehen. Deshalb kann unser originäres Interesse nur ein dauerhafter Frieden mit Russland sein. So war es seit Jahrzehnten vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, so ist es auch jetzt. Es beruht aber bedauerlicherweise nicht auf Gegenseitigkeit. Putin verfolgt andere Ziele, die er offen ausspricht. Es gibt das aktive Bestreben der Rekonstruktion der alt-sowjetischen Idee. Und dennoch wird es eine Zeit nach dem Ukraine-Krieg geben. Darauf muss sich die EU vorbereiten durch Diplomatie wie auch sicherheitspolitische Eigenständigkeit. Es darf nicht wieder dazu kommen, dass Grenzen auf dem europäischen Kontinent gewaltsam verschoben werden.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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