Niederlande: Warum Rechtspopulist Geert Wilders nicht Premier wird
Der Rechtspopulist Wilders sah sich vergangene Woche gezwungen, seinen Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten der Niederlande zu erklären. Seitdem wird eine außerparlamentarische Regierung ohne Koalitionsvertrag diskutiert – was immer das sein soll.
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Geert Wilders, dem Chef der Partei für die Freiheit, fehlt es an politischer Unterstützung.
Die Parlamentswahlen Ende November hatte Geert Wilders' Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit) überraschend deutlich gewonnen, aber eine tragfähige Mehrheit konnte er in den anschließenden Koalitionsverhandlungen nicht vereinbaren. Zu groß die Differenzen der vier beteiligten Parteien, zu groß die Ablehnung der Person Geert Wilders, vor allem bei Pieter Omtzigt, Chef der neuen, von den Christdemokraten abgespaltenen Partei NSC (Neuer Gesellschaftsvertrag).
In einer ersten Stellungnahme erklärte Wilders staatstragend auf Twitter/X, er könne nur Premier werden, wenn alle Koalitionsparteien dies unterstützten, aber das sei nicht der Fall. Die Liebe für sein Land und die Wähler sei größer und wichtiger als seine eigene Position. Damit wolle er den Weg für eine rechte Koalition und eine Politik freimachen, deren Hauptaufgabe sei, für weniger Zuwanderung und Asyl zu sorgen.
Am Tag darauf klang es deutlich frustrierter und empörter: ich bin „genauso wütend wie sie“ (die Wähler*innen). Allein die Chefin der Bauernpartei Caroline van der Plas habe ihn voll unterstützt, während die beiden christdemokratischen Parteien VVD und NSC ihn mehr oder weniger offen hätten verhindern wollen. Das sei „ungerecht und staatsrechtlich falsch“. Er habe vor der Alternative gestanden, sich für ein „rechtes Kabinett zu entscheiden“ oder die Gespräche abzubrechen.
Keine Mehrheit ohne den Wahlsieger möglich
Auch die Vorsitzenden der drei anderen sondierenden Parteien haben umgehend ihren Verzicht auf den Chefposten erklärt. Wie genau die Bildung einer Regierung nun weitergeht, ist unklar, denn ohne Wilders PvD ist eine parlamentarische Mehrheit nicht erreichbar. Und so verhandeln die Parteien unter der Leitung des vom Parlament eingesetzten „Vermittlers“ Kim Putters auch weiter miteinander, nur jetzt eben unter der Maßgabe, dass keiner der Parteivorsitzenden auch Regierungschef*in wird.
Niederländische Medien spekulieren, Ziel sei eine außer- oder extraparlamentarische Regierung, ein loses Bündnis ohne formalen Koalitionsvertrag, dass nur zentrale politische Eckpunkte gemeinsam festlege und ansonsten nach unterschiedlichen Mehrheiten im Parlament sucht.
Speziell NSC-Chef Pieter Omtzigt hat ein solches Modell, das sich an italienischen Vorbildern ala Romano Prodi oder Mario Draghi orientiert, immer favorisiert. Im Kabinett könnten Minister aus verschiedenen Parteien, auch solchen, die bislang nicht eingebunden sind sitzen oder auch externe Fachleute ohne Parteizugehörigkeit. Selbst der Premier oder die Premierministerin müsste nicht zwingend aktive/r Politiker*in sein.
Verzicht kommt Geert Wilders gelegen
Alle vier Verhandlungspartner sind sich laut Putters einig, den „nächsten Schritt“ gehen zu wollen. So steht es in seinem Bericht ans Parlament. Praktisch kann das nur bedeuten: Es kommt eine Rechtsregierung, deren gemeinsamer Kern ein restriktiver Kurs in Sachen Asyl und Migration ist. Denn genau und nur das ist zwischen den beteiligten Parteien Konsens.
Auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag, Wilders Verzicht auf das Amt des Premiers ist kein Opfer. Eher im Gegenteil: Das Ergebnis kommt ihm sogar entgegen. Er kann sich verantwortungsbewusst und staatstragend geben und muss trotzdem praktisch keinerlei Verantwortung übernehmen.
Das könnte er auch gar nicht. Ihm persönlich fehlt jedwede Leitungserfahrung und seine „Partei“ besteht - in Deutschland ein Unding und nicht zulässig – tatsächlich nur aus einer einzigen Person: Geert Wilders selbst. Alle anderen kandidieren lediglich auf seiner Liste, sind aber keinem gemeinsamen Programm verpflichtet.
Wilders macht so weiter wie immer
Wilders ist also gleich mehrere Probleme auf einmal los. Er muss keine Posten mit loyalen Parteifreunden besetzen, die er nicht hat. Er muss keine Regierungsgeschäfte anleiten und beaufsichtigen, was er nie gelernt hat. Er muss weder Kompromisse mit anderen Parteien suchen und finden noch praktische Regierungs- und Verwaltungsarbeit leisten.
Er kann einfach genau das weiter tun, was er seit 20 Jahren am liebsten macht: Er kann auf den Marktplätzen des Landes, in den Medien und TV-Sendungen und im Parlament große Reden schwingen und anprangern, was die Regierung alles „nicht richtig hinbekommt“ und gefahrlos behaupten, er würde alles ganz anders machen. Bequemer geht es kaum.