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Einwanderung: Warum Kanada ein Vorbild für Deutschland sein kann

Deutschland möchte zukünftig enger mit Kanada zusammenarbeiten. Aktuell informieren sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser zum Thema Einwanderung. Doch wie wirbt Kanada eigentlich, um Fachkräfte aus dem Ausland.
von Sebastian Thomas · 20. März 2023
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Aktuell sind Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil in Kanada. Vordergründig wollen sich die beiden Anregungen für die geplante Reform des Fachkräfte-Einwanderungsgesetzes holen. Auf lange Sicht will Deutschland in vielen Bereichen von Kanada lernen und zusammenarbeiten.

An erster Stelle steht die Einwanderung: „Wir wollen ein modernes Einwanderungsrecht schaffen, damit ausländische Fachkräfte leichter nach Deutschland kommen und hier durchstarten können. Dafür ist Kanada ein Vorbild, von dem wir lernen können“, sagte Nancy Faser kurz vor Antritt der Reise.

Vater des aktuellen kanadischen Premiers schuf Punktesystem

Interessanterweise hatte Kanada in Bezug auf Einwanderung vor mehreren Jahrzehnten ähnliche Probleme, wie die Bundesrepublik heute: Fachkräfte fehlten, um wettbewerbsfähig bleiben und die Sozialsysteme zu finanzieren. Um der Lage Herr zu werden, rief der damalige Premierminister Pierre Elliot Trudeau, der Vater des aktuellen Premiers Justin Trudeau, ein Punktesystem ins Leben.

Ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr wichtig, woher jemand kam, sondern welche Qualifikation die Migrant*in vorweisen konnte. Zwar wurden verschiedene Punkte innerhalb des Einwanderungssystems im Laufe der Jahre mehrfach geändert, doch im Großen und Ganzen ist das Grundgerüst gleichgeblieben: Das eh und je verfolgte Ziel lautet, genau diejenigen ins Land zu holen, die die beste Qualifikation für genau die Berufe mitbringen, in denen aktuell ein Mangel an Arbeitskräften herrscht.

Will man Kanadas Einwanderungssystem also mit einem Satz zusammenfassen, könnte man es so formulieren: Das geltende Regelwerk orientiert sich stark an den aktuellen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Einwander*innen sollen kommen und dauerhaft bleiben. Zum Vergleich: Genau zur selben Zeit, als Kanada seine Einwanderungspraxis so grundlegend veränderte, setzte Deutschland auf sogenannte Gastarbeiter*innen aus dem Ausland, wie aus der Türkei, Italien oder aus Ländern des ehemaligen Vielvölkerstaats Jugoslawien.

Diese sollten nach dem Willen der damaligen Bundesregierung nach getaner Arbeit auch wieder direkt in ihre Länder zurückkehren. Das Ende ist bekannt: Die Menschen kamen – doch sie blieben und holten später ihre Familien nach.

Ab 67 Punkten können Einwander*innen in Kanada dauerhaft bleiben

Das kanadische Einwanderungssystem orientiert sich an bestimmten Kriterien – dazu gehören: Ausbildung, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch, branchenspezifische Situation und auch das Interesse der heimischen Arbeitgeber. Wer bereits eine Arbeitsstelle ausgemacht hat, kann so ebenfalls Punkte erhalten. Auf diese Weise lassen sich bis zu 100 Punkte sammeln.

Sobald die Zahl von 67 erreicht ist, winkt eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Und noch eine Sache ist bemerkenswert: Die Angehörigen erhalten Visa und nach dreijährigem Aufenthalt besteht die Möglichkeit, die kanadische Staatsangehörigkeit zu beantragen. Zur Wahrheit gehört aber auch dazu: Es kommt häufig vor, dass Arbeitsmigrant*innen am Ende doch keine Stelle finden, die ihrer Qualifikation entspricht.

Ein der Gründe: Mitunter vorkommen, dass Immigrant*innen Probleme haben ihre Arbeitserfahrungen anerkennen zu lassen. Laut einem Bericht der Rheinischen Post nimmt Kanada jedes Jahr rund 450.000 qualifizierte ausländische Arbeitskräfte bei sich auf. Durch die momentane Entwicklung auf dem dortigen Arbeitsmarkt ist die Zielmarke nochmal erhöht worden: auf 500.000 Menschen.

Und Deutschland? Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden bis 2036 rund 13 Millionen Erwerbspersonen das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass pro Jahr eine Zuwanderung von 400.000 Fachkräften aus dem Ausland notwendig ist, um das auszugleichen.

SPD, Grüne und FDP verständigten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf, in der Migrations- und Integrationspolitik einen Neuanfang zu wagen. Dabei ist von einem Paradigmenwechsel die Rede, verbunden mit der klaren Absicht: „Wir werden irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen.“

Eine große Herausforderung, denn noch existieren hohe Hürden bei den Sprachkenntnissen und der Anerkennung von Berufserfahrung. Dazu kommen ebenso langsame Visaverfahren in den einzelnen Botschaften. Geplant ist eine Fachkräftstrategie verbunden mit einer sogenannten Chancenkarte. An dieser Stelle soll es Punkte für verschiedene Fähigkeiten geben.

Auch hier dürfen Menschen nach einer bestimmten Punkteanzahl einwandern und einen Job annehmen. Weiterhin sollen Hürden bei der Staatsbürgerschaft beseitigt oder zumindest abgebaut werden. Die Reise nach Kanada soll demnach der weiteren Ideenfindung dienen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zeigte sich mit Blick auf seiner Reise nach Ottawa auch optimistisch: „Kanada zeigt, wie erfolgreiche Einwanderungspolitik ein Gewinn für Gesellschaft, Wirtschaft und Zugewanderte sein kann.“

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