Dänemark: Höhere Renten, aber mit 70 - so funktioniert es
Dänemark gehört zu den Ländern mit den höchsten Renten in Europa. Während in Deutschland noch über die Rente mit 70 gestritten wird, ist sie dort längst beschlossene Sache. Trotzdem taugt das dänische Rentensystem kaum als Vorbild.
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Renten in Dänemark sind deutlich höher als in Deutschland.
Die Dän*innen sollen am längsten arbeiten. Zumindest, wenn man vom gesetzlichen Rentenalter ausgeht: Ab 2040 gehen in dem skandinavischen Nachbarland alle, die nach dem 1. Januar 1971 geboren wurden, erst mit 70 Jahren in Rente. So ein hohes Renteneintrittsalter hat in Europa noch kein anderes Land eingeführt.
In Deutschland wird über die Rente mit 70 bislang nur diskutiert. Zuletzt forderte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die Deutschen müssten bis 70 Jahre arbeiten, um die Rentenkasse zu entlasten. Dafür wurde sie deutlich kritisiert, von der SPD, aber auch aus den eigenen Reihen. Ein höheres Rentenalter bedeute nichts anderes als eine Rentenkürzung, sagte etwa SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf.
Progressive Rente: Alle fünf Jahre neu angepasst
Bei Deutschlands nördlichem Nachbarn ist die Situation eine andere. Derzeit gehen die Dän*innen noch mit 67 Jahren in Rente – so ist es in Deutschland ab 2031 vorgesehen. Doch während die Bundesregierung anschließend an dieser Altersgrenze festhalten will, hat sich die dänische Regierung bereits 2006 auf eine progressive Rente geeinigt: Alle fünf Jahre wird sie an die steigende Lebenserwartung angepasst, wobei von einem Ruhestand von im Schnitt rund 15 Jahren ausgegangen wird. Die Anpassung auf 70 Jahre folgt also einem festgelegten Muster, entsprechend stimmte ihr das dänische Parlament mit großer Mehrheit zu.
Die gesellschaftlichen Voraussetzungen sind in Dänemark und Deutschland ähnlich. Auch in Dänemark altert die Bevölkerung, die Geburtenrate ist mit 1,55 Kindern nur leicht höher als in Deutschland (1,45), und die Lebenserwartung steigt: Für Männer liegt sie heute bei 79,9 Jahren (78,9), für Frauen bei 83,7 Jahren (83,5). Allerdings sind die Rentensysteme der beiden Länder grundlegend anders aufgebaut. In Deutschland gibt es ein sogenanntes Umlageverfahren mit Generationenvertrag. Dieses steht unter Druck, weil immer weniger Jüngere für immer mehr Ältere zahlen müssen. In Dänemark gibt es kein Umlagesystem, sondern einen Mix aus individueller Vorsorge und solidarischer Grundsicherung. Letztere wird aus Steuermitteln finanziert.
Dänemark zahlt steuerfinanzierte Rente
Die gesetzliche Rente in Dänemark besteht aus mehreren Säulen. Der Staatshaushalt finanziert die Grundrente, namentlich: „Folkepension“. Sie ist für jede*n gleich, der ab dem 15. Lebensjahr 40 Jahre lang in Dänemark gelebt hat. Sind es weniger Jahre, werden Abschläge fällig. Einkommen oder Arbeitsverhältnis haben keinen Einfluss auf die Höhe der Grundrente, auch wer gar nicht arbeitet, hat einen Anspruch. Aktuell beträgt die volle Grundrente umgerechnet etwas weniger als 1.000 Euro.
Dazu kommt eine Zulage, die sich an den Lebensverhältnissen orientiert, bei Alleinstehenden ist sie etwa höher als bei Verheirateten, und liegt aktuell bei umgerechnet etwas mehr als 1.000 Euro.
Wer in seinem Leben erwerbstätig war, bekommt zusätzlich die „Kapitalpension“ ausgezahlt: Ähnlich wie in Deutschland sind Arbeitnehmer*innen verpflichtet, Beiträge einzuzahlen, die sie sich mit dem Arbeitgeber teilen. Allerdings werden diese Beiträge individuell angespart und verzinst. Selbstständige können sich freiwillig versichern. Zusätzlich haben viele Dän*innen noch betriebliche und private Renten, letztere werden steuerlich begünstigt.
Dänemark: Vierthöchste Renten in Europa
Laut dem aktuellsten OECD-Bericht von 2023 kommen die Dän*innen mit diesem Modell auf eine Bruttorente, die im Schnitt ungefähr drei Vierteln ihres letzten Bruttoeinkommens entspricht – zum Vergleich: Die schwarz-rote Bundesregierung will die Rente hierzulande bei 48 Prozent des Bruttoeinkommens stabilisieren. Dänemark hatte laut OECD in 2022 die vierthöchsten Renten in der EU nach Norwegen, Luxemburg, und Island.
Doch das progressive Rentensystem in Dänemark hat auch seinen Haken. Denn mit steigender Lebenserwartung geht auch das Renteneintrittsalter weiter nach oben. Prognosen zufolge müssten heute 25-Jährige auf dem Arbeitsmarkt bleiben, bis sie 74 Jahre alt sind. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat deswegen gefordert, die Anpassungen des Rentenalters ab 70 Jahren noch einmal neu zu überdenken. Auch in Dänemark dürfte also eine Rentenreform anstehen.