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Wie die Wahlrechtsreform für mehr Frauen im Bundestag sorgen könnte

Die Wahlrechtsreform hatte zum Ziel, den Bundestag zu verkleinern. Was noch fehlt, ist eine Paritätsregelung, die den Frauenanteil erhöht, sagte Elke Ferner vom Deutschen Frauenrat. Ein Vorschlag liegt vor und er könnte noch in dieser Wahlperiode eingebracht werden.

von Vera Rosigkeit · 7. August 2024
Frau vor dem Bundestag

Damit künftig der Frauenanteil im Deutschen Bundestag erhöht wird, braucht es eine Paritätsregelung im Wahlrecht, sagt Elke Ferner.

Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass das Kernstück der von der Koalition vorgelegten Wahlrechtsreform rechtmäßig ist. Überhang- und Ausgleichsmandate werden abgeschafft, der Bundestag wird sich verkleinern. Sie werten das als positives Signal, um erneut eine Paritätsregelung zu fordern. Warum?

Mit der Wahlrechtsreform wird es eine neue Zuteilung von Mandaten geben. Künftig werden die Sitze strikt anhand des Zweitstimmenergebnisses berechnet, Direktmandate werden nur noch dann zugeteilt, wenn sie durch das Zweitstimmenergebnis gedeckt sind. In der vorausgegangenen Debatte um die Wahlrechtsreform wurden auch Paritätsregelungen erörtert, um den Frauenanteil im Deutschen Bundestag zu erhöhen. Als Sachverständige haben die Juristin Silke Laskowski und ich den Vorschlag eingebracht, eine zweite Zuteilungsregelung zur Absicherung der Parität einzuführen: bei der Zuteilung von Mandaten darf künftig der Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht größer sein als eins.

Was würde das in der Praxis bedeuten?

Unser Modell einer „paritätsabhängigen Mandatszuteilung“ würde sicherstellen, dass bei der Mandatszuteilung der Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht größer wäre als eins, diverse Personen werden nicht mitgezählt.

Wenn eine Partei nur Listenmandate erhält, würden abwechselnd der erste Mann und die erste Frau auf der Liste ein Mandat erhalten. Hat die Partei Direktmandate erhalten, werden diese zuerst zugeteilt, aber nur soweit, wie der Unterschied nicht größer ist als eins, der Rest der Mandate wird über die Landesliste abwechselnd verteilt. Bei zehn Mandaten insgesamt könnten maximal fünf Direktmandate an dasselbe Geschlecht verteilt werden. Der Rest würde über die Liste an das andere Geschlecht zugeteilt werden. 

Was heißt das für Parteien, die wenig Frauen auf ihren Listen stehen haben?

Das Eingreifen in das Selbstbestimmungsrecht der Parteien wäre in dieser Regelung gering, weil man keine Vorschriften für Listen und Direktmandate braucht. Die Parteien hätten es selbst in der Hand, ob eine paritätische Zuteilung möglich wird. Eine Partei, die nur wenige Frauen auf ihren Listen aufstellt, trifft selbst die  Entscheidung, dass gegebenenfalls nicht alle Mandate zugeteilt werden können. Es ist derselbe Effekt, wenn nicht genügend Kandidat*innen auf der Liste sind: Auch dann können nicht alle gewonnenen Mandate besetzt werden.

Elke Ferner

Eine Paritätsregelung würde für die FDP-Fraktion bedeuten, dass ein Drittel der Männer ihr Mandat an eine Frau abgeben müssten.

Die Wahlrechtskommission hatte ursprünglich auch das Ziel, den Frauenanteil im Deutschen Bundestag zu erhöhen. Was ist daraus geworden?

Aufgabe war, eine verfassungskonforme Regelung für eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern vorzuschlagen. In der Reformkommission hätte es dafür auch eine Mehrheit gegeben. Aber die FDP hat eine Paritätsregelung strikt abgelehnt. Aus ihrer Sicht aus nachvollziehbaren Gründen: Denn eine Paritätsregelung würde für die FDP-Fraktion bedeuten, dass ein Drittel der Männer ihr Mandat an eine Frau abgeben müsste. Sigmar Gabriel hat einmal zu mir gesagt: Mit Gänsen kannst du nicht über Weihnachten diskutieren. Genau das ist hier der Fall.

Wie könnte es jetzt weitergeben. Gibt es für die gleichberechtigte Repräsentanz noch eine Chance?

Auch wenn in dieser Wahlperiode das Wahlrecht wegen der Grundmandatsklausel nicht mehr angefasst wird, besteht die Möglichkeit, eine Paritätsregelung in den Bundestag einzubringen. Ich würde mir wünschen, dass die Frauen fraktionsübergreifend einen Gesetzentwurf einbringen und verabschieden, der ab der übernächsten Bundestagswahl, also ab 2029, greift. Das würde die Möglichkeit bieten, die Regelung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen und würde den Parteien genügend Zeit geben, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen. Wenn der politische Wille vorhanden ist, ist eine Paritätsregelung möglich. Mehr Fortschritt wagen heißt auch mehr Gleichstellung wagen!

Elke Ferner war Sachverständige der von der Ampelkoalition eingesetzten Wahlrechtskommission. Sie ist Vorstandsmitglied beim Deutschen Frauenrat e.V. und Parlamentarische Staatssekretärin a.D.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 08.08.2024 - 09:32

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"Wie die Wahlrechtsreform für mehr Frauen im Bundestag sorgen könnte".
Die "Wahlrechtsreform hat ganz und gar nichts mit der Geschlechterverteilung im Parlament zu tun; das wird in dem Artikel auch klargestellt. Was also soll diese irreführende Überschrift ? Mir ist das Geschlecht der Regierenden egal, wenn sie doch nur eine vernünftige Politik machen würden. Regine Hildebrand war in Brandenburg, trotz Fehlern, eine sehr gute Sozialministerin und bisher konnte ihr da noch kein Mann das Wasser reichen. Auf gute Politik, im Sinne des Amtseides, kommt es an - nicht auf das Geschlecht.

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Fr., 09.08.2024 - 13:08

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„paritätsabhängigen Mandatszuteilung“

Wozu eigentlich? Es gibt doch genauso viele weibliche wie männliche Wähler. Wenn Frauen den Wunsch haben, dass mehr Frauen im Bundestag sitzen sollen, können sie doch Frauen wählen. Niemand zwingt Frauen dazu Männer zu wählen. Wenn sie es aber doch tun, sollte man als Demokrat die Wahlentscheidung auch respektieren.