Wie die SPD Rettungskräfte und Ehrenamtliche besser schützen will
Angepöbelt, angegriffen: Die Attacken auf Polizisten, Rettungskräfte und Kommunalpolitiker nehmen immer mehr zu. Diesen gefährlichen Trend will die SPD stoppen. Johannes Fechner, Justiziar der Bundestagsfraktion, sagt, was dafür nötig ist.
imago
Sie wollen Menschen helfen, doch dabei werden sie immer öfter angegriffen: Deutschlands Rettungskräfte im Notfalleinsatz, hier zusammen mit der Polizei.
Johannes Fechner, warum braucht Deutschland einen besseren Schutz seiner Rettungskräfte, Polizei und Kommunalpolitiker*innen?
Wenn Menschen sich für die Allgemeinheit engagieren, müssen sie das sicher tun können und haben effektiven strafrechtlichen Schutz verdient. Da wir leider immer mehr Angriffe auf Rettungskräfte, Polizisten und Ehrenamtliche feststellen müssen, ist es Zeit zu handeln und das Strafrecht zu verschärfen. In der Ampel hatten wir schon einen Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren. Das Thema muss darum gleich nach der anstehenden Bundestagswahl angegangen werden.
Wie genau haben sich denn die Zahlen bei Beleidigungen, Bedrohungen oder Gewalttaten entwickelt?
Da sehen wir leider eine deutliche Zunahme. So sind die Straftaten gegen Mandatsträger zwischen 2019 und 2023 um über 50 Prozent gestiegen, dem Deutsche Städte- und Gemeindetag zufolge haben 38 Prozent aller Kommunalpolitiker Anfeindungen erlebt bis hin zu körperlichen Attacken. Es gab im letzten Jahr 70 tätliche Angriffe auf Journalisten und wir alle kennen die schrecklichen Berichte über Attacken gegen Pflegepersonal und Rettungssanitäter. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die wir stoppen müssen.
Was weiß man über die Täter?
Zum einen ist – etwa bei Beleidigungen – oft Alkohol im Spiel. Zum anderen sehen wir aber auch, dass oft politisch Radikalisierte straffällig werden. Das gilt besonders für Rechtsextreme, die nicht nur im Internet verbal sondern auch in der Realität Gewalt ausüben.
Rechte Kreise behaupten immer wieder, es gebe bei den Tätern einen hohen Anteil von Männern mit Migrationshintergrund, der aber verschwiegen werde.
Das können wir nicht bestätigen. Bei den Delikten, um die es hier geht – also etwa um Attacken gegen Polizist*innen oder Kommunalpolitiker*innen – sehen wir keinen erhöhten Migrantenanteil.
Was sind die Ursachen für den Anstieg der verbalen und tätlichen Übergriffe?
Es gibt leider eine gewisse Verrohung in der Gesellschaft, auch in der politischen Debatte. Wir sehen, dass Kommunalpolitiker*innen nicht mehr nur Kritik, sondern auch harten Attacken bis zu körperlicher Gewalt ausgesetzt sind. Das kommt ganz klar von rechts. Das können und werden wir nicht weiter hinnehmen.
Hat die AfD zu dieser Verrohung beigetragen?
Ja, ganz klar. Wenn man sich etwa die Videos der AfD anschaut, da werden ganz bewusst Grenzen verschoben. Es wird gezielt beleidigt und der Boden für weitere Attacken bereitet.
Die Ampel-Koalition hatte sich eigentlich schon auf Verschärfungen im Strafgesetzbuch geeinigt. Die kommen nun nicht mehr. Welche Folgen hat das und wie soll es nun weitergehen?
Einen deutlich besseren Schutz, so wie geplant, können wir den bedrohten Bürgerinnen und Bürgern nun leider nicht mehr in dieser Wahlperiode verschaffen. Die Bedrohung von Rettungskräften, Journalisten, Rettungskräften und Ehrenamtlichen bleibt für uns aber ein ganz wichtiges Thema für die nächste Wahlperiode. Wir bleiben dran.
Egal wer künftig regiert, das Thema bleibt auf der Tagesordnung?
Wenn es nach uns geht und wenn wir regieren selbstverständlich. Wir machen in dieser Frage Druck, FDP und Grüne waren schon etwas zurückhaltend. Das können wir im kommenden Bundestagswahlkampf deutlich machen, wer sich für die Sicherheit von Ehrenamtlichen, Beamten und Rettungskräften einsetzt.
In besonders gefährlichen Situationen sind oft Vollzugsbeamte wie Polizist*innen oder Gerichtsvollzieher*innen. Wie könnte deren Schutz nach den Vorstellungen der SPD verbessert werden?
Indem wir nicht nur das Strafmaß bei Angriffen anheben, sondern die Polizisten auch besser ausrüsten, damit sie sich gegen Attacken wehren können. Und wir brauchen mehr Personal bei Polizei und Justiz, damit Straftaten verfolgt und zeitnah abgeurteilt werden können.
Wie soll die Polizei besser ausgerüstet werden?
Wenn Beamte angegriffen werden, müssen sie sich effektiv verteidigen können. Darum muss rechtssicher geklärt sein, welche Verteidigungsmittel sie verwenden dürfen. Darum wollen wir sicherstellen, dass Beamte zur Verteidigung gegen Angriffe Elektroschockgeräte nutzen dürfen.
In den letzten Jahren wurden immer mehr Fälle bekannt, in denen Polizei und Rettungskräfte gezielt in Hinterhalte gelockt und dann brutal attackiert wurden. Was sollte sich hier ändern?
Wir brauchen einen eigenen Straftatbestand mit einem deutlich höheren Strafmaß, um diesen besonders perfiden Attacken zu begegnen. Wer Rettungskräfte, die Menschen in Not helfen wollen, in einen Hinterhalt lockt und dann attackiert, hat harte Strafen verdient
Inwieweit würde das helfen?
Die strafrechtliche Abschreckungswirkung ist hier nicht zu unterschätzen. Die ist nun mal ein Kernelement des Strafrechts. Und deshalb wollen wir Polizisten und Rettungskräften diesen Schutz zukommen lassen.
Kommunalpolitiker*innen werden immer massiver bedroht und angegriffen. Wie möchte die SPD sie besser schützen?
Abgeordnete des Bundestages werden vor Attacken unter anderem geschützt durch den Straftatbestand der Nötigung staatlicher Organe. Diesen Schutz möchten wir ausweiten auf Kommunalpolitiker. Sie stehen oft in der ersten Reihe, wenn unsere Demokratie und ihre Repräsentant angegriffen werden. Deshalb wollen wir sie besser schützen.
Würde das reichen? Immer mehr Kommunalpolitiker*innen – gerade auch in Ostdeutschland – ziehen sich zurück, weil sie die Anfeindungen, auch gegen ihre Familien und Freunde, nicht mehr ertragen.
Wir erwarten durch den erweiterten Straftatbestand einen besseren Schutz der Kommunalpolitiker. Und wir müssen natürlich auch dafür sorgen, dass bei Polizei und Justiz genug Personal vorhanden ist, um die Gesetze effektiv anzuwenden. Auch um die beschriebene Tendenz zum politischen Rückzug demokratischer Kommunalpolitiker zu stoppen. Denn unsere Demokratie lebt von ihrem Engagement.
richtig, das ist notwendig und sollte
so umgesetzt werden. Allerdings helfen die Maßnahmen denen nicht, die weder Rettungsdienstangehörige noch ehrenamtlich Tätige sind. Auch für deren Sicherheit muss gesorgt sein.