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EU-Lieferkettengesetz: SPD bietet Kompromiss für Abschluss an

Eigentlich war das EU-Lieferkettengesetz ausverhandelt. Doch Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung verhinderte die Verabschiedung auf europäischer Ebene. Nun bietet der SPD-Parteivorstand einen Kompromiss an.

von Jonas Jordan und Nils Michaelis · 19. Februar 2024
Die Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz liegt aktuell auf Eis.

Die Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz liegt aktuell auf Eis.

„German Vote“ wurde innerhalb der Europäischen Union jüngst zu einem geflügelten Ausdruck. Damit gemeint ist eine Enthaltung Deutschlands bei Abstimmungen innerhalb des Europäischen Rates, die auf Uneinigkeit innerhalb der Bundesregierung zurückzuführen ist. Meist weil die FDP sich quer stellt. Die deutsche Enthaltung hat dann jedoch, wie jüngst bei der inzwischen verschobenen finalen Abstimmung zur EU-Lieferkettenrichtlinie den Effekt, dass politische Vorhaben auf europäischer Ebene insgesamt auf Eis liegen.

SPD offen für Kompromisse

Deutschland gilt so als Bremser und sorgt für Verdruss. Zum Beispiel beim SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken, der insbesondere das Verhalten der FDP scharf kritisiert. Den Liberalen gehe es nicht wie behauptet um zu viel Bürokratie durch die neue EU-Lieferkettenrichtlinie, sondern um die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen. „Wenn die FDP das Lieferkettengesetz blockiert, dann sollte sie so ehrlich sein, die echten Gründe zu nennen“, kritisiert Wölken in einem Beitrag auf X (ehemals Twitter).

Der SPD-Parteivorstand wagt nun einen neuen Anlauf, um eine Verabschiedung der Lieferkettenrichtlinie auf europäischer Ebene noch in der kurzen verbleibenden Zeit bis zur Neuwahl des Europaparlaments Anfang Juni zu ermöglichen. Am Montag hat der Vorstand einstimmig einen entsprechenden Antrag beschlossen. Darin zeigen sich die Sozialdemokrat*innen gegenüber dem Koalitionspartner kompromissbereit. „Die SPD ist zum Beispiel offen, den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie zu verkleinern und Kleine und Mittlere Unternehmen unter 500 Mitarbeitenden vollständig auszunehmen“, heißt es in dem beschlossenen Antrag. Auch wäre die Partei bereit, Kompromissen zuzustimmen, die einen Wegfall der nationalen Berichtspflichten sowie eine erhebliche Erleichterung der notwendigen Risikoanalysen vorsehen. 

 Schluss mit Flickenteppich

Von vornherein jeden Kompromissvorschlag der Ratspräsidentschaft abzulehnen und sich Verhandlungen zu verweigern wäre hingegen aus Sicht der SPD unverantwortlich. „Eine Enthaltung zur Richtlinie wäre für Unternehmen in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil und ist für uns nicht hinnehmbar. Enthaltung ist keine Haltung“, macht der Parteivorstand deutlich und weist in dem Beschluss noch einmal darauf hin, dass die Richtlinie Potenzial für zahlreiche Vereinfachungen und für mehr Rechtssicherheit der Unternehmen biete.

Insbesondere dadurch, dass in Deutschland bereits 2021 ein entsprechendes Lieferkettengesetz beschlossen wurde. Die nun zwischen Rat, Kommission und Parlament auf europäischer Ebene verhandelte Richtlinie entwickele diesen Ansatz aus Sicht der SPD fort und sorge dafür, dass ein Flickenteppich an nationalen Regelungen einem europaweit einheitlichen Standard weiche. 

 Bekenntnis im Koalitionsvertrag

In ihrem Beschluss verweist die SPD auch auf den 2021 ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP. Darin heißt es wörtlich: „Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert.“

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bekräftigt am Montag: „Unsere Türen stehen offen für Nachverhandlungen mit der FDP.“ Die SPD kämpfe seit langer Zeit dafür, dass das Lieferkettengesetz kommt und für mehr Wettbewerbsgleichheit in der EU sorgt. Nach Jahren gemeinsamer Verhandlungen hätten die Liberalen ihre Haltung auf den letzten Metern „fundamental“ geändert. Doch eine Einigung sei weiterhin möglich. „Die Hand bleibt ausgestreckt“, sagt Kühnert.

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1 Kommentar

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Di., 20.02.2024 - 14:28

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Dieses Kompromissangebot der SPD an die FDP ist der völlig falsche Weg gegenüber der FDP. Der jetzige Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes ist doch schon der Kompromiss zum Kompromiss zum Kompromiss. Die Lindner-FDP lacht sich doch kaputt. Diese hoffentlich bald Splitterpartei (die nichts mehr zu tun hat mit durchaus geschätzten FDP-Politikern wie z.B. Karl-Hermann Flach, Gerhard Baum, Burkhard Hirsch, auch noch Wolfgang Mischnik) verweigert total und die SPD gibt nach - belohnt also diese Totalverweigerung! Das ist doch wiederholt "Irrenhaus" und hat mit angemessener Kompromissfähigkeit nichts mehr zu tun. Wer die Menschen und die Natur im Globalen Süden wirklich schützen will, muss jedenfalls mindestens den jetzt vorliegenden EU-Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes verabschieden und Realität werden lassen. Alles andere wäre freie, schrankenlose Vorfahrt für gegenüber Mensch und Natur brutalen Neoliberalismus. Nochmals: Kanzler Scholz muss die FDP zur Räson bringen. Notfalls soll er die FDP-Minister entlassen. Kann oder will er dies nicht, sollte er zurücktreten. Dieses völlig unwürdige FDP-Erpressungsgewürge muss ein Ende haben. Große Teile der FDP sind ohnehin auf dem Weg zur CDU/CSU.