Was die SPD von der Mindestlohnkommission erwartet
Auch wenn so manch eine Berichterstattung es nahelegt: Die SPD und auch Bundeskanzler Olaf Scholz stellen die Mindestlohnkommission nicht infrage. Allerdings haben sie eine klare Vorstellung davon, wie sich die Höhe der Lohnuntergrenze weiterentwickeln muss.
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Aktuell liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12,41 Euro. Für SPD, Geewrkschaften und Sozialverbände ist das zu niedrig
Er sei klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben. So sagte es Bundeskanzler Olaf Scholz im „Stern“-Interview am Dienstag.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ist empört und wirft Scholz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen „Tabubruch“ vor, weil dieser zugesagt habe, „nicht mehr in die Arbeit der Mindestlohnkommission eingreifen zu wollen.“ Einen Tag später meldet der „Tagesspiegel“, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert schränke die Forderung des Kanzlers nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro ein.
12,41 Euro trotz Inflation: „ein schlechter Scherz“
Dabei ist die Forderung nach einer Anhebung der Lohnuntergrenze auf 14 oder auch 15 Euro alles andere als neu. Und sie steht auch nicht im luftleeren Raum, denn unter anderem muss auch Deutschland bis spätestens Herbst den Vorgaben einer EU-Mindestlohnrichtlinie gerecht werden, wonach der Mindestlohn eines Landes mindestens 60 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns betragen sollte.
Doch geht es nicht allein um die Höhe des Mindestlohns. In der Kritik steht vor allem das Abstimmungsverfahren in der Kommission selbst: So wurde die vergangene Lohnerhöhung nicht im Einvernehmen getroffen.
Als im Juni 2023 die Mindestlohnkommission die Anhebung des Mindestlohns verkündete, war die Enttäuschung groß: ein mageres Plus von 0,41 Euro von damals zwölf Euro auf 12,41 Euro ab Januar 2024 und eine weitere Anhebung um 0,41 Euro auf 12,82 Euro im kommenden Jahr.
Aufgrund der hohen Inflation und allgemeiner Tariferhöhungen war Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von einer deutlichen Steigerung der Lohnuntergrenze ausgegangen. Die Gewerkschaften hatten einen Anstieg auf mindestens 13,50 Euro gefordert, DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sprach angesichts einer Erhöhung um 0,41 Cent von einem „enormen Reallohnverlust“ für Mindestlohnbeschäftigte. Für Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, war die Anhebung „ein schlechter Scherz“.
Ärger über Entscheidung der Mindestlohnkommission
Für Verärgerung sorgte damals in erster Linie die Entscheidungsfindung. Sie wurde nicht einvernehmlich getroffen: Da sich die Vertreter*innen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite nicht verständigen konnten, stimmte die amtierende Vorsitzende der Kommission zugunsten der Arbeitgeberseite. Darauf reagierte Olaf Scholz bereits im Juli 2023 im ARD-Sommerinterview, als er betonte, dass er es sich nicht habe vorstellen können, dass die Entscheidung keine gemeinschaftliche Entscheidung der Sozialpartner, sondern eine Mehrheitsentscheidung gewesen sei.
„Für die Anerkennung wäre es wichtig, dass in der Zukunft möglichst gemeinsame Entscheidungen gesucht werden“, betonte er. Nichts anderes sagt er heute, wenn er der Kommission im „Stern“ vorwirft, „mit der sozialpartnerschaftlichen Tradition gebrochen“ zu haben und sie auffordert, „zu einem einheitlichen Verfahren zurückzukehren“.
Mindestlohnkommission steht nicht in Frage
Dieser Meinung ist auch Heil, wenn er in seiner Regierungserklärung am Mittwoch „im Einklang mit dem Bundeskanzler“ feststellt: „Es sei richtig, auch Erwartungen an die Mindestlohnkommission zu stellen.“ Und eine sei, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber sich wie in Tarifverhandlungen einigen müssen, die Mindestlohnkommission einheitlich entscheiden soll. „Dann das hat das Vertrauen in die Mindestlohnkommission erschüttert.“ Heil bringt es so auf den Punkt: „Übrigens stellen wir die Mindestlohnkommission nicht in Frage.“ Doch: „Sie muss ihre Arbeit machen.“
Nichts anderes sagt Kühnert im „Tagesspiegel", wenn er die Mindestlohnkommission als dafür prädestiniert bezeichnet, um über die Weiterentwicklung des Mindestlohns zu entscheiden. Dabei räumt er allerdings ein, dass „diese Entscheidungen nur Akzeptanz finden, wenn sie im Konsens von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefunden wurden". Und dass das zuletzt nicht der Fall war.
Vielmehr trügen die jüngsten „Mini-Erhöhungen“ des Mindestlohns „die Handschrift von Personen, die schon lange nicht mehr im Supermarkt auf die Preise achten mussten“. Und: „Arbeitgeberpräsident Dulger sollte sich angesichts einer 41-Cent-Anhebung des Mindestlohns seine gekünstelte Empörung über die Äußerungen des Bundeskanzlers sparen.“
Es ist übrigens der Arbeitgeberpräsident selbst, der von einer Auflösung der Kommission spricht, wenn er der „FAZ“ sagt: „Wenn Politik und Gewerkschaften weiter die Verhandlungen zum Mindestlohn in der Presse führen, dann kann man die Mindestlohnkommission auch gleich auflösen.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.