Ehegattensplitting: Warum die SPD eine gerechtere Besteuerung fordert
IMAGO/U. J. Alexander
Den Vorschlag machte SPD-Chef Lars Klingbeil. Auslöser war der Streit um die geplante Kürzung beim Elterngeld. Sehr gut verdienende Eltern sollen danach künftig keine Elterngeldleistung mehr erhalten. In der sich anschließenden Debatte um Familienförderung und Gleichstellung meldete sich auch Klingbeil zu Wort: Statt am Elterngeld zu sparen, schlug er vor, das Ehegattensplitting für neue Ehen zu streichen. Im Koalitionsvertrag sei diese Idee bereits angelegt, denn das jetzige Steuerrecht schaffe Anreize, dass Frauen zu Hause bleiben, so seine Begründung. Klingbeil betonte, dass mit Blick auf eine moderne Familien- und Gleichstellungspolitik es aus Sicht der SPD sinnvoll sei, diese Debatte jetzt zu führen.
Anreiz für Frauen, weniger zu arbeiten
Mit dieser Ansicht ist er nicht allein. Ob OECD, Europäische Kommission oder Expert*innen aus der Wissenschaft, sie alle benennen die Nachteile: Das Ehegattensplitting setze negative Erwerbsanreize für Frauen, führe zu einer hohen Teilzeitbeschäftigung mit Folgen wie geringe Lohnersatzleistung bei Kurzarbeitergeld oder Erwerbslosigkeit und auch zu geringen Rentenansprüchen. „Im Gegensatz zum Erkenntnisstand und zu den Argumenten, die auf der Hand liegen, gibt es hier starke patriarchale und konservative Kräfte, die wirken“, betont Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.
Dass die Kombination aus den Steuerklassen III und V Anreize für Frauen schafft, weniger zu arbeiten, führt im Unternehmen von Jasmin Arbabian-Vogel beispielsweise dazu, dass verheiratete Frauen in Minijobs verharren, auch wenn sie gut ausgebildet sind. Denn der Steuervorteil ist umso höher, je geringer der andere verdient, erklärt Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen e. V. Da das Ehegattensplitting die Ein-Verdiener-Ehe fördere, sollte diese Konstellation nicht auch noch steuerlich unterstützt werden, findet sie. „Es kann nicht im Interesse des Staates sein, ein völlig überholtes Rollenbild und eine temporäre Ungleichheit zu fördern, die für Frauen vor allem in Abhängigkeit und Ungleichheit mündet“, ist sie überzeugt. Auch wenn das Ehegattensplitting zu den familienpolitischen Leistungen zählt, ist es genau das nicht: Denn den Steuervorteil erhalten Paare mit oder ohne Kinder gleichermaßen.
Alleinverdiener-Ehepaare profitieren
Tatsächlich ist die Kritik am 1958 eingeführten Ehegattensplitting nicht neu. Schon ein Gesetzentwurf unter Bundeskanzler Helmut Schmidt im Jahr 1982 sah eine Begrenzung des Splittingvorteils auf maximal 10.000 DM vor. Heute lassen sich mit dem Splittingverfahren, das vor allem Alleinverdiener-Ehepaare insbesondere mit sehr hohem Einkommen begünstigt, mehr als 15.000 Euro im Jahr sparen. Laut Stefan Bach von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. entsteht der größte Splitting-Vorteil, wenn ein Partner mehr als 580.000 Euro im Jahr verdient. Die Ersparnis pro Jahr: 18.300 Euro. Insgesamt mindert das Ehegattensplitting die Steuereinnahmen von Bund und Ländern um rund 21 Milliarden Euro jährlich. Aus einer Anfrage im Bundestag von 2019 geht hervor, das zu 92,1 Prozent vor allem Ehepaare in Westdeutschland profitieren. Für Soziologin Bettina Kohlrausch ist es ein Missverhältnis, „dass man ein Relikt wie die Ehe subventioniert, anstatt Kinderarmut zu bekämpfen oder den Fachkräftemangel in den Kitas anzugehen“.
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Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien auf eine Überführung der Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV geeinigt. Für Kohlrausch wäre das ein erster großer Schritt. Zeitgemäß wäre ihrer Meinung nach eine Individualbesteuerung und da, wo Kinder sind, eine entsprechende Entlastung. Zudem haben sich die Koalitionspartner darauf verständigt, die Familienbesteuerung so weiterzuentwickeln, „dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden“.
SPD-Fraktionsvize Sönke Rix sagt, die Ampel sei angetreten, um „unsere Gesellschaft zu modernisieren und überkommene Wertevorstellungen zu verabschieden“. Wenn die FDP sich stark mache für die Gleichstellung von Frauen und Männern, sollte sie ihre Ablehnung gegenüber der Abschaffung des Ehegattensplittings überdenken, betont er. Ziel der SPD sei „eine gerechte Besteuerung für verheiratete genauso wie nicht verheiratete Paare mit Kindern“.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.