Inland

Wahl neuer Verfassungsrichter: Erreichen alle drei Kandidaten die Mehrheit?

Die Wahl neuer Verfassungsrichter*innen durch den Bundestag galt stets als Formsache. Wenn am Freitag drei Positionen neu besetzt werden, dürfte es aber spannend werden. Vor allem eine Kandidatin sorgte im Vorfeld für heftige Debatten.

von Christian Rath · 8. Juli 2025
Mütze eines Verfassungsrichters und Gesetzestexte

Ausstattung der Verfassungsrichter*innen in Karlsruhe: Am Freitag sollen drei Posten vom Bundestag neu besetzt werden.

Der Bundestag wird am Freitag voraussichtlich drei neue Verfassungsrichter*innen wählen. Für alle zeichnet sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit ab, teilweise mit Stimmen der AfD, teilweise mit Stimmen der Linken. Die CDU hofft aber, dass bereits die Stimmen von Union, SPD und Grünen genügen.

Die Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts werden zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Zufällig werden in diesem Sommer drei Positionen frei, die vom Bundestag zu wählen sind. Erforderlich ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Vorschlagsrechte sind seit einigen Jahren nach der Formel 3:3:1:1 verteilt. Das heißt, dass CDU/CSU und SPD je drei Verfassungsrichter pro Senat vorschlagen können, Grüne und FDP haben je ein Vorschlagsrecht.

CDU/CSU, SPD und Grünen fehlen sieben Stimmen

Bei der anstehenden Paket-Wahl schlägt die CDU/CSU Günter Spinner vor, Richter am Bundesarbeitsgericht. Die SPD nomminierte die Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold. Sie sollen die ausscheidenden Richter Josef Christ, Doris König und Ulrich Maidowski ersetzen.

Die Richter*innenwahl ist diesmal besonders spannend, weil die FDP dem Bundestag nicht mehr angehört und CDU/CSU, SPD und Grüne zusammen nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag haben. Wenn alle Abgeordneten mitstimmen, fehlen sieben Stimmen, die von Linken oder AfD kommen müssten.

Nominierung ist keine Garantie für Wahl am Freitag

Am Montagabend haben die drei Kandidat*innen die erste Hürde genommen. Der zwölfköpfige Wahlausschuss des Bundestags nominierte sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit für die Abstimmung am Freitag. Das aber ist keine Garantie, dass die Zwei-Drittel-Mehrheit auch im Plenum zustandekommt.

Die Linke hat inzwischen bekräftigt, dass sie den von der Union vorgeschlagenen Günter Spinner nur mitwählt, wenn die Union zu einem Gespräch mit der Linken bereit ist. „Die Union weiß, wo sie anrufen kann“, sagte die Abgeordnete Clara Bünger am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin.

Einen solchen Anruf schließt die Union aber weiter aus. „Wir werden nicht auf die Linke zugehen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Steffen Bilger. Er verwies darauf, dass der Unions-Kandidat Spinner Mitte Mai auch vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen wurde. Die Linke könne einem solchen Kandidaten auch ohne Vorbedingung zustimmen.

Zwei-Drittel-Mehrheit für Unionskandidat Spinner ist sicher

Die Zwei-Drittel-Mehrheit für Spinner ist auf jeden Fall gesichert, weil zwischenzeitlich die AfD erklärt hat, sie werde Spinner wählen – ohne jede Bedingung. Spinner wäre dann der erste Verfassungsrichter, der nur dank Unterstützung der AfD ins Amt kommt.

Das will die CDU/CSU aber dadurch verhindern, dass von ihrer Seite am Freitag alle Abgeordneten bei der Wahl anwesend sind, während bei AfD und Linken mutmaßlich viele Parlamentarier*innen schon ins Wochenende abgereist sind. Bei „guter Anwesenheit“ könnten CDU/CSU, SPD und Grüne auch allein eine Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen schaffen, sagte Bilger.

Linke will Brosius-Gersdorf wählen

Auch die zuletzt umstrittene SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf kann am Freitag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit rechnen, da sie von den Linken mitgewählt wird. Nachdem sich die CDU/CSU-Fraktionsspitze um Jens Spahn noch einmal für die Wahl von Brosius-Gersdorf eingesetzt hat, wird es aus der Unions-Fraktion wohl nur wenige Abweichler geben. Brosius-Gersdorf war aus der Union vorgeworfen worden, sie halte die Entkriminalisierung von Abtreibungen für möglich.

Allerdings hat die Unions-Spitze durchgesetzt, dass Brosius-Gersdorf nicht, wie eigentlich geplant, Vize-Präsidentin des Gerichts wird. Das heißt, sie wird 2030 auch nicht Nachfolgerin von Stephan Harbarth als Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts.

Die Rolle der Vizepräsidentin und späteren Präsidentin übernimmt nun voraussichtlich die dritte Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold, die ebenfalls von der SPD vorgeschlagen wurde. Kaufhold ist eine Rechtsprofessorin aus München, die sich auf Klimaschutz und Finanzmarktaufsicht spezialisiert hat. Ihre Habilitation widmete sie der „Systemaufsicht“, was ja ganz gut zu einer Verfassungsrichterin passt.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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