Inland

Verfassungsrichter-Wahl: Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf

Am Bundesverfassungsgericht sind drei Posten frei. Die SPD hat Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin nominiert. Doch die Rechtsprofessorin der Universität Potsdam hat ihre Widersacher.

von Christian Rath · 4. Juli 2025
Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf spricht bei Markus Lanz.

Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf spricht bei Markus Lanz.

Auf Vorschlag der SPD soll die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf neue Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts werden. Doch in der CDU/CSU regt sich Widerspruch. 

Die 16 Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) werden je zur Hälfte im Bundestag und im Bundesrat gewählt. Erforderlich ist jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Zufälligerweise sind nun gleich drei BVerfG-Posten im Bundestag zu besetzen. Für einen Posten hat die CDU/CSU das Vorschlagsrecht, für zwei Posten die SPD.

Die CDU/CSU schlägt Günter Spinner vor, einen Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht. Die SPD schlägt die beiden Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf (Potsdam) und Ann-Katrin Kaufhold (München) vor. Die Position von Brosius-Gersdorf ist herausgehoben, weil sie vermutlich Vorsitzende des Zweiten Senats und ab 2030 auch Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts würde, also Nachfolgerin von Stephan Harbarth, einem Ex-CDU-Abgeordneten.

Wer ist Frauke Brosius-Gersdorf?

Nach Darstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gibt es in der CDU/CSU nun Widerspruch gegen Brosius-Gersdorf, insbesondere wegen ihrer Position zu Schwangerschaftsabbrüchen. Sie war Mitglied einer Regierungskommission zur Reform des Abtreibungsrechts und verantwortete 2024 im Kommissionsbericht das Kapitel zum „verfassungsrechtlichen Rahmen“. Dort kam sie zum Ergebnis, dass eine Entkriminalisierung durchaus möglich sei. Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts aus den 1970er- und 1990er-Jahren, in denen die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs vorgegeben wurde, seien nicht mehr maßgeblich.

In CDU-Kreisen wird Brosius-Gersdorf nun als „ultralinks“ geschmäht. Auch radikale Abtreibungsgegner*innen machen gegen Brosius-Gersdorf mobil. Dabei hatte die CDU/CSU-Fraktion dem SPD-Vorschlag bereits zugestimmt. Denn Brosius-Gersdorf ist eine hoch angesehene Rechtsprofessorin und galt wegen ihrer wirtschaftsliberalen Ansichten bisher nicht als besonders links.

Rechtsprofessorin für Impfpflicht 

Wie groß der Widerstand in der Union tatsächlich ist, kann derzeit schwer abgeschätzt werden. Denn fast alle Kritiker*innen in der Fraktion wollen bisher anonym bleiben. Nur die Brandenburger Abgeordnete Saskia Ludwig hat offen erklärt, dass sie Brosius Gersdorf für „unwählbar“ hält. Allerdings steht Ludwig am rechten Rand der CDU und ist damit wohl nicht repräsentativ. Zum anderen ist der Hauptkritikpunkt von Ludwig, dass Brosius-Gersdorf in der Corona-Pandemie für eine Impfpflicht eingetreten ist.

Bei der Verfassungsrichterwahl wird das Vorschlagsrecht der Fraktionen und Länder in der Regel akzeptiert. Nur wenn eine Person oder ihre Positionen völlig indiskutabel sind, blockieren die anderen Fraktionen. Es dürfte derzeit ohnehin schwer sein, SPD-nahe Jurist*innen zu finden, die die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen weiterhin als verfassungsrechtliches Dogma behandeln wollen. 

Im Bundestag entscheidet Zwei-Drittel-Mehrheit 

Ende letzten Jahres scheiterte allerdings der CDU/CSU-Vorschlag Robert Seegmüller, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht, am Veto der Grünen. Die Grünen hatten das Veto jedoch nicht mit Seegmüllers migrationskritischen Positionen begründet, sondern mit seiner „inkonsistenten“ Argumentation bei einem Vorstellungsgespräch. 

Bis Montagabend muss sich nun entscheiden, ob die drei Kandidat*innen Spinner, Brosius-Gersdorf und Kaufhold über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag verfügen. Dann wird der zwölfköpfige Wahlausschuss des Bundestags die Kandidat*innen offiziell nominieren. Die Wahl im Plenum des Bundestags soll dann am Donnerstag stattfinden. 

Am Ende kommt es auf die Linken an

Die mediale Aufregung um Frauke Brosius-Gersdorf hat allerdings das eigentliche Problem der anstehenden BVerfG-Richterwahlen in den Hintergrund gedrängt, dass die Zwei-Drittel-Mehrheit für die drei Kandidat*innen noch keineswegs gesichert ist. Denn seit der jüngsten Bundestagswahl, bei der die FDP ausschied, kommt eine Zwei-Drittel-Mehrheit nur noch mit Stimmen der Linken (oder der AfD) zustande. 

Die Linken sind grundsätzlich bereit, die drei Kandidat*innen zu wählen, warten aber vor allem darauf, dass die CDU/CSU das Gespräch mit ihnen sucht. Das versucht die Union aber nach Möglichkeit zu vermeiden, weil es gegen ihren Unvereinbarkeitsbeschluss verstoßen könnte. Bisher zeichnet sich noch keine Lösung ab.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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