Wahl der Verfassungsrichter: Warum SPD-Kandidaten Stimmen der Linken brauchen
Die SPD hat das Vorschlagsrecht für zwei von drei neuen Verfassungsrichter*innen. Dabei ist sie erstmalig auf die Stimmen der Linken angewiesen. Aus deren Reihen kommt eine klare Forderung.
IMAGO/Political-Moments
Die Amtszeit von Verfassungsrichterin Doris König (2.v.l.) läuft Ende Juni aus.
Im kommenden Sommer steht die Wahl von drei Verfassungsrichter*innen im Bundestag bevor. Um die für die Wahl nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen, waren in den letzten zwei Wahlperioden die Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP erforderlich. Informell wurden daher die Vorschlagsrechte nach der Formel 3:3:1:1 verteilt.
Den gewohnten Proporz gibt es nicht mehr
Das heißt: CDU/CSU und SPD durften pro Senat je drei Verfassungsrichter*innen vorschlagen, Grüne und FDP je eine Richter*in. Die vorgeschlagenen Kandidat*innen werden von den anderen Parteien jeweils mitgewählt, wenn keine unüberwindbaren Bedenken bestehen.
Seit der Bundestagswahl funktioniert dieser Proporz nicht mehr. Die FDP ist nicht mehr im Parlament. CDU/CSU, SPD und Grüne haben allein keine Zwei-Drittel-Mehrheit, ihnen fehlen sieben Stimmen. Diese müssen von der Linken kommen, wenn die Wahl gelingen soll, denn an eine Einbindung der rechtsextremen AfD denkt derzeit niemand.
Bei der Abstimmung über den zweiten Durchgang der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler war die besagte Mehrheit zustande gekommen. „Wir wissen, dass es auch auf unsere Stimmen ankommt“, sagt Clara Bünger, amtierende rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, mit Blick auf die bevorstehende Wahl der Verfassungsrichter*innen.
Drei Posten zu besetzen
Zufälligerweise müssen die nächsten drei Verfassungsrichterwahlen alle im Bundestag erfolgen. Die Amtszeit von Verfassungsrichter Josef Christ endete bereits am 30. November. Er ist nur noch geschäftsführend im Amt. Das Vorschlagsrecht für seine Nachfolge hat die Unionsfraktion.
Vizepräsidentin Doris König muss ab dem 30. Juni ersetzt werden. Das Vorschlagsrecht hat die SPD. Diese Wahl ist besonders wichtig, denn Königs Nachfolger*in wird vermutlich 2030 Präsidentin oder Präsident des Bundesverfassungsgerichts, wenn der jetzige Amtsinhaber Stephan Harbart ausscheidet.
Der Richter Ulrich Maidowski will aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig am 30. September ausscheiden. Das Vorschlagsrecht hat auch hier die SPD.
Parteien hoffen auf die Linke
In allen drei Fällen wird also erwartet und gehofft, dass die Linke den Vorschlägen für eine Nachfolge zustimmt. Doch das dürfte einen Preis haben. „Perspektivisch sollte auch die Linke ein Vorschlagsrecht für neue Verfassungsrichter*innen bekommen“, so Bünger.
„Im Vordergrund steht allerdings eine gute Besetzung der freiwerdenden Posten am Bundesverfassungsgericht“, so Bünger weiter. Das klingt sachlich-höflich, könnte aber auch eine Warnung sein. Denn für die Nachfolge von Josef Christ liegt bereits ein Personalvorschlag der Union auf dem Tisch: Robert Seegmüller vom Bundesverwaltungsgericht, ein stramm konservativer Asylskeptiker.
Die Grünen meldeten Gesprächsbedarf an, die CDU/CSU ging darauf vor der Bundestagswahl nicht mehr ein. Nun wartet Seegmüller schon seit Monaten auf seine Wahl. Und das wird nicht einfacher. „Beim Vorschlag Robert Seegmüller haben auch wir noch Gesprächsbedarf“, sagte Clara Bünger.
Der Bundesrat könnte bei der Wahl einspringen
Falls eine Wahl im Bundestag nicht gelingt, könnte notfalls auch der Bundesrat einspringen. Das sieht ein Ersatzwahl-Mechanismus vor, der erst im Dezember mit Blick auf eine mögliche Blockade durch die AfD beschlossen wurde. Davon wollen die etablierten Parteien aber nach Möglichkeit nicht Gebrauch machen, es sähe zu sehr nach Unregierbarkeit und Kontrollverlust aus. Die Linke kann nun also zum ersten Mal über die Wahl der Verfassungsrichter*innen mitbestimmen.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten à acht Richter*innen. Diese 16 Richter*innen werden mit Zwei-Drittel-Mehrheit je zur Hälfte im Bundestag und im Bundesrat gewählt. Die Amtszeit beträgt zwölf Jahre.
Verfassungsrichter
"..... an eine Einbindung der rechtsextremen AfD denkt derzeit niemand." Ist das wirklich so ????