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Warum das Gewalthilfegesetz zum Schutz von Frauen noch vor der Wahl kommen muss

In Deutschland nehmen die Straftaten gegen Frauen und Mädchen zu. Doch ein Gewalthilfegesetz für mehr Schutz ist vor dem Ampel-Aus nicht mehr beschlossen worden. Verbände und Organisationen fordern eine rasche Entscheidung.

von Vera Rosigkeit · 19. November 2024
Symbolfoto Frauen

Laut Berichts des Bundeskriminalamts erlebt eine Frau in Deutschland alle vier Minuten Gewalt.

Die Zahlen sind erschreckend. „Fast jeden Tag wird eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland umgebracht“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faser am Dienstag in Berlin. Gemeinsam mit Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) und dem Vize-Präsidenten des BKA, Michael Kretschmer, stellte die SPD-Politikerin den Lagebericht des Bundeskriminalamtes über geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten vor. Danach sind immer mehr Frauen in Deutschland von Gewalt betroffen. 

Deutschland: fast jeden Tag ein Femizid

So wurden im vergangenen Jahr, mit insgesamt über 52.000 Fällen, mehr als 140 Frauen und Mädchen täglich Opfer einer Sexualstraftat. Über die Hälfte von ihnen waren jünger als 18 Jahre. Alle drei Minuten erlebten Frauen und Mädchen häusliche Gewalt und beinahe täglich kommt es zu einem Femizid, einem Tötungsdelikt, das im Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen steht. 

„Die Zahlen und Fakten zeigen, dass Hass und Gewalt gegen Frauen ein zunehmendes gesellschaftliches Problem sind“, sagte Kretschmer. Zugleich verwies er auf „ein großes Dunkelfeld in diesem Phänomenbereich“ und erklärte, dass die tatsächlichen Zahlen, „insbesondere in den Bereichen Häusliche und Digitale Gewalt, noch wesentlich höher sind“.

Politisch motivierte Kriminalität heißt Frauenhass

Mit mehr als 17.000 betroffenen Frauen verzeichnet der Bereich Digitale Gewalt einen besonders hohen Anstieg auf 25 Prozent gegenüber dem Jahr 2022. Noch mehr stieg die Anzahl an Straftaten als Teil der politisch motivierten Kriminalität, die ausschließlich auf frauenfeindlichen Motiven basiert. Mit 322 Straftaten wurde im Berichtsjahr ein Anstieg um 56,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet.

Neben harten Strafen forderte Faeser „verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings und elektronische Fußfesseln, damit die Täter ihr Verhalten tatsächlich ändern und sich betroffenen Frauen nicht mehr unbemerkt nähern können“. 

Paus betonte den Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung, der ursprünglich im Koalitionsvertrag der Ampel festgeschrieben wurde. Sie habe einen entsprechenden Gesetzentwurf seit Langem mit Ländern und Verbänden am Runden Tisch vorbereitet. Sie appellierte „an alle Demokratinnen und Demokraten im Deutschen Bundestag dafür zu sorgen, dass Frauen besser geschützt werden“.

Nach Ampel-Aus: Mehrheit im Bundestag gesucht

Denn nach dem Ampel-Aus ist fraglich, ob ein Gesetz noch vor den Neuwahlen am 23. Februar kommt. Anfang des Jahres wäre ein Beschluss noch möglich, vorausgesetzt, dass sich im Bundestag eine Mehrheit findet, über die SPD und Grüne alleine nicht mehr verfügen. 

Verbände und Organisationen drängen allerdings darauf, allen voran die Bundesfrauenvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die „mit Sorge auf die Entwicklung geschlechtsspezifischer Straftaten gegen Frauen in Deutschland“ blickt. Das Gesetz hätte dieses Jahr bereits verabschiedet sein sollen, aber „mit dem Scheitern der Ampel-Regierung stehen jetzt auch der verbindliche Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen auf dem Spiel“, betonte Erika Krause-Schöne am Dienstag in Rostock.  

Der Gewaltschutz sei ein klarer „Schutzauftrag des Staates und darf nicht parteipolitischem Kalkül hinsichtlich des nächsten Wahlerfolgs unterliegen“, forderte sie. Für den Deutschen Frauenrat müssen die Zahlen „ein Weckruf an alle demokratischen Parteien sein“, um in Gewaltschutz und Gewaltprävention zu investieren. Nun sei der Bundestag gefragt „umgehend eine Lösung zu finden - ohne wahlkämpferisches Taktieren!“, so Vorstandsfrau Sylvia Haller.

Zum Recht auf Schutz und Prävention zählt laut Koalitionsvertrag auch eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern. Laut GdP fehlen in Deutschland immer noch mindestens 15.000 Plätze. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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