Inland

Häusliche Gewalt: Studie soll Licht ins Dunkelfeld bringen

Fast eine Viertelmillion Menschen wurde im Jahr 2022 in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt – ein Anstieg von 8,5 Prozent. Eine Studie soll nun Aufschluss darüber geben, wie viele Menschen insgesamt betroffen sein könnten.
von Jonas Jordan · 11. Juli 2023
Innenministerin Nancy Faeser (r.) stellt gemeinsam mit BKA-Chef Holger Münch und Familienministerin Lisa Paus den Lagebericht zu häuslicher Gewalt vor.
Innenministerin Nancy Faeser (r.) stellt gemeinsam mit BKA-Chef Holger Münch und Familienministerin Lisa Paus den Lagebericht zu häuslicher Gewalt vor.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstagmittag in der Bundespressekonferenz gemeinsam mit Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) und BKA-Präsident Holger Münch das aktuelle Lagebild „Häusliche Gewalt“ vorgestellt. Es zeigt mit Blick auf 2022 einen Anstieg der Opferzahlen von 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt waren fast 250.000 Menschen von häuslicher Gewalt betroffen. 71,1 Prozent der Betroffenen sind weiblich, 28,9 Prozent männlich. Bei Partnerschaftsgewalt sind es sogar mehr als 80 Prozent. Allerdings sind dies nur die offiziellen Zahlen. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Darin sind sich alle Beteiligten einig.

Deswegen sagt Nancy Faeser auch: „Wir geben heute den Startschuss für eine Dunkelbildbefragung zu Gewalt in Partnerschaften. Wir brauchen das umfassende Bild von Gewalt. Nur so können wir zielgerichtet helfen. Denn gute Prävention braucht immer gute Daten.“ Die großangelegte Studie mit dem Titel „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag“ soll diese Daten nun liefern. Sie wird vom Innenministerium, dem Familienministerium sowie dem Bundeskriminalamt verantwortet. Deutschlandweit sollen 22.000 Menschen befragt werden. Erste Ergebnisse sollen laut BKA-Chef Münch Anfang des Jahres 2025 vorliegen.

22.000 Menschen sollen befragt werden

Ein Schwerpunkt soll auf der Erhebung von Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen sowie Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt und digitaler Gewalt liegen. Zudem enthält die Studie Fragen zu Erfahrungen mit Polizei, Medizin, Gerichten und Opferhilfeeinrichtungen. Dafür sollen in den kommenden zwölf Monaten 15.000 zufällig und repräsentativ ausgewählte Menschen zwischen 16 und 85 Jahren in persönlichen Interviews befragt werden. Hinzu kommen weitere 7.000 Menschen, die mittels Online-Fragebogen befragt werden sollen. Es sollen Menschen jeden Geschlechts interviewt werden. Zudem soll ein besonderer Fokus auf der Auswahl von Menschen mit Migrationsgeschichte liegen, um auch für diese Personengruppe repräsentative Ergebnisse lieferen zu können.

„Wir schalten heute den Scheinwerfer an und wollen das Dunkelfeld aufhellen. Dafür führen wir diese umfangreiche Dunkelfeldstudie zu häuslicher Gewalt durch“, macht Innenministerin Faeser deutlich. Schon jetzt werde das „riesige Dunkelfeld“ allmählich etwas kleiner, was sich im Anstieg der Zahlen in der Statistik bemerkbar mache. Es werde mehr ermittelt. Zugleich mahnt die Innenministerin: „Gewalt gegen Frauen darf nicht als privates Schicksal abgetan werden. Es ist ein gravierendes Problem in allen Teilen und allen Schichten der Gesellschaft.“

Faeser mahnt Versäumnisse ihrer Vorgänger an

Faeser bezeichnet es als Fehler, dass ihre Vorgänger – allesamt männlich – in diesem Bereich zu wenig tätig gewesen seien und kündigt an, Frauen und Männer künftig mehr vor Gewalt schützen zu wollen. Gewalttäter müssten schon nach dem ersten Übergriff aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden. Insbesondere gegenüber Frauen müsse deutlich gemacht werden, dass sie nicht alleine seien. „Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir wirksam bekämpfen müssen“, sagt Faeser.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare