Inland

Wie Frauenrechte im Internet bedroht werden

Frauen erfahren häufig Hass und Gewalt im digitalen Raum, auch weil sich immer mehr Männer in Online-Foren radikalisieren. Diese Entwicklung wird seit langem unterschätzt. Eine neue EU-Verordnung könnte für Veränderung sorgen.

von Finn Lyko · 7. März 2024
Auch im digitalen Raum erfahren Frauen Hass und Gewalt.

Auch im digitalen Raum erfahren Frauen Hass und Gewalt.

Denkt man an Hashtag-Kampagnen wie #Aufschrei in Deutschland oder #MeToo in den USA und weltweit, scheint es verwunderlich, dass Frauenrechte im Internet an vielen Stellen bedroht werden. Denn in den 2010er-Jahren war es insbesondere der digitale Raum, in dem das gesellschaftliche Bewusstsein für Sexismus und patriarchale Strukturen in Deutschland gestärkt wurde, und in dem wichtige Aufklärung über sexualisierte Gewalt und über Diskriminierung von Frauen geleistet wurde.

In einem SPD-Webinar zu Frauenrechten in Europa betonte Feministin Anne Wizorek, dass derartige Hashtag-Kampagnen zu mehr medialer Berichterstattung und  mehr Recherche zu Fällen von sexualisierter Gewalt geführt haben. Das habe das gesellschaftliche Bewusstsein für derartige Themen gestärkt. Jedes öffentliche Äußern zu Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, auch online, sorge für weitere Aufklärung und Prävention, sagte Wizorek. Auch Austausch und Vernetzung von Betroffenen und Aktivist*innen untereinander seien durch das Internet wesentlich leichter geworden.

Radikalisierung im Netz

Austausch und Vernetzung wurden jedoch nicht nur für Feminist*innen erleichtert. Ob über Foren wie Reddit, durch „Männlichkeitsinfluencer“ wie Andrew Tate oder Politiker wie den AfD-Euorpaabgeordneten Maximilian Krah in den sozialen Medien – in der sogenannten „Mannosphäre“ werden frauenfeindliche Inhalte verbreitet. In den letzten Jahren ließ sich auch deshalb eine zunehmende Radikalisierung junger Männer im digitalen Raum verzeichnen.

Das kann Auswirkungen auf die Welt außerhalb des Internets haben: So gab beispielsweise der Attentäter des Anschlags in Halle 2019 Frauenfeindlichkeit als eines seiner Motive an, in Toronto kam es 2018 zu einem Anschlag, der vom Täter selbst als Beginn einer „Incel-Rebellion“ bezeichnet wurde. Dabei bezog er sich auf die Internet-Subkultur der sogenannten Incels, die vor allem für ihre frauenfeindliche und gewaltvolle Ideologie bekannt ist.

Doch auch Privatpersonen verüben digital immer mehr sexualisierte Gewalt an Frauen. Eine britische Studie aus dem Jahr 2018 kam zu dem Ergebnis, dass 40 Prozent der befragten Frauen im Alter von 18 bis 36 Jahren bereits ungefragt Penisbilder von Männern zugesandt bekommen haben. Nach deutschem Recht gilt das Versenden solcher Bilder als Verbreitung pornografischer Schriften, und ist somit strafbar.

Die Angst vor Angriffen ist groß

Virtuelle Gewalt würde weiterhin unterschätzt, meint Anna-Lena von Hodenberg, Gründerin der Organisation HateAid, im Interview mit arte. Oft würden eigentliche Straftaten unter dem Argument der Meinungsfreiheit nicht weiter beachtet – auch von Beamt*innen, die eigentlich für die Ahndung verantwortlich wären. Zudem seien viele Opfer ratlos über ihre Handlungsmöglichkeiten.

Die Konsequenzen der Gewalt gegen Frauen im Netz und der Ratlosigkeit darüber sind schwerwiegend, das zeigte bereits 2021 eine Studie von HateAid. Frauen würden sich vermehrt anonymer im Netz bewegen oder sich ganz daraus zurückziehen – 52 Prozent gaben an, aus Angst vor Hass im Netz seltener ihre Meinung online zu äußern. Darunter fallen nicht nur Opfer von digitalem Hass, sondern auch Frauen, die bisher nicht davon betroffen waren.

Frauen sollen sich im Internet sicher fühlen

Der im Februar dieses Jahres in Kraft getretene Digital Services Act, eine EU-Verordnung, soll hier ansetzen, indem er unter anderem Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen schafft. Konkret bedeutet das, dass alle Plattformen nun verpflichtet sind, dass Beiträge gemeldet werden können und dass große Online-Plattformen wie YouTube, Instagram oder Facebook ihre Algorithmen und andere interne Prozesse offenlegen müssen.

Durch diese Verordnung erhoffe man sich eine höhere Transparenz für Behörden und Zivilgesellschaft, wie auch eine deutliche Verbesserung der gesetzlichen Lage im Interesse (potenzieller) Opfer von Hass im Netz, sagt Anna-Lena von Hodenberg bei einer Pressekonferenz zum Thema Hass im Netz. Ein wichtiger Schritt, damit auch das Internet zu einem gleichberechtigten Ort werden kann.

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