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Häusliche Gewalt nimmt zu: Wie der Bund Frauen besser schützen will

Alle vier Minuten erfährt eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Die Bundesregierung will mehr tun, um Frauen vor solchen Übergriffen zu schützen. Einige Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, weitere sollen folgen. Ein Überblick.

 

von Vera Rosigkeit · 20. Juni 2024
Rote Bänke machen auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam

In vielen deutschen Städten stehen rote Bänke: Sie machen auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam und holen das Thema aus der Tabuzone.

Auf ihrer seit dem 19 Juni laufenden Konferenz befassen sich die Innenminister*innen der Länder unter anderem mit Maßnahmen, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen. Dabei geht es auch um die Überwachung durch elektronische Fußfesseln für Gewalttäter und Präventionskurse. Sie sind Teil einer Reihe von Instrumenten, die die Ampel-Regierung zum Schutz von Frauen vor Gewalt erwägt, um den Ansprüchen der Istanbul-Konvention gerecht zu werden. Was bereits umgesetzt ist – und was nicht.

Geschlechtsspezifische Gewalt: Was die Zahlen sagen

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt ist 2023 erneut gestiegen – von rund 222.000 im Jahr 2021 auf etwas mehr als 256.000 zum Ende des letzten Jahres. Mit knapp 181.000 (70,3 Prozent) Vorfällen sind vor allen Frauen betroffen, männliche Opfer zählten 75.000. Bei diesen Zahlen handelt es sich um Straftaten, die zur Anzeige gebracht wurden. 

„Alle vier Minuten wird eine Frau Opfer von Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Alle drei Tage stirbt eine Frau durch diese Gewalt“, veranschaulichte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Statistiken zu häuslicher Gewalt auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung Ende April in Berlin.

Was im Koalitionsvertrag steht

Die Ampel-Parteien haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Gleichstellung der Geschlechter in diesem Jahrzehnt zu erreichen. Dazu zählt eine ressortübergreifende Strategie gegen Gewalt, die unter anderem das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichert und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellt. 

Dunkelziffer soll erforscht werden

Um mehr über die Dunkelziffer zu erfahren, haben Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt im Juli vergangenen Jahres eine groß angelegte Studie in Auftrag gegeben. Die sogenannte Dunkelbildbefragung zu Gewalt in Partnerschaften soll umfassende Daten liefern.

Tarn-App soll Hilfe-Suche erweitern

Ebenfalls seit vergangenem Jahr fördert das Bundesinnenministerium die Entwicklung einer Tarn-App. „Wir wollen damit die Hemmschwelle für Betroffene weiter senken, sich Hilfe zu suchen“, erklärte Nancy Faeser dazu. Die App laufe „versteckt auf dem Handy“ und könne genutzt werden, um sich Beratung zu holen und sich über Hilfe-Möglichkeiten zu informieren. „Gewaltspuren können damit gerichtsverwertbar dokumentiert werden“, so Faeser.

Änderung in der Rechtsprechung

Im Oktober 2023 wurden die gesetzlichen Vorgaben zur Strafbemessung im Strafgesetzbuch um frauenfeindliche Beweggründe erweitert. Damit können frauenverachtende Motive zu höheren Strafen führen, da im Paragraph 46 Absatz 2 StGB auch „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive genannt werden.

Elektronische Fußfessel nicht ausgeschlossen

Mit der vollständigen Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat sich Deutschland verpflichtet, Frauen besser vor Gewalt zu schützen. In ihrer Rede zur Veranstaltung „Gewalt gegen Frauen geht uns alle an!“ bei der Friedrich-Ebert-Stiftung kündigte Faeser weitere Maßnahmen an. So wolle sie mit den Ländern über die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften diskutieren, weil ihrer Meinung nach Täter, die gegen Frauen gewalttätig werden, „häufig nicht hart genug bestraft werden“. 

Auch erwog sie den Einsatz von elektronischer Aufenthaltsüberwachung. „Würden die Täter zum Beispiel mit einer elektronischen Fußfessel überwacht, könnte die Polizei im Ernstfall schneller einschreiten und erneute Gewalt gegen Frauen besser verhindern“, so Faeser.

Umfassende Präventionsmaßnahmen

Da laut Faeser Täter nicht als Täter geboren werden, geht es für sie neben einem besseren Opferschutz und Veränderungen im strafrechtlichen Bereich auch um bessere Präventionsmaßnahmen. Dem Vorbild Österreichs folgend, sprach sich Faeser für verpflichtende Gewaltpräventionskurse für Täter aus. „Man arbeitet also mit ihnen daran, wie sie es schaffen können, nicht wieder gewalttätig zu werden.“ 

Zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zählt auch der Ausbau von Schutzeinrichtungen für Betroffene, weil es laut Faeser „immer zu wenige Plätze in Frauenhäusern gibt“.

Was die SPD dazu sagt

Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen Maria Noichl ist froh froh über den Vorstoß der Innenminister*innenkonferenz, „weil wir bei der Harmonisierung der Gewaltbekämpfung zwischen den Ländern leider nach wie vor hinterherhinken“. 

Auf europäischer Ebene sei die Anwendung elektronischer Fußfesseln bereits diskutiert worden, so Noichl. „Die elektronische Überwachung kann im Notfall Menschenleben retten und Frauen helfen, ein Sicherheitsgefühl zurückzuerlangen, das ihnen von einem Täter genommen wurde. Und ihnen damit am Ende auch helfen, ein selbstbestimmtes Leben zurückzuerlangen.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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