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Bundesverfassungsgericht: Warum der Solidaritätszuschlag bleiben darf

Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage von FDP-Politikern gegen den Solidaritätszuschlag ab. Es bestehe noch „Mehrbedarf“ des Bundes wegen der Wiedervereinigung, sagen die Richter*innen.

von Christian Rath · 26. März 2025
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden.

Der Solidaritätszuschlag, der noch von zehn Prozent der Steuerpflichtigen bezahlt wird, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das entschied das Bundesverfassungsgericht und lehnte die Verfassungsbeschwerden von sechs FDP-Abgeordneten ab. In einem Grundsatzurteil klärten die Richter*innen, welche Regeln künftig für derartige Ergänzungsabgaben gelten. 

Der Solidaritätszuschlag wurde 1995 eingeführt, um den besonderen Finanzbedarf des Bundes wegen der Wiedervereinigung zu finanzieren. Der Soli beträgt 5,5 Prozent der Einkommensteuerschuld (nicht des Einkommens). Seit 2021 gelten allerdings großzügige Freigrenzen, so dass 90 Prozent der Steuerpflichtigen den Soli nicht mehr bezahlen müssen. Nur wer pro Jahr mehr als rund 18.000 Euro Einkommensteuer bezahlt, muss dazu auch noch den Soli-Zuschlag berappen. 

Bund drohten Rückzahlungen von Milliarden

2020 erhoben sechs FDP-Bundestagsabgeordnete Verfassungsbeschwerde, unter ihnen der Ex-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und die Ex-Finanz-Staatssekretäre Florian Tomcar und Katja Hessel. Sie bemängelten, dass der Soli immer noch erhoben wird, obwohl es keinen Sonder-Bedarf mehr für den Aufbau Ost gebe. Hätte die Klage Erfolg gehabt, wären nicht nur jährliche Einnahmen in Höhe von rund 12 Milliarden Euro weggefallen, eventuell hätte der Bund auch 65 Milliarden Euro an reiche Steuerzahler zurückzahlen müssen. 

Doch das Bundesverfassungsgericht wies die Klage in vollem Umfang ab. Der „wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes“ sei noch nicht weggefallen. Ein Gutachten im Auftrag der Bundesregierung hatte den Mehrbedarf, insbesondere für die Ost-Renten und die strukturelle Arbeitslosigkeit, mit rund 13 Milliarden Euro beziffert. 

Der Soli sei auch nicht unverhältnismäßig hoch, so die Richter*innen. Und es verletze nicht den Gleichheitssatz, dass nur noch die gut verdienenden Steuerpflichtigen die Ergänzungsabgabe bezahlen, schließlich fordere das Sozialstaatsprinzip eine soziale Ausgestaltung des Steuerrechts.

Gesetzgeber muss jährliche Gutachten erstellen

Für die Zukunft stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass eine Ergänzungsabgabe nicht zeitlich befristet werden muss. Sie müsse aber dann beendet werden, wenn der spezielle finanzielle Mehrbedarf evident nicht mehr besteht. Der Gesetzgeber muss künftig also nicht nur einen Grund für die Ergänzungsabgabe nennen, sondern auch regelmäßig beobachten, ob der Mehrbedarf weggefallen ist, etwa indem jährliche Gutachten erstellt werden.

Wenn der Mehrbedarf wegen der Wiedervereinigung weggefallen ist, kann der Bund nicht einfach einen anderen Mehrbedarf als Grund angeben, etwa den Ukraine-Krieg. Hierfür müsste der Bundestag dann ein neues Soli-Gesetz beschließen, wobei eine einfache Mehrheit genügt. 

Ergänzungsabgaben haben für den Bund zwei Vorteile gegenüber einer Erhöhung der Einkommenssteuer: Zum einen fließt das Steueraufkommen ausschließlich dem Bund zu (und nicht auch den Bundesländern). Außerdem hat der Bundesrat bei der Einführung von Ergänzungsabgaben kein Vetorecht. Die (einst von den Grünen nomminierte) Verfassungsrichterin Astrid Wallrabenstein schrieb ein Sondervotum und kritisierte das Urteil ihrer Kollegen. Das Bundesverfassungsgericht hätte auf die rechtliche Kontrolle von Ergänzungsabgaben wie den Soli verzichten und die Kontrolle in dieser Frage ganz den Wähler*innen überlassen sollen. Sie befürchtet, dass der Bundestag aus Angst vor Karlsruhe nun keine Ergänzungsabgaben mehr beschließen wird.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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