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Tätowiererin übersticht Nazi-Tattoos: Schöner Leben ohne Hakenkreuz

Als Jugendsünde gestochen, können Tattoos mit Nazi-Motiven einen lange verfolgen. Sie mit einem Cover-Up zu überdecken ist teuer. Tätowiererin Lisa Meurer bietet sie gratis an – aus gutem Grund.

von Jonas Jordan · 4. Juli 2025
Tattoo einer Eule, mit dem ein Adler mit Hakenkreuz überdeckt wurde

Diese Eule war mal ein Adler mit Hakenkreuz: Tätowiererin Lisa Meurer übersticht kostenlos Neonazi-Tattoos.

Sommer, Sonne, Freibadwetter, einfach mal auf der Wiese liegen und das Leben genießen – für die meisten Menschen ist das eine Selbstverständlichkeit. Für Neonazi-Aussteiger, auf deren Körper verfassungsfeindliche Symbole von ihrem früheren Leben zeugen, ist das deutlich schwieriger. Abhilfe schafft daher Lisa Meurer aus Siegen. 

Seit Januar 2024 bietet die Tätowiererin gemeinsam mit ihrem Partner Luke Wrigley in ihrem Studio kostenlos ein Mal im Monat sogenannte Cover-Ups an. So wird dann beispielsweise aus einem Reichsadler eine Eule oder aus einem Hakenkreuz ein Heißluftballon. Die Idee dazu kam den beiden im Zuge der großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus nach den Correctiv-Enthüllungen um die Abschiebepläne der AfD. „Wir sind keine Demogänger, wollten aber etwas tun“, sagt Meurer im Gespräch mit dem „vorwärts“. 

Von der Resonanz waren die beiden selbst überrascht. Zunächst bewarben sie die Aktion nur auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen. Doch mit jeder weiteren Berichterstattung nahmen die Anfrage zu. Inzwischen kommen die Kunden aus ganz Deutschland. Die Warteliste ist lang, der nächste freie Termin im April 2026. Auch weil die Cover-Ups so aufwendig sind. „Es ist meistens eine Tagessitzung, weil die Tattoos recht groß und dunkel sind. Viele Kunden haben auch nicht nur ein Tattoo, sodass es mehrere Sitzungen braucht. Das ist für uns jedes Mal ein Ausfall von 600 Euro pro Tagessitzung. Dementsprechend können wir uns mehr darüber hinaus gar nicht leisten“, sagt die Tätowiererin.

Gratis Cover-Ups für Nazi-Tattoos: Einziges Studio in Deutschland  

Aktuell ist das „On The Rocks“ in Siegen das deutschlandweit einzige Studio, das kostenlose Cover-Ups für Neonazi-Aussteiger anbietet. Immerhin: Das Unternehmen Cheyenne, das Tattoo-Equipment vertreibt, versorgt Meurer und Wrigley kostenlos mit den notwendigen Materialien für die Cover-Ups. Von ihren Kundinnen und Kunden erhalten die beiden darüber hinaus jede Menge Dankbarkeit. „Viele sind wie neugeboren. Es sind schon unendlich viele Tränen der Dankbarkeit gekullert“, erzählt Meurer.

Für viele beginne nach den erfolgreichen Überdeckungssitzungen ein neues Leben. „Ein Kunde hatte einen Reichsadler mit Hakenkreuz auf dem Bein tätowiert. Er musste sich auf der Arbeit immer heimlich umziehen. Jetzt muss er sich nicht mehr verstecken und kann endlich wieder mit seinen Kindern schwimmen gehen“, berichtet die Tätowiererin und fügt an: „Wir hätten niemals damit gerechnet, dass wir so viel positive Resonanz erfahren. Wir dachten, es kommen zwei, drei Leute, aber die Anfragen hören nicht auf.“

Weitere Informationen gibt es unter on-the-rocks-tattoo.de

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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