Nach Anfrage der Union: Warum Initiativen gegen rechts auf die SPD hoffen
Die Anfrage zur Finanzierung zivilgesellschaftlicher NGOs hat CDU und CSU massive Kritik eingebracht. Betroffene Initiativen rufen dazu auf, den Schutz der Zivilgesellschaft im Koalitionsvertrag von Union und SPD festzuschreiben. Die SPD hat bereits reagiert.
imago/Martin Müller
Mit 551 Fragen an die Bundesregierung wollte die Bundestagsfraktion von CDU und CSU offenbar Druck auf Nichtregierungsorganisationen ausüben, die während der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes zu Demonstrationen aufgerufen hatten: nicht nur gegen den Rechtsruck im Land, sondern auch gegen den Kurs der Konservativen in der Migrationspolitik.
Geistige Nähe zur AfD
„Dies wirft die Frage auf, inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden“, heißt es in der parlamentarischen Anfrage unter der Überschrift „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“. CDU und CSU wollten etwa wissen, ob jene Vereine und Organisationen von staatlichen Stellen unterstützt werden.
All dies verstanden viele als Kampfansage in geistiger Nähe zur AfD. Auch, weil sich die Union auf das verschwörungsideologische Narrativ eines „Deep State“ bezog: Damit sind fremdgesteuerte Strukturen gemeint, die sich staatlicher Kontrollen entziehen.
Die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ist nun anders ausgefallen, als viele in der Union gehofft haben dürften. „Der freiheitlich demokratische Verfassungsstaat lebt von zivilgesellschaftlichem Engagement für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben“, heißt es in dem Schreiben der Bundesregierung. Auch der Staat habe die Aufgabe, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. „Hierzu zählt auch die aktive und passive Förderung bürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements.“ Über diese Frage habe es immer einen parteiübergreifenden Konsens gegeben.
Zudem garantiere das Grundgesetz ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Dies gelte auch für Vereine und Organisationen. „Die Bundesregierung ist nicht befugt, Zuwendungsempfängern in Hinblick auf die Veranstaltung von Demonstrationen Vorgaben zu machen“, heißt es weiter. Was Fördersummen angeht, verweist das federführende Bundesfinanzministerium unter anderem auf das Lobbyregister des Bundestages. Mit anderen Worten: Die Anfrage lief ins Leere.
„Was für eine Klatsche für Friedrich Merz und seine CDU/CSU.“
Insgesamt 17 Organisationen standen im Fokus der Anfrage. Darunter sind das Kampagennetzwerk Campact, die Initiative „Omas gegen rechts“ und das Recherchenetzwerk Correctiv. Diese reagierten mit Genugtuung auf die Antwort des Bundes. „Was für eine Klatsche für Friedrich Merz und seine CDU/CSU“, sagte Campact-Chef Felix Kolb. Die Bundesregierung habe der Unionsfraktion Nachhilfe in Demokratie erteilt und klargemacht, dass Demokratie von Zivilgesellschaft lebe und es Aufgabe des Staates sei, Engagement zu fördern.
Die Union könne die Blamage nicht einfach ignorieren, so Kolb. „Wir fordern die Konservativen auf, ihre Grabenkämpfe zu beenden und sich auf die Grundfeste der Demokratie zu besinnen. Das heißt: Im Koalitionsvertrag erwarten wir ein klares Bekenntnis zur Zivilgesellschaft sowie finanzielle und rechtliche Absicherung von Engagement.“ Einen entsprechenden Online-Appell haben rund 475.500 Menschen unterschrieben. Dieser Tage wurde das Protestschreiben an SPD-Generalsekretär Matthias Miersch übergeben.
„Die SPD kann jetzt beweisen, dass sie der Zivilgesellschaft in den Verhandlungen mit der Union den Rücken stärkt“, heißt es in einem gemeinsamen Statement von Campact, foodwatch und der Amadeu Antonio Stiftung. „Sie muss sich dafür einsetzen, dass Demokratie-Arbeit im Bundesprogramm ,Demokratie leben‘ langfristig finanziell abgesichert wird.“ Außerdem müsse die neue Koalition Demokratieförderung und die Förderung von Grund- und Menschenrechten endlich als gemeinnützig anerkennen und Unsicherheiten im Gemeinnützigkeitsrecht beseitigen – „damit Organisationen vor rechten Angriffen geschützt werden“.
„Eine starke Zivilgesellschaft ist das Rückgrat einer lebendigen Demokratie.“
Miersch sicherte zu, das in dem Appell formulierte Anliegen zu unterstützen. „Eine starke Zivilgesellschaft ist das Rückgrat einer lebendigen Demokratie“, ließ er im Anschluss verlauten. „Initiativen und Organisationen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, verdienen unsere Anerkennung und Unterstützung – und nicht Misstrauen oder politische Gängelung.“
Das Schreiben zeige deutlich, „wie wichtig es ist, die Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement zu schützen und zu stärken“. Neutralität dürfe nicht missverstanden werden als Neutralisierung von Haltung. „Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen brauchen wir eine mutige, engagierte und vielfältige Zivilgesellschaft“, so Miersch. „Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein.“
Im Sondierungspapier von Union und SPD ist zu dem Thema nichts zu finden. An einer Stelle heißt es lediglich: „Wir wollen unsere Demokratie stärken und schützen.“ Das würden wohl auch jene 17 Organisationen unterschreiben, die das Missfallen von CDU und CSU erregt hatten.