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Sicherheitspaket der Bundesregierung: „Ich nehme die Kritik sehr ernst.“

In der SPD wächst die Kritik am Sicherheitspaket, das die Bundesregierung nach dem Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht hat. Im Interview kündigt Fraktionsvize Dirk Wiese an, einzelne Punkte nochmal unter die Lupe zu nehmen. Ziel sei ein Beschluss der Maßnahmen im Oktober.

von Kai Doering · 30. September 2024
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese: „Niemand von uns stellt das individuelle Recht auf Asyl infrage.“

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese: „Niemand von uns stellt das individuelle Recht auf Asyl infrage.“

Ursprünglich sollte das Sicherheitspaket der Bundesregierung in der vergangenen Woche vom Bundestag beschlossen werden. Warum verzögert sich das?

Der ursprüngliche Plan sah vor, dass man den Bundesrat noch im September erreicht. Die Länder müssen vielen Maßnahmen ja auch zustimmen. Aber letztlich war es uns als SPD-Bundestagsfraktion wichtig, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht und wir insbesondere auch die kritischen Stimmen ernst nehmen. Deshalb haben wir gesagt, dass es gut ist, sich die notwendige Zeit zu nehmen. Unser Ziel ist nun, dass der Bundesrat am 18. Oktober über das Sicherheitspaket entscheiden kann. Bis dahin haben wir jetzt noch ausreichend Zeit, die geäußerte Kritik aufzunehmen, um dann am Ende ein wirksames und erforderliches Sicherheitspaket auf den Weg zu bringen.

Am vergangenen Montag hat die Expert*innenanhörung im Bundestag stattgefunden. Was waren die Haupt-Kritikpunkte?

In der Anhörung haben vor allem zwei wesentliche Punkte eine Rolle gespielt. Das eine war nochmal die Frage der Befugniserweiterung der Sicherheitsbehörden, etwa die Bilderkennung im Internet, die den Behörden die Möglichkeit gibt, auch Identitätsaufklärungen durch eine Bildrecherche im Internet machen zu können, in öffentlich zugänglichen Quellen. Ein Beispiel: Jemand postet bei Facebook oder Instagram ein Bild von sich. Warum sollen unsere Dienste hier nicht suchen dürfen? Generell gab es von den Experten aber wichtige Hinweise, insbesondere zur Vereinbarkeit mit der KI-Verordnung. Darüber hinaus gab es in der Anhörung Kritik an dem sogenannten Leistungsausschluss für eine begrenzte Anzahl von Dublin-Fällen. Diese Bedenken nehmen wir sehr ernst und schauen uns das jetzt nochmal in Ruhe an.

In der vergangenen Woche haben SPD-Mitglieder einen offenen Brief an Partei, Fraktion und Bundesregierung veröffentlicht, in dem sie ihnen vorwerfen, mit dem Sicherheitspaket „die Sprache der Rechten zu übernehmen“. Können Sie die Kritik nachvollziehen

Auch diesen Brief und die darin geäußerte Kritik nehme ich sehr ernst. Dennoch muss ich sagen, dass die SPD-Bundestagsfraktion ein klares Prinzip in dieser Legislaturperiode hat, was ich unter die beiden Stichworte Humanität und Ordnung fasse. Niemand von uns stellt das individuelle Recht auf Asyl infrage und wir wissen wie wichtig eine geordnete Zuwanderung für den Wirtschaft- und Industriestandort ist. Es war übrigens die SPD-Bundestagsfraktion, die dafür gesorgt hat, dass wir ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht mit einer doppelten Staatsbürgerschaft bekommen, dass wir ein modernes Fachkräfte- und Einwanderungsgesetz bekommen, das Fachkräftezuwanderung und Arbeitskräftezuwanderung klar strukturiert und regelt, und dass wir auch mit dem Chancenaufenthaltsrecht und der erleichterten Arbeitsaufnahme für geflüchtete Menschen wichtige Punkte gesetzt haben. Dies sollte man auch einmal anerkennen. Zum anderen stehen wir für die klare Durchsetzung geltenden Rechts. In vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürger, Bürgermeistern und Landräten unserer Partei, wird diese klare Haltung und die Vorgehensweise ausdrücklich begrüßt. 

Konkret kritisiert werden etwa die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Kürzung der Sozialleistungen unter das Existenzminimum und die Hinderung an der Einreise. Beides  „entmenschliche“ Asylsuchende.

Auch das nehme ich ernst. Dennoch sage ich auch klar, dass wir gegenüber denen, die nach Deutschland kommen und am Ende keinen Schutzanspruch haben, die womöglich auch hier Straftaten begehen, eine klare Haltung zeigen und auch den Rechtsstaat durchsetzen müssen. Das ist nicht nur eine klare Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger, sondern insbesondere auch der sozialdemokratischen Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte.

Aber wie erhöhen solche Maßnahmen die Sicherheit in Deutschland?

Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht, als hätte das alles nichts mit dem Thema Sicherheit zu tun. Der Fall Solingen hat aber gezeigt, dass hier jemand bewaffnet zur Tat schreiten könnte, der eigentlich nach den Dublin-Regeln nicht mehr hätte in Deutschland sein sollen. Und darum ist es auch richtig, hinzuschauen, was bei den Dublin-Regeln anders gehandhabt werden kann, damit das geltende Recht auch dort besser durchgesetzt wird. Die geplanten Maßnahmen, insbesondere zur verbesserten Identitätsklärung, können das leisten. Ebenso die Verschärfungen im Waffenrecht, um die generelle Zunahme der Straftaten bei denen ein Messer zum Einsatz kommt, in den Griff zu bekommen.

Den offenen Brief haben auch einige Ihrer Bundestagskolleg*innen unterzeichnet. Wie wird das Sicherheitspaket in der SPD-Fraktion diskutiert?

Natürlich diskutieren wir auch in der SPD-Bundestagsfraktion über die unterschiedlichen Punkte, gerade auch im Lichte der Anhörung am Montag. Selbstverständlich melden sich auch bei uns in der Fraktion kritische Stimmen zu Wort um darauf hinweisen, wo man nacharbeiten sollte. Zum Beispiel haben die Kolleginnen und Kollegen im Digitalausschuss wertvolle Hinweise im Hinblick auf die KI-Verordnung gegeben. Dennoch gibt es auch eine große Zustimmung in der Fraktion zum Gesamtpaket, gerade was die Fragen des Waffenrechts anbelangt und welche Befugnisse die Dienste im 21. Jahrhundert haben müssen. Diese Diskussionen in der Fraktion sind vollkommen normal und auch wichtig.

Sie gehen aber davon aus, dass das Sicherheitspaket im Oktober beschlossen wird?

Ja, ich denke, dass am Ende eine große Anzahl an Kolleginnen und Kollegen dem Paket zustimmen wird. Wir haben das klare Ziel, dass das Sicherheitspaket im Oktober im Bundestag verabschiedet wird. Aber nochmal, die fachliche Kritik daran nehmen wir sehr ernst und im Zweifel gilt das Struck'sche Gesetz, dass kein Gesetz den Deutschen Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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