Fachkräftegesetz: Regierung beschließt drei Wege nach Deutschland
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„Fortschritt braucht Fachkräfte“ – dieser Satz war bei Hubertus Heil und Nancy Faeser am Mittwochmittag zentral. Sowohl der Arbeitsminister als auch die Innenministerin formulierten diese Drei-Wort-Botschaft in einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Dieses hatte die Bundesregierung zuvor in ihrer Kabinettssitzung beschlossen. Das Gesetz sieht drei Wege zur Fachkräfteeinwanderung vor, durch die etwa 75.000 Menschen aus dem außereuropäischen Ausland nach Deutschland kommen sollen, um hier entstehende beziehungsweise bereits vorhandene Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu schließen.
„Ich bin froh und ein bisschen stolz, dass diese Fortschrittskoalition ein modernes Einwanderungsrecht schaffen wird“, kommentierte Arbeitsminister Heil (SPD) die Entscheidung. Auch Innenministerin Faeser (SPD) sagte: „Heute ist ein sehr guter Tag für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für ein modernes und vielfältiges Land.“ Derzeit sind in Deutschland 46 Millionen Menschen in Beschäftigung – so viele wie noch nie. Allerdings gibt es auch zwei Millionen offene Stellen, ebenfalls ein Rekordwert. Deswegen sagte Faeser: „Wir sorgen für die nötigen Grundlage, um Fachkräfte ins Land zu holen, die die Wirtschaft dringend braucht.“
Weg 1: Qualifikation
Schon heute eröffnet ein in Deutschland erworbener oder anerkannter Abschluss die Möglichkeit, als Fachkraft nach Deutschland zu kommen, etwa über die EU-weit gültige Blaue Karte für Akademiker*innen aus Drittstaaten oder über die nationale Aufenthaltserlaubnis. Neu ist: Wer einen solchen Abschluss hat, kann künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Auch soll über die Blaue Karte künftig die Zuwanderung für diejenigen möglich sein, die über einen Meister-Abschluss verfügen, sagte Faeser. Zudem sollen bislang geltende Gehaltsschwellen abgesenkt werden.
Weg 2: Berufserfahrung
Der zweite Weg fokussiert auf Berufserfahrung. Damit wird Arbeitskräften die Einwanderung ermöglicht, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss haben. Künftig muss der Berufsabschluss nicht mehr zwingend in Deutschland anerkannt werden. Dadurch erhofft sich die Bundesregierung weniger Bürokratie und kürzere Verfahren, wie Faeser erklärte. Allerdings ist dies mit einer „angemessenen Gehaltsschwelle“ verbunden. Wer diese nicht erreicht, muss weiter seinen Berufsabschluss zunächst in Deutschland anerkennen lassen. Ausnahme: die Möglichkeit einer sogenannten Anerkennungspartnerschaft, zu der sich Fachkräfte und Arbeitgeber gemeinsam verpflichten.
Weg 3: Potenzial
Der dritte Weg hat das Potenzial der Menschen im Blick. Neu eingeführt wird ähnlich wie in Kanada eine Chancenkarte zur Arbeitssuche, die auf einem Punktesystem basiert. Qualifikationen, Sprachkenntnisse in deutsch und englisch, das Alter, der Deutschland-Bezug sowie das Potenzial der (Ehe)-Partner*innen zählen dabei zu den Auswahlkriterien.
Mit der Chancenkarte soll die Suche nach einem Arbeitsplatz deutlich erleichtert werden. Die betroffenen Personen erhalten die Möglichkeit, zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Dafür haben sie ein Jahr lang Zeit. Während dieses Zeitraums ist eine Beschäftigung im Umfang von bis zu 20 Stunden pro Woche erlaubt. „Mit unserem neuen Einwanderungsgesetz machen wir Deutschland attraktiv für die klugen Köpfe aus aller Welt“, kommentierte Faeser.
Weitere Reaktionen
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD): „Das Gesetz ist ein Meilenstein, der auch die Entwicklungspolitik voranbringt. Wir wollen sichere, geordnete und reguläre Migration ermöglichen, von der alle profitieren. Viele Entwicklungsländer stehen vor der Herausforderung, Jobs für ihre junge Bevölkerung zu schaffen. In Deutschland sorgt der demografische Wandel dafür, dass wir in vielen Bereichen dringend zusätzliche Fachkräfte benötigen. Hier können wir Win-Win-Situationen organisieren, indem wir die Ausbildung von Fachkräften in unseren Partnerländern voranbringen – sowohl für den dortigen Bedarf als auch für unseren.“
Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Ein modernes Einwanderungsland wie Deutschland braucht endlich ein modernes Einwanderungsrecht. Nur so können wir dem Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenwirken und unseren Wohlstand sichern. Ich begrüße sehr, dass das Kabinett dafür heute die Weichen gestellt hat.“
Martin Rosemann, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „In Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel ist es wichtig, dass wir neben den inländischen Potenzialen auch die ausländischen Potenziale nutzen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein wichtiger Baustein dafür, Deutschland als Einwanderungsland attraktiver zu machen.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo