Inland

Quick Freeze statt Vorratsdatenspeicherung: Was das bedeutet

Statt Vorratsdatenspeicherung: Die Ampel-Koalition will zur Strafverfolgung das Quick-Freeze-Verfahren einführen. Darauf hat sich die Bundesregierung geeinigt.

von Christian Rath · 10. April 2024
Künftig sollen Daten „eingefroren“ und nur nach Straftaten verwendet werden.

Künftig sollen Daten „eingefroren“ und nur nach Straftaten verwendet werden.

Die Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahrzehnten ein zentrales Streitthema der deutschen Innen- und Rechtspolitik. Als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet man die anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung. Telefonfirmen müssen dabei festhalten, wer wann wen angerufen oder angesimst hat. Internetprovider müssen speichern, wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet einloggte. Bei Mobiltelefonen wird auch der Standort registriert. Inhalte werden zwar nicht erfasst. Dennoch entstünde so ein riesiger Datenfundus, auf den die Polizei bei Bedarf zugreifen könnte.

Vorratsdatenspeicherung wird nicht gestrichen

2007 wurde die Vorratsdatenspeicherung von der damaligen Großen Koalition zum ersten Mal eingeführt, dann aber 2010 vom Bundesverfassungsgericht wegen unzureichendem Schutz der gespeicherten Daten gekippt. 2015 führte die nächste Große Koalition die Vorratsdatenspeicherung wieder ein. Aufgrund rechtlicher Bedenken wurde sie aber nie praktiziert. Im September 2022 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das deutsche Gesetz gegen EU-Recht zum Datenschutz verstößt.

Die Vorrratsdatenspeicherung steht immer noch im Gesetzblatt, in den Paragrafen 175 bis 181 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Das Justizministerium wollte sie eigentlich streichen, doch die Bundesregierung beschloss nun, die Paragrafen nicht zu entfernen. Da die Normen aber nach dem EuGH-Urteil gar nicht angewandt werden dürfen, hat dies wohl nur symbolische Bedeutung, quasi als Trost für Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Künftig: Nach Straftaten Daten auftauen

Faeser setzt sich seit dem EuGH-Urteil dafür ein, die Vorratsdatenspeicherung in reduziertem Umfang neu zu beschließen. Nur die IP-Adressen sollten auf Vorrat gespeichert werden, um damit Kinderpornographie aufzuklären. Der EuGH hat eine derart reduzierte Vorratsdatenspeicherung für zulässig erklärt, sie widerspricht aber dem Koalitionsvertrag des Ampel-Bündnisses, weshalb Justizminister Buschmann jede Diskussion über eine IP-Adressen-Speicherung ablehnte. Die noch bestehenden Regelungen im TKG können auch nicht genutzt werden, um ohne Beteiligung des Gesetzgebers, also des Bundestags, eine IP-Adressen-Speicherung einzuführen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat im August 2023 entschieden, dass die TKG-Regeln nicht in diesem Sinne ausgelegt werden können.

Stattdessen soll nun das Quick-Freeze-Verfahren in der Strafprozessordnung eingeführt werden. Hier werden Daten nicht auf Vorrat gespeichert, sondern erst wenn ein Verbrechen geschehen ist. Justizminister Buschmann hat bereits im Oktober 2022 einen Gesetzentwurf zur Regelung des Quick Freeze-Verfahrens vorgelegt. Laut Gesetzentwurf dürfen alle Verbindungsdaten gespeichert werden, die für die Ermittlungen noch „von Bedeutung“ sein könnten. So können Daten von Dutzenden, aber auch von Tausenden Personen erfasst werden. Später dürfen aber nur solche Daten „aufgetaut“, also von der Polizei verwendet werden, die zu konkret Verdächtigen gehören. Alle übrigen Daten müssen ungenutzt wieder gelöscht werden. Buschmanns Gesetzentwurf soll nun mit leichten redaktionellen Anpassungen den Bundesländern und den Verbänden übersandt werden, damit diese Stellung nehmen können. 

Wiese: Details im parlamentarischen Verfahren klären

FDP und Grüne begrüßten umgehend die Einigung der Bundesregierung. Auch der Deutsche Anwaltverein und eco, der Verband der Internetwirtschaft, zeigten sich erfreut. Für die SPD erklärte Fraktions-Vize Dirk Wiese: „Im parlamentarischen Verfahren werden wir nun intensiv beraten, wie die Quick-Freeze-Methode den Anforderungen einer effizienten Strafverfolgung im Internet gerecht wird.“ Noch vor wenigen Tagen hatte Wiese im Handelsblatt die sofortige Einführung der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen gefordert. Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte, Quick Freeze sei als Ermittlungswerkzeug völlig unzureichend. Damit könnten nur Daten gespeichert werden, die noch vorhanden sind. Was lange im Vorfeld einer Tat passierte, lasse sich so nicht rekonstruieren. So lasse sich in der Regel auch nicht aufklären, wer kinderpornografische Aufnahmen angeboten oder abgerufen hat.

Weitere interessante Rubriken entdecken

1 Kommentar