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Vorratsdatenspeicherung: Wie es aus Sicht der SPD weitergehen könnte

Über die Vorratsdatenspeicherung wird seit Jahren gestritten – zuletzt entschied der Europäische Gerichtshof klar dagegen. Doch wie geht's weiter? Die SPD diskutiert Alternativen, Bundesinnenministerin Faeser will Spielräume nutzen. Unser FAQ
von Benedikt Dittrich · 6. Oktober 2022
Mit der Vorratsdatenspeicherung steht die Anonymität im Internet auf dem Spiel.
Mit der Vorratsdatenspeicherung steht die Anonymität im Internet auf dem Spiel.

Vorratsdatenspeicherung – was ist das eigentlich?

Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es darum, Daten auf Vorrat zu speichern, wie der Name es schon verrät. Konkret sollen Unternehmen, die Kommunikationsdienste anbieten, also beispielsweise Telefonanbieter, alle anfallenden Verbindungsdaten speichern. Das können Telefonnummern, Internetadressen und vieles mehr sein, inklusive aller Daten, die digital mitgesendet werden: IP-Adressen, Software- und Hardwareinformationen, bei mobilen Geräten auch Standortdaten und ähnliches. Wichtig: Kommunikationsinhalte, also beispielsweise Chatverläufe, verschickte Dateien, Sprachnachrichten oder ähnliches gehören nicht dazu.

Wofür soll das gut sein?

Die gesammelten Daten sollen vor allem der Strafverfolgung dienen. Das ist jedenfalls die Begründung der Befürworter*innen – darunter Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschützer*innen. Auch aus dem Innenministerium wird immer wieder betont, dass es eine Möglichkeit geben muss, solche Verbindungsdaten länger zu speichern, um Straftaten besser verfolgen zu können.

Um was für Straftaten geht es?

Trotz der Anonymität im Internet sollen kriminelle Netzwerke und Täter*innen so besser ausfindig gemacht werden. Oft geht es in der Diskussion um Kinderpornographie oder die Abwehr von Terrorismus, aber auch volksverhetzende Äußerungen, Aufrufe zur Gewalt spielen eine Rolle. Wo die Grenze ist, ist auch Teil der Debatte.

Und was sagen die Gegner*innen der Vorratsdatenspeicherung?

Vor allem, dass eine Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig ist, zu stark in die Persönlichkeitsrechte eingreift und alle Menschen pauschal unter Generalverdacht stellt. Denn gesammelt werden ja auch Daten von vielen unschuldigen, unverdächtigen Personen, wenn es eine „anlasslose“ Speicherung ist. Außerdem pochen Datenschützer*innen und Journalist*innen auf Anonymität im Netz, um beispielsweise Informant*innen besser schützen zu können.

Der Hauptkritikpunkt, den auch Gerichte immer wieder aufgreifen, ist das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“: Jede*r Bürger*in, soll selbst darüber entscheiden können, was er oder sie über sich preisgibt und wer diese Daten verwenden darf. Es geht um das Grundrecht auf Privatsphäre.

Und was gilt jetzt in Deutschland?

Die Vorratsdatenspeicherung ist – so wie sie in Deutschland in der Vergangenheit geplant wurde – immer wieder vor Gerichten für nichtig erklärt worden, zuletzt im September vor dem europäischen Gerichtshof. Sie wird als unverhältnismäßig bewertet und als Verstoß gegen EU-Recht. Die Vorratsdatenspeicherung war allerdings auch schon vor einigen Jahren ausgesetzt worden, eben weil dieses Gerichtsurteil abgewartet wurde.

Und wie steht die SPD dazu?

Das Urteil wird von der SPD und auch explizit von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßt, da es aus ihrer Sicht Klarheit schafft. Eine Ausnahme will sie aber weiterhin nutzen, die das Gericht auch explizit erwähnt hat: IP-Adressen, mit der sich Computer ins Internet einwählen, können auch weiterhin erfasst und gespeichert werden, um Strafverfolgung zu ermöglichen. Ob diese Ausnahme in ein Gesetz gegossen wird, darüber streitet sie mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der die Vorratsdatenspeicherung eigentlich ganz abschaffen will.

Welche Alternativen werden zur Vorratsdatenspeicherung diskutiert?

Aus dem Justizministerium kommt als Vorschlag das „Quick Freeze“, bei dem Behörden bei einem begründeten Verdacht verlangen können, dass Daten nicht gelöscht, sondern eben „eingefroren“ werden. Ein Vorgehen, dem Faeser kritisch gegenübersteht: „Wenn die Daten weg sind, kann ich auch nichts mehr einfrieren“, sagte sie gegenüber dem Deutschlandfunk im September. Die Idee hat aber auch Befürworter*innen in der SPD-Bundestagsfraktion.

Als Alternative wird außerdem die „Login-Falle“ als gangbare Lösung gesehen, die auch Fraktion und das Forum demokratische Linke in der SPD unterstützt. Die Idee kommt vom Verein „D64“, im Koalitionsvertrag der Ampel wurde sie als rechtssichere Möglichkeit aufgegriffen, um Täter*innen zu identifizieren.

Und die funktioniert so: Wird in Sozialen Medien etwas veröffentlicht, das einen Straftatbestand erfüllen könnte, kann dies von anderen Nutzer*innen angezeigt werden. Die Anzeige geht dann an die Polizei, die den Fall prüft. Besteht ein Anfangsverdacht, kann die „Login-Falle“ aktiviert werden: Wird die zu dem Zeitpunkt noch anonyme Person dann erneut im Sozialen Netzwerk aktiv, wird der Polizei die IP-Adresse übermittelt – die Grundlage für weitere Ermittlungen.

Noch gibt es dieses Instrument nicht, die SPD-Bundestagsfraktion möchte es aber einführen. Am Tag nach dem EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung hatten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese und Detlef Müller außerdem angekündigt: „Wir werden, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, schnell einen Gesetzesvorschlag vorlegen, der das rechtssichere und anlassbezogene Speichern von Verkehrsdaten nach richterlichem Beschluss ermöglicht und gleichzeitig rechtliche Möglichkeiten nutzen, um schwere und schwerste Straftaten konsequent zu verfolgen.“

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