Olaf Lies: Im zweiten Anlauf in die Staatskanzlei von Niedersachsen
Zwölf Jahre war Olaf Lies Minister im Kabinett von Stephan Weil in Niedersachsen. Nun soll er dessen Nachfolger werden – und das gleich doppelt. Bei zwei Parteitagen der Landes-SPD werden dafür die Weichen gestellt.
IMAGO/Bernhard Herrmann
Niedersachens Wirtschaftsminister Olaf Lies im vergangenen Jahr auf der Messe IAA Transportation in Hannover.
Als Olaf Lies im November 2022 niedersächsischer Wirtschaftsminister wurde, kam der Bart ab. Zuvor, als Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, hatte ein Vollbart das Gesicht des heute 58-Jährigen geziert. Ende Mai steht nun wieder eine Veränderung an, doch der Bart – egal in welcher Form – soll nicht zurückkehren. „Als Ministerpräsident werde ich mir keinen Schnauzer stehen lassen“, versichert Lies. Dass der Vollbart damals mit dem Wechsel ins Wirtschaftsministerium weichen musste, sei ohnehin Zufall gewesen.
Olaf Lies kehrt zurück an die Parteispitze
Nach 17 Jahren im Landtag, davon zwölf als Minister, soll Lies nun der neue starke Mann der SPD in Niedersachsen werden. Nachdem Parteichef und Ministerpräsident Stephan Weil am 1. April seinen Rückzug angekündigt hat, soll Lies am 16. Mai von einem Sonderparteitag zum Ministerpräsidentenkandidaten gekürt und in der Woche danach im Landtag ins Amt gewählt werden.
Auf einem regulären Parteitag am 24. Mai soll er dann auch Landesvorsitzender werden – ein Amt das er zwischen 2010 und 2012 schon einmal ausgeübt hat. Und auf das er zugunsten Weils verzichtete hatte. Damals, im Frühjahr 2012, unterlag Lies Weil knapp bei einer Mitgliederabstimmung über die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl und zog auch innparteilich die Konsequenzen. Doch statt sich enttäuscht zurückzuziehen, wurde Olaf Lies Weils Stellvertreter als Landesvorsitzender und trat nach dem Sieg bei der Landtagswahl 2013 als Wirtschaftsminister in dessen Kabinett ein.
Viel von Stephan Weil gelernt
„Solches Vertrauen und echt empfundene Freundschaft habe ich in der Politik nur selten erlebt“, sagt Lies über sein Verhältnis zu Stephan Weil. Rückblickend wirkt er sogar froh, dass es damals mit der Spitzenkandidatur nicht geklappt hat. „Ich war damals ein ganz anderer Politiker“, sagt Lies. In den 13 Jahren als Wirtschafts-, Umwelt- und schließlich wieder als Wirtschaftsminister habe er viel gelernt, nicht zuletzt von Stephan Weil.
Doch auch wenn die beiden vieles verbinde, seien sie doch unterschiedlich. Während Weil sich selbst gern als „Bier trinkenden Ministerpräsidenten“ bezeichnet, trinkt Lies „lieber Cola Zero“, wie er mit einem Augenzwinkern erzählt. Ansonsten sei er, Lies, „operativer unterwegs“. Mit dem krisengeschüttelten Automobilhersteller VW oder der Meyer Werft, die im vergangenen Jahr knapp vor dem Konkurs gerettet werden konnte, hatte Lies schon als Wirtschaftsminister mit Themen zu tun, die für Niedersachsen entscheidend sind.
Als Ministerpräsident werde er nun „mehr Generalist“ gefordert sein. Themen wie Energiepreise und Bildung stünden ganz oben auf seiner Liste.
Erfahrungen aus Friesland nutzen
Die Bildung war es auch, die Olaf Lies Ende der 90er-Jahre in die Politik brachte. 1995 hatte der Diplom-Ingenieur als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Wilhelmshaven angefangen. Im Jahr darauf wurde er in den Personalrat gewählt und später dessen Vorsitzender.
„Damals stand ich häufiger Thomas Oppermann gegenüber“, erinnert sich Lies. Der spätere Bundestagsvizepräsident war damals Wissenschaftsminister in Niedersachsen. So wurde auch die örtliche SPD auf Olaf Lies aufmerksam. Im Januar 2002 wurde er Mitglied, im Februar Vorsitzender des Ortsvereins Sande, einem Vorort von Wilhelmshaven, wo Lies mit seiner Familie lebt und seit 23 Jahren im Gemeinderat sitzt.
„Mein Herz hat immer für die Kommunalpolitik geschlagen“, sagt Lies. „Die Arbeit vor Ort erdet sehr.“ Er müsse nun aber sehen, ob er die Mandate im Gemeinderat und im Kreistag nach einer möglichen Wahl zum Ministerpräsidenten so weiterführen könne.
Olaf Lies: „Das Vertrauen in demokratische Prozesse muss wieder wachsen.“
Seine Herkunft soll bei seiner künftigen Arbeit aber weiter eine Rolle spielen. „Ich will meine Erfahrungen aus der ländlichen Region mit denen der Städte verbinden“, sagt Lies. Viele Dinge würden in seiner Heimat Friesland ganz anders wahrgenommen und diskutiert als in der Landeshauptstadt Hannover.
„Das Vertrauen in demokratische Prozesse muss wieder wachsen“, sagt Olaf Lies. Dabei spiele auch der Ausbau der Infrastruktur eine wesentliche Rolle: „Wichtig ist, dass die Menschen spüren und sehen, dass sich nun bei ihnen vor Ort etwas tut.“ Deshalb setzt der Ministerpräsident in spe auch große Hoffnungen in das 500-Milliarden-Investitionspaket des Bundes. „Hier geht es auch um die Interessen Norddeutschlands“, sagt der 58-Jährige und fügt hinzu: Als Ministerpräsident werde die Bundespolitik für ihn „natürlich eine ganz andere Rolle als bisher spielen“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.