Neue Wohnungen, bezahlbare Mieten: „Der Bauturbo ist ein scharfes Schwert“
Noch immer fehlen Wohnungen in Deutschland. Gleichzeitig steigen die Mieten. Bauministerin Verena Hubertz will mit einem „Bauturbo“ dagegenhalten. Hendrik Bollmann, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagt, wie das funktionieren soll.
IMAGO/Harry Koerber
Wohnungsneubau in Nürnberg: Mithilfe des „Bauturbo“ soll die Bauzeit deutlich reduziert werden.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der fertiggestellten Neubauwohnungen um 14 Prozent zurückgegangen, obwohl das politische Ziel eigentlich eine deutliche Zunahme an Wohnungen ist. Woran liegt das?
Die Rahmenbedingungen für den Bau neuer Wohnungen sind leider nach wie vor schlecht. Wegen des Kriegs in der Ukraine sind die Energie- und zum Teil auch die Materialkosten deutlich gestiegen. Zudem fehlen Fachkräfte und das gesamte Investitionsklima hat sich abgedunkelt. Umso wichtiger ist, dass wir jetzt den „Bauturbo“ umsetzen, den die neue Ministerin Verena Hubertz vorgeschlagen hat. Dabei können wir auf vieles aufbauen, was die frühere Bundesregierung bereits vorbereitet hat.
Was kann der „Bauturbo“ denn leisten?
Eine Menge! Der Bauturbo ist ein ganz entscheidendes, scharfes Schwert, weil er Verfahren stark beschleunigt und damit Kommunen und Investoren von Bürokratie entlastet, die Wohnraum schaffen wollen. Vor allem für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt wird das neue Möglichkeiten bringen, aber auch dort, wo das Wohnangebot verknappt ist und steigende Mieten auf niedrige Einkommen stoßen. Bis 2030 – also so lange der Bauturbo zunächst befristet ist – werden wir deutliche Verbesserungen spüren. Darüber hinaus werden wir uns in dieser Legislatur auch mit einer Novelle des Baugesetzbuchs befassen, die dafür sorgen soll, dass wir grundsätzlich den Kommunen, den Investoren und allen Beteiligten vereinfachte Bedingungen zum Bauen bieten.
Hendrik
Bollmann
Nicht jede Prüfung macht bei jedem Bauvorhaben Sinn, sondern erschwert eigentlich nur dessen Realisierung.
Was verändert der „Bauturbo“ konkret?
Wir verkürzen das Genehmigungsverfahren mit dem Bauturbo auf zwei Monate. Heute dauert es im Extremfall mehrere Jahre. Die Kommunen erhalten mit dem Bauturbo auch bessere Möglichkeiten, um generell flexibler mit diversen Vorgaben umzugehen. Bisher ist das Vorhaben ja nur ein Referentenentwurf, aber wenn das, was dort vorgesehen ist, so beschlossen wird, werden alle Beteiligten deutlich einfachere Bedingungen vorfinden, um beim Bauen besser voranzukommen.
Gibt es nicht die Gefahr, dass wichtige Dinge wie Schutzstandards hinten runterfallen, wenn Genehmigungsverfahren derart beschleunigt werden?
Die Städte und Gemeinden können pragmatischer mit Standards und Prüfungen in den Genehmigungsverfahren umgehen. Nicht jede Prüfung macht bei jedem Bauvorhaben Sinn, sondern erschwert eigentlich nur dessen Realisierung. Die Verantwortung liegt letztlich weiter bei den Kommunen vor Ort und das ist auch gut so. Das ist uns als SPD sehr wichtig. Sie können am besten entscheiden, was es wo einzuhalten gilt. Klar ist, dass wir zumindest vorübergehend die Möglichkeit brauchen, Dinge anders zu machen, wenn wir beim Thema Bauen jetzt wirklich vorankommen wollen.
Welche Rolle spielt die Nutzung neuer Technologien wie etwa des 3-D-Drucks für die Beschleunigung von Bauvorhaben?
Neue Bau-Technologien können bei der Herausforderung des Fachkräftemangels sehr hilfreich sein. Wir haben ja schon heute das Problem, dass es schwierig ist, Fachkräfte für den Bau zu bekommen. Und das wiederum ist kompliziert für die Umsetzung von Projekten. Viele Dinge können etwa über das serielle und modulare Bauen vereinfacht werden, indem große Teile eines Hauses in der Fabrik produziert und vorbereitet werden, sodass sie dann auf der Baustelle nur noch zusammengesetzt werden müssen. Die Anzahl der benötigten Fachkräfte ist geringer. Insgesamt sehe ich hier ein großes Potenzial, um schneller und auch günstiger zu bauen.
Bauministerin Verena Hubertz will den Bauturbo innerhalb der ersten 100 Tage der Regierung ins Parlament bringen. Ist das realistisch?
Ja, das ist das Ziel von Verena Hubertz und es ist auch unseres als SPD-Fraktion. Aus meiner Sicht sieht es auch sehr gut aus, dass wir das als wichtigen Bestandteil des 100 Tage-Programms der Bundesregierung auf den Weg bekommen.
Hendrik
Bollmann
Die Mietpreisbremse ist eine ganz wichtige Erstversorgung, um die Situation für viele Familien nicht noch weiter anzuheizen.
Deutlich schneller soll die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 kommen. Reicht die als Schutzmaßnahmen für Mieter*innen aus oder müsste es da eigentlich noch mehr geben?
Natürlich wissen wir um die Stärken, aber auch um die Schwächen der Mietpreisbremse. Sie ist sicher kein Allheilmittel, aber ein erstes, großes Stoppschild. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir uns mit der Union auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse einigen konnten, denn ansonsten wäre sie ausgelaufen und wir wären hinter die bisher geltenden Maßnahmen zurückgefallen. Im Koalitionsvertrag haben wir aber auch festgehalten, dass wir bei Themen wie Mietwucher, Indexmieten oder möbliertem Wohnen verstärkt etwas tun müssen. Das müssen wir sehr bald rangehen.
Die Bedeutung der Mietpreisbremse wird von vielen Seiten hervorgehoben. Wäre es da nicht sinnvoller, sie zu entfristen, statt sie immer wieder verlängern zu müssen?
Das sehe ich auch so, konnte aber leider nicht Bestandteil des Koalitionsvertrags mit CDU und CSU werden. Die beste Situation wäre ja, wenn wir einen Wohnungsmarkt mit einer gewissen Flexibilität hätten, auf dem sich ein Mietpreis auch vernünftig entwickelt – kein Vermieter- sondern ein Mietermarkt. Deswegen ist das verstärkte Bauen und Nachverdichtung gleichzeitig so wichtig. Die Mietpreisbremse ist eine ganz wichtige Erstversorgung, um die Situation für viele Familien nicht noch weiter anzuheizen. Damit sich die Preislage am Markt wieder entspannt, müssen wir vor allem eines tun: bauen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.