Sophie Koch: So wird die SPD wieder erfolgreich
Dirk Bleicker
In Sachsen sind wir niedrige Wahlergebnisse der SPD gewohnt und meine Hoffnung war, dass sich unsere Ergebnisse früher oder später eher an die der Bundespartei annähern – nicht andersherum. Jetzt steht die SPD in Sachsen bei 7,7 Prozent, die Bundes-SPD schwächelt und alle suchen nach einem Weg zurück zum Glanz. Was also muss die SPD anders machen? Ich versuche einige Denkanstöße zu geben – als junge, progressive, ostdeutsche Frau innerhalb dieser Partei und mit vielen Eindrücken, die ich bundesweit in den sozialen Medien oder auf den Straßen und Märkten Sachsens bekommen habe.
Die Jugend nimmt die SPD nicht ernst
Ein Problem der SPD haben die letzten Wahlergebnisse verdeutlicht: Die Jugend nimmt uns nicht mehr ernst – zumindest zu einem großen Teil! Es brauchte übrigens kein YouTube-Video von Rezo, damit sich der Großteil einer Generation fragt, was die SPD ist und wofür sie steht. Viele nehmen die Sozialdemokratie nur als das Anhängsel der CDU wahr. Sie könnten nicht in drei Sätzen erklären, welche Ziele die SPD verfolgt – aber viele unserer Mitglieder können das wahrscheinlich auch nicht.
Und es fehlt der Jugend an Vorbildern, an jungen Sozialdemokrat*innen, die ihre Lebensrealität kennen und ihnen Politik in ihrer Sprache vermitteln. Zum Glück gibt es in diesem Punkt Hoffnung! Mit Lilly Blaudszun, Delara Burkhardt, Kevin Kühnert oder Tiemo Wölken zeigen exemplarisch vier SPD-Mitglieder, wie Politik bei YouTube, Instagram, Twitter oder Twitch funktioniert und dass man auch als junger Mensch schon was zu sagen hat.
Es braucht eine klare Haltung gegen rechts
Ich möchte aber gleich davon abraten, unsere SPD-Abgeordneten alle vor eine Kamera zu stellen, die Politik der GroKo mit schönen Bildern zu unterlegen und zu glauben, halbgare Kompromisse in schönen Schnittbildern sind plötzlich das Gelbe vom Ei. Wenn wir junge Menschen zurückgewinnen wollen, müssen wir ihnen auch zuhören! Wenn die EU Plattformen wie YouTube beim Urheberrecht stärker in die Pflicht nehmen will und vorsieht, dass die Betreiber schon beim Hochladen sicherstellen müssen, dass geschützte Werke nicht unerlaubt auf ihrer Seite landen, und Tausende gegen den entsprechenden Artikel 13 auf die Straße gehen, heißt es Druck ausüben, um Uploadfilter zu verhindern.
Wenn Millionen gegen Klimawandel protestieren, heißt es, einen sozial gerechten Klimaschutz voranzubringen, der aber genauso den künftigen Generationen gerecht wird. Es braucht mehr politische Bildung, es braucht eine klare Haltung gegen Rassismus, Hass, Antisemitismus und jegliche Form von Diskriminierung. Es braucht Vorbilder, die zu dem stehen, was sie sagen. Damit können wir auch dem Rechtsruck einer jungen Generation in Ostdeutschland entgegensteuern.
Die SPD muss aufhören, Politik für AfD-Wähler zu machen
Denn die hohen AfD-Ergebnisse, die Vielzahl jener, die wissentlich Nazis in Parlamente gewählt haben, stimmt mich mehr als nachdenklich. Schockiert bin ich leider nicht. Einerseits, weil wir in Ostdeutschland in der Tat ein großes Problem mit rechten Denkmustern haben, andererseits, weil wir es der AfD auch zu leicht gemacht haben, sich in der »Mitte« der Gesellschaft zu wohl zu fühlen. Zu lange wurde die AfD verharmlost, einzelne Aussagen als Ausnahmen hingenommen und jenen, die den Diskurs verweigerten ein ungenügendes Demokratieverständnis attestiert.
Die SPD muss nicht nur jede Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließen, sie muss auch deren Mitglieder als rechte Brandstifter entlarven. Aber das Allerwichtigste: Die SPD muss aufhören, Politik für vermeintliche AfD-Wähler*innen zu machen, in der Hoffnung, diese würden dann schon zur Sozialdemokratie kommen.
Ich wurde auf der »Unteilbar«-Demo in Dresden im August 2019 darauf angesprochen, dass die SPD den Rechtsruck der Gesellschaft mit zu verantworten hätte: durch Verschärfungen des Asylrechts, durch das Vernachlässigen anderer Themen neben Asyl & Migration (bitte nicht falsch verstehen, das sind unfassbar wichtige Themen, aber nicht die einzigen der Sozialdemokratie) und durch eine restriktivere Innenpolitik. Und ich musste der Person in Teilen recht geben.
Wichtige Konflikte zwischen oben und unten
Das Elend der Sozialdemokratie ist nämlich nicht, dass wir uns beim Thema Asyl und Migration nicht einigen können. Das Elend besteht darin, dass wir mit jeder Verschärfung unsere Grundwerte mehr als nur auf eine Zerreißprobe gestellt haben und, dass wir nicht aufhören, über das Thema zu reden und der AfD damit jedes Mal den roten Teppich der Bullshit-Argumente ausrollen. AfD-Wähler*innen hören nämlich nicht auf, AfD zu wählen, nur weil plötzlich weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen. Die bedanken sich und wählen trotzdem das Original.
Dabei sollten wir Sozialdemokrat*innen das Recht auf Asyl, auf Schutz immer hochhalten. Und wir sollten aufhören, unsere Kernthemen aus den Augen zu verlieren. Wollt ihr wissen, wann die AfD das letzte Mal ruhig war? Als Kevin Kühnert eine Debatte um Vergesellschaftung und Sozialismus losgetreten hat. Denn hier hat die AfD nix zu melden. Konzepte gegen Wohnungslosigkeit? Fehlanzeige. Ideen für eine faire Verteilung von Vermögen? Haben sie nicht.
Wenn wir als SPD verstehen, dass die für uns wichtigen Konflikte in diesem Land nicht zwischen »Grenzen offen« und »Grenzen geschlossen«, zwischen Globalisierungsgegner*innen und -befürwörter*innen verlaufen (hier sollte unser Standpunkt klar sein), sondern zwischen denen, die viel besitzen und jenen, die wenig haben – also zwischen oben und unten, dann können wir auch wieder Politik aus unseren Grundwerten heraus gestalten.
Wie die SPD wieder glänzen kann
Ich bin 26 Jahre alt und entschuldige mich an fast jedem Infostand für Hartz IV. Viele nehmen uns das heute immer noch übel – ob sie davon betroffen sind oder nicht. Das Sozialstaatskonzept, die Grundrente, die Mindestausbildungsvergütung – all das sind gute erste Schritte zurück zu unseren Idealen. Eine Vermögensteuer, eine grundlegende Kritik am kapitalistischen System, eine sozialökologische Wende und eine Absage an dieses wirkliche Elend namens Große Koalition wären weitere wichtige Schritte.
Eine SPD, die junge Generationen ernst nimmt und ihnen Chancen gibt, die bedingungslos klare Kante gegen Rechts zeigt, die Verteilungsfragen stellt und beantwortet, die quasi standhaft sozialdemokratische Ideen voranbringt, das ist eine SPD, die wieder glänzen kann.
Dieser Artikel erschien zunächst in der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte.
studierte Politikwissenschaften in Dresden, arbeitet für eine Hilfsorganisation, ist seit Oktober 2019 Landesvorsitzende der Jusos Sachsen und war Kandidatin der sächsischen SPD bei der Landtagswahl am 1. September.