Krankenhausreform: So haben die Bundesländer entschieden
Für die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist die letzte Hürde genommen: Die Länder haben das umstrittene Gesetz gebilligt. Einem Ministerpräsident war offenbar besonders viel daran gelegen, das zu verhindern.
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach während seines Besuchs im Hamburger Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf
Die Krankenhausreform ist beschlossen. Am Freitag haben die Länder den Weg für das Großprojekt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) freigemacht. Der Bundestag hatte das Gesetz bereits im Oktober beschlossen, doch Bayern hatte anschließend einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt.
Der Antrag verpasste nun die nötige Mehrheit. Wäre die Reform im Vermittlungsausschuss gelandet, wäre das Projekt womöglich gescheitert, weil die Bundesregierung inzwischen keine Mehrheit mehr hat.
Lauterbach hatte zuvor eindringlich vor einem Scheitern der Reform gewarnt. Mit der „größten Reform seit 20 Jahren“ will der Gesundheitsminister die Qualität der Krankenhäuser in den Vordergrund holen. In ihren Grundzügen will sie die Kliniken von ihrem hohen ökonomischen Druck befreien, der zu einer „Fließbandmedizin“ führte, wie Lauterbach sagt.
Woidke entlässt Gesundheitsministerin
Die Abstimmung in der Länderkammer war am Freitag knapp. Sechs Bundesländer stimmten für einen Vermittlungsausschuss: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen. Damit erreichten sie aber nur 30 von benötigten 35 Stimmen. Insgesamt gibt es 69 Länderstimmen im Bundesrat. Sechs Bundesländer stimmten gegen den Vermittlungsausschuss, drei enthielten sich.
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte zuvor: „Wir brauchen diese Reform, aber es gibt nach wie vor wenige Punkte, die unbedingt nachgebessert werden müssen." Konkret ging es den Ländern um Änderungen bei Vorgaben zu Fachärzten, die in ländlichen Regionen derzeit einfach nicht erreichbar seien. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte auch vor einer wachsenden Ungleichheit zwischen Kliniken in Ost und West. Die Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen (beide SPD) appellierten daran, der Reform zuzustimmen. Niedersachsens Minister Andreas Philippi (SPD) warnte, die Krankenhausreform sei „politisch tot", wenn sie in den Vermittlungsausschuss käme.
Thüringens Votum wurde offenbar nicht mitgezählt, da das Land nicht einheitlich abstimmte. Das wollte der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) für sein Bundesland verhindern. Während der laufenden Sitzung im Bundesrat entließ er seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Wie der rbb berichtet, wollte die Ministerin gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen – und Woidka dafür. Die Bundesländer müssen einheitlich abstimmen, damit ihr Votum gültig ist. Genützt hat dem Brandenburger Ministerpräsidenten aber wenig. Nonnemacher war zudem nur noch geschäftsführend im Amt, weil Brandenburg derzeit über eine neue Koalition verhandelt.
Mehr Qualität, weniger Quantität
Lauterbach begrüßte das Ergebnis der Abstimmung im Bundesrat. „Wir haben gezeigt, wozu die Ampel-Regierung auch in anderen Gebieten hätte fähig sein können: Trotz großer Widerstände ein System grundlegend zu modernisieren, das diese Reform schon so viel früher gebraucht hätte", sagte er. Bislang wurden Krankenhäuser nur für durchgeführte Behandlungen entlohnt – und führten deswegen zum Teil Eingriffe durch, die medizinisch gar nicht unbedingt notwendig waren. In Zukunft ist eine Pauschale von 60 Prozent allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote vorgesehen. Die Kliniken sollen also den Großteil ihres Geldes dafür bekommen, dass sie Personal bereithalten oder bestimmte medizinische Geräte vorhanden sind.
Dadurch sollen sie sich auf Behandlungen konzentrieren können, für die sie besonders geeignet sind. „Leistungsgruppen" sollen die Klinikbehandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben machen. Sprich: Wer gute Orthopäd*innen hat, soll dieses Profil weiter ausbauen. Wer die Kriterien nicht einhält, kann nicht abrechnen. Das Netz der 1.700 Krankenhäuser in Deutschland dürfte also kleiner werden.
In Deutschland sind die Länder für die finanzielle Planung ihrer Krankenhäuser zuständig. Sie forderten seit Monaten Änderungen von Details, weil sie fürchteten, dass kleinere Kliniken pleite gehen, wenn sie die neuen Qualitätsstandards nicht einhalten. Insbesondere auf dem Land werden die Kliniken aber dringend gebraucht. Lauterbach wollte von den Qualitätszielen nicht abrücken.
Länder hatten auf Ausnahmen gepocht
In Kraft treten soll das Gesetz zum 1. Januar 2025. Umgesetzt werden soll es 2029. Der Gesetzesentwurf zur Krankenhausreform war eigentlich schon im Mai vom Bundeskabinett beschlossen worden. Dann aber hatten die Bundesländer geblockt. Sie hatten Ausnahmen von den bundesweiten Qualitätsvorgaben gefordert. Deswegen drohte ein langwieriges Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat.
Um den Ländern entgegenzukommen, hatte der Gesundheitsminister den Entwurf im Herbst noch überarbeitet und unter anderem ergänzt, dass Kliniken im ländlichen Raum eine ambulante Versorgung mit Fachärzt*innen anbieten können, wenn es in der Region an Fachärzt*innen mangelt. Ambulante Behandlungen von Kindern und Jugendlichen sollen bundesweit möglich sein.
Kritik hatte es auch daran gegeben, dass sich die privaten Krankenkassen an dem milliardenschweren „Transformationsfonds“ beteiligen sollten, der den Umbau der Kliniklandschaft unterstützt. Diesen sollten nur die Länder und die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren. Lauterbach zufolge haben die privaten Krankenkassen zugesagt, sich zu beteiligen. Zur Not müsse gesetzlich nachgeschärft werden, sagte SPD-Pflegeexpertin Heike Baehrens. Gesetzlich zwingen kann die Bundesregierung die privaten Krankenkassen aber nicht.
Karl Lauterbach
Durch die geplante Krankenhausreform sehe ich, entgegen aller Beteuerungen, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum nicht mehr ausreichend gewährleistet.
Die Versorgung mit "Allerweltsmedikamenten" kann unter diesem "Gesundheitsminister" seit Jahren nicht ausreichend gewährleistet werden.
Das Alles braucht einen parlamentarischen Untersuchunngsausschuß und eine breite öffentliche Diskussion um Vertrauen wieder herzustellen.
Dietmar Woidkes Weitsicht
Ich schließe nicht aus , dass der Ausstieg der FDP aus der Ampelkoalition nicht doch vorher durchgestochen wurde. Allein der Rücktritt Kevin Kühnerts und der Einstieg Matthias Mierschs erschienen bisher isoliert. So wirken die Entlassungen nun von Christian Lindler und Ursula Nonnemacher in einer unbilligen Härte. Bei Christian Lindner kann man noch von vorsätzlichem Starrsinn und orthodoxer Regierungsuntauglichkeit sprechen. Ursula Nonnemacher jedoch hat die Landesinteressen vertreten und die Vorlage Karl Lauterbachs nach Abwägung aller Argumente geteilt. Sie derart auf den Fluren des Bundesrats mit einer vorbereiteten Entlassungsurkunde abzuservieren, nach dem sie mit den Worten, dass sie ohne Entlassungsurkunde nicht bereit wäre auf ihre Bundesratsrede zu verzichten, ist verheerend. Der Hinweis, dass sie nur geschäftsführend ministriert, lenkt davon ab, dass auch Dietmar Woidke nur geschäftsführend gehandelt hat. Die ostextreme linksnationale BSW wird sich das nicht gefallen lassen!
Dietmar Woidke
Ein Lob auf unseren Ministerpäsidenten, der die Frau Nonnenmacher entließ weil sie die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung ignorieren wollte.