Eklat um Brosius-Gersdorf: So reagiert die SPD
Eigentlich sollten am Freitag drei neue Richter*innen für das Bundesverfassungsgericht gewählt werden. Doch wegen Bedenken bei CDU und CSU wurde die Wahl verschoben. Die SPD warnt vor einem „Spiel mit dem Feuer“.
IMAGO
Schaden vom Bundesverfassungsgericht abwenden: Nach der Verschiebung der Verfassungsrichter*innen übt die SPD-Bundestagsfraktion deutliche Kritik an CDU und CSU.
Wegen Bedenken aus der Fraktion von CDU und CSU gegen die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ist die Wahl von drei Richter*innen für das Bundesverfassungsgericht am Freitag im Bundestag verschoben worden. Für den Antrag der Fraktionen von Union, SPD und Grünen votierte auch die Fraktion der Linken. Noch am Montag hatten alle drei Kandidat*innen, neben Brosius-Gersdorf, die ebenfalls von der SPD nominierte Ann-Kathrin Kaufhold und CDU-Kandidat Günter Spinner, im „Richter-Wahlausschuss“ des Bundestags die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten.
Dirk Wiese: Schaden vom Gericht abwenden
Vor der Bundestagssitzung am Freitag hatte die Unionsfraktion dann aber Zweifel an der fachlichen Expertise von Brosius-Gersdorf angemeldet und sich dabei auf angebliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit bezogen. CDU und CSU forderten deshalb, die Abstimmung über Brosius-Gersdorf zu verschieben. Nach einer Sitzungsunterbrechung am Vormittag nahm der Bundestag dann die Wahl aller drei Richter*innen von der Tagesordnung. Sie wird nun voraussichtlich nach der Sommerpause des Bundestags stattfinden.
„Das Problem heute ist, dass die Unionsführung die nötige Mehrheit in ihren eigenen Reihen nicht sicherstellen konnte“, begründete der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, den Schritt. „Die Unionsführung war schon Wochen vorher über unsere Vorschläge informiert und hatte Zustimmung signalisiert. Um weiteren Schaden vom Gericht abzuwenden, werden wir heute keine Wahlen mehr durchführen.“
Eichwede: Rechte Kräfte haben „Spiel mit dem Feuer“ entfacht
Im Parlament wurde Wiese noch deutlicher. „Dass wir in den letzten Tagen eine Hetzkampagne aus rechten Kreisen erlebt haben gegen eine hoch angesehene Juristin, die fachlich über jeden Zweifel erhaben ist, muss uns massiv Sorgen bereiten“, sagte Wiese. Weil sie sich während der Corona-Pandemie für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen und sich offen für ein Verbotsverfahren gegen die AfD gezeigt hatte, war Brosius-Gersdorf in sozialen Medien und von rechtsgerichteten Medien schon früh als „Linksextremistin“ und Schlimmeres gebrandmarkt worden. In dieser Woche kamen Falschbehauptungen hinzu, Brosius-Gersdorf würde Abtreibungen bis kurz vor der Geburt befürworten.
„Konservative und rechte Kräfte haben in den vergangenen Tagen ein Spiel mit dem Feuer entfacht, das nur schwer zu löschen sein wird“, kommentierte Sonja Eichwede die Vorgänge. „Wir erleben eine gefährliche Politisierung der Richterwahlen“, so die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Die Wahlen für das Bundesverfassungsgericht dürften „nicht zur Bühne moralpolitischer Kulturkämpfe verkommen“.
Sondersitzung des SPD-Parteivorstands
Wie es bei der SPD nach dem Eklat vom Freitag weitergeht, ist noch unklar. Am Abend soll es eine Sondersitzung des Parteivorstands geben, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Im Bundestag machte Dirk Wiese am Freitag aber bereits deutlich, dass er Bewegung bei CDU und CSU erwarte. „Wir haben als SPD in den vergangenen Wochen bei wirklich schwierigen Entscheidungen gestanden“, sagte Wiese und dürfte damit etwa die Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete gemeint haben. Nun erwarte er, „dass bei solchen schwierigen Entscheidungen auch andere stehen“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.